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Titanische Türme - Ossip Bernstein
Oli1970 - 09. Jan '21
Ossip Bernstein und Alexander Kotov haben 1946 in Groningen eine Partie aufs Brett gezaubert, die dem Nachspielenden trotz ihrer relativen Länge viele Vorzüge bietet. Die Länge ist eher der Zählung zuzuschreiben als dem tatsächlichen Geschehen auf dem Brett - zwischen den Zügen 34 und 44 tasten sich die Spieler größtenteils ab, ohne dass es einem gelingt, einen Vorteil zu erzwingen und auch die Eröffnungsphase ist bis zum 14. Zug praktisch ereignisfrei.
Beide Spieler haben 1950 ihren Großmeistertitel verliehen bekommen. Kotov ist außerdem bekannt als Autor erfolgreicher Titel wie z. B. "Think Like a Grandmaster", Bernstein hat einige Schachkompositionen hinterlassen. Wie so oft, ist auf Wikipedia ihre Vita nachzulesen, Bernstein hatte ein bewegtes Leben.
Wir sehen eine lehrreiche und dennoch leichte Partie, die ohne große strategische Winkelzüge auskommt. Sie ist recht klar angelegt und dadurch gut nachvollziehbar. Es entsteht beizeiten ein Schwerfigurenspiel, welches gut durchschaubar ist, da die Partie bis (fast) zum Schluss fehlerfrei gespielt ist. Durch ihre Geradlinigkeit werden nur wenige Varianten zum Verständnis notwendig. Die Spieler wechseln die bespielten Flügel nur selten und die Bauernstrukturen sind durchschaubar angelegt, interessant ist ein zwischenzeitliches Intermezzo am Damenflügel. Trotzdem ist die Partie keinesfalls langweilig, da die beiden zwar positionell, aber zielstrebig auf Augenhöhe spielen und dabei ihre Pläne verfolgen, statt sie abzuändern. Ein Fehler Kotovs ermöglicht ein schönes Mattbild - und schöne Matts beinhalten, wie man weiß, ein Damenopfer.































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Beide Spieler haben 1950 ihren Großmeistertitel verliehen bekommen. Kotov ist außerdem bekannt als Autor erfolgreicher Titel wie z. B. "Think Like a Grandmaster", Bernstein hat einige Schachkompositionen hinterlassen. Wie so oft, ist auf Wikipedia ihre Vita nachzulesen, Bernstein hatte ein bewegtes Leben.
Wir sehen eine lehrreiche und dennoch leichte Partie, die ohne große strategische Winkelzüge auskommt. Sie ist recht klar angelegt und dadurch gut nachvollziehbar. Es entsteht beizeiten ein Schwerfigurenspiel, welches gut durchschaubar ist, da die Partie bis (fast) zum Schluss fehlerfrei gespielt ist. Durch ihre Geradlinigkeit werden nur wenige Varianten zum Verständnis notwendig. Die Spieler wechseln die bespielten Flügel nur selten und die Bauernstrukturen sind durchschaubar angelegt, interessant ist ein zwischenzeitliches Intermezzo am Damenflügel. Trotzdem ist die Partie keinesfalls langweilig, da die beiden zwar positionell, aber zielstrebig auf Augenhöhe spielen und dabei ihre Pläne verfolgen, statt sie abzuändern. Ein Fehler Kotovs ermöglicht ein schönes Mattbild - und schöne Matts beinhalten, wie man weiß, ein Damenopfer.
Bernstein, Ossip Kotov, Alexander Groningen | Groningen NED | 18 | 1946.09.05 | B85 | 1:0
8








7








6
5
4
3
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1

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1. e4 c5 2. Se2 d6 3. Sbc3 Sf6 4. d4 xd4 5. Sxd4 a6 6. Le2 Dc7 7. O-O e6 8. f4 Le7 9. Kh1 Sizilianisch, Scheveninger System mit 9...Sc6. Sc6 10. Lf3 Bernstein erwartet Ld7 und beabsichtigt, danach den Springer abzutauschen. Lf3 bereitet dies vor, da ansonsten Be4 zweimal angegriffen, aber nur einmal gedeckt wäre (vgl. Stellung nach dem 11. Zug). Sofortiges Sxc6 bxc6 wäre zwar möglich, aufgrund des Zentrums und der Möglichkeit, Lb7 zu spielen, stünde Schwarz recht bequem. Ld7 11. Sxc6 Lxc6 12. De2 Stellt die Dame aktiver: Be4 wird ein weiteres Mal gestützt und der Vorstoß e4-e5 wird unterstützt. Die Diagonale nach a6 erlaubt Unterstützung des Damenflügels, das Feld f2 verschafft erforderlichenfalls weitere Beweglichkeit. Üblich ist, dass Schwarz mit b7-b5 versuchen wird, am Damenflügel zu spielen. O-O 13. Le3 b5 14. a3 Sd7 15. Tad1 Sb6 mit der Idee Sc4. Allerdings wechselt nun die Initiative. Wahrscheinlich war Tc8 oder Db7 vorzuziehen. 16. Lxb6 Dxb6 17. Sd5! Dd8 Selbst angegriffen, muss die Dame dem Le7 Schutz geben. 18. Sxe7+ Dxe7 19. De1 Tfd8 20. Da5 Tac8 21. Db4 Lb7 Gibt die c-Linie frei. Da der a-Bauer nunmehr durch den Läufer gedeckt ist, könnte die Dame mit f6 liebäugeln. 22. Dd2 Dc7 Droht Dxc2. 23. c3 Dc4 24. Df2 Dc5 25. Td4 Td7 Bereitet die Verdoppelung der Türme vor. Die Frage, die sich stellt, ist, ob die Batterie auf der c-Linie oder auf der d-Linie vorteilhafter ist. Hier ist es einfach zu beantworten - da der c-Bauer vorgerückt ist, ist hier nichts zu holen. Wahrscheinlicher ist die Öffnung der d-Linie und wahrscheinlich ist mit Tfd1 zu rechnen. 26. e5 Lxf3 27. Dxf3 Dc6 Gleichwertig wäre auch gewesen, durch d6-d5 die Linie zu verschließen. Stattdessen bietet Kotov Damentausch an. Die Partie ist völlig ausgeglichen, es ist gleich, ob Bernstein den Tausch annimmt, ihm ausweicht oder mit g4 oder h4 am Königsflügel vorrückt. 28. Dd3 Tcd8 29. Td1 d5! Schwarz darf exd6 nicht zulassen, da Weiß sonst einen Angriff erhält. Selbst schlagen geht natürlich nicht, da am Ende der Rechnung Weiß mit einem Mehrturm verbleibt. 30. Te1 a5 31. Te3 Zur Überführung nach Th3, dann droht Dxh7#. Tb8 Denn wer a5 sagt, wird auch b4 sagen. 32. Th3 h6 Da keine Leichtfiguren auf dem Brett sind, sind die Verteidigungen h6 und g6 in diesem Fall gleichwertig. 33. Dd2 b4 Kotov versucht, Linien für seine Figuren zu öffnen, solange der weiße Angriff am Königsflügel unterbrochen ist. Beachtenswert ist, dass Bernsteins Td4 momentan rein als Blockadefigur nützlich ist und gar nicht so aktiv steht, wie es aussieht. Es droht bxa3, wonach Tb8 auf der weißen Grundreihe erscheint. Bernstein muss sich zunächst darum kümmern.
Die Engine gibt als stärkere Fortsetzung sofortiges Tc7 an. Tc7 34. Tf3 b4 Wichtig ist nun, dass der a-Bauer schlagen muss, cxb4 verliert wegen Dc1+ die Partie. 35. xb4 xb4 Da Weiß nach wie vor nicht schlagen darf, folgt als nächstes bxc3. 36. h3 xc3 37. Txc3 Db7 38. Txc7 Dxc7 Schwarz hat einen positionellen Vorteil, da er den Damenflügel kontrolliert.
34. xb4 xb4 35. xb4 Tc7= Leichten Vorteil versprach Da6 , da nun Df1# droht. Falls Kg1, zwingt Da1+ den König auf die zweite Reihe, zudem droht Schwarz, mit einem Turm über die c-Linie einzubrechen. Im Gegensatz zur Partie blockiert der eigene Turm h2-h3 nebst Kh2 mit der Folge, dass die weißen Figuren in der Verteidigerrolle bleiben müssen.
36. Tc3 Da6 Durch die Zugumstellung hat Bernstein die c-Linie blockiert und den Weg für h3 freigemacht, um dem König ein Fluchtfeld auf h2 geben zu können. Danach kann sich Weiß um Aktivität statt Verteidigung kümmern. 37. h3 Tbc8 38. Kh2 Zu den folgenden Zügen gibt es nichts zu sagen, die Spieler tasten sich ab, ohne dass es möglich ist, einen Vorteil zu erspielen. Es gibt jeweils mehrere Möglichkeiten, das Spiel ausgeglichen fortzusetzen, es ist durch und durch remis. Df1 39. Tdd3 Tc4 40. Tf3 Db1 41. De2 T8c7 42. Tf1 Df5 43. g4 Dg6 44. Tfc1 Te4= 45. Dd2 45. Dc2 Auch Dc2 ist ein guter Zug, jedoch darf dann nicht mit den Spielzügen fortgesetzt werden. Tb7 46. Tc8+? Richtig wäre Tb3. Kh7 47. Ta8 Txf4! Schwarz hat nun deutlichen Vorteil! Die Damen stehen vis-a-vis, ein Abtausch verschafft dem schwarzen König eine Fluchtmöglichkeit. Demgegenüber steht der weiße König ohne Deckung.
Tb7 Kotov gibt die Linie auf, attackiert dafür die Bauern. 46. Tc8+! Kh7 Der Monarch steht in einer engen Kammer. Ein Matt auf h8 scheint möglich. 47. Ta8 Schafft Platz für den Kameraden. Das Spiel ist an dieser Stelle völlig ausgeglichen. Dennoch gibt es nur einen einzigen Zug, der den Status beibehält! Txb4?? Dieser war es nicht. Dabei sieht der Zug gut aus - Verdoppelung der Türme, Angriff auf b2. Tc4 Weiß wird versuchen, die d-Linie zu öffnen, um die Dame nach g8 oder h8 zu überführen. Folgerichtig ist also 48. Txc4 xc4 49. Dd8 Da unmittelbar matt droht, bleibt Schwarz zunächst das Setzen von Schachgeboten, bis es möglich ist, dem König durch Abtausche die nötige Luft zu verschaffen. Dc2+ 50. Kg3 Dd3+! Der Damentausch wird erzwungen. Nimmt Weiß nicht, wird Schwarz selbst schlagen, Bb4 eliminieren. 51. Dxd3+ xd3 52. Td8 Txb4 53. Txd3 Txb2 54. Td7 Tb3+=
48. Tcc8 Es droht Th8#. Um seinem König ein Luftloch zu geben, muss Kotov mindestens einen Turm oder gar die Dame geben. De4 Das andere Feld ist b1, wo die Dame nicht sofort genommen werden kann. Die folgenden Züge laufen identisch ab. 49. Th8+ Kg6 50. f5+
Tschechov - 09. Jan '21
Habe das jetzt nur überflogen. Ich verstehe nicht, von welchem Damenopfer du sprichst. Nicht nur, weil die weiße Dame bis zuletzt auf dem Brett ist, sondern weil die Gefahr des Damenverlustes doch gar nicht drohte, oder? Nach 48. Tcc8 kann Schwarz doch gar nicht Txb2 spielen, wegen dann folgendem sofortigem Matt. Sorry, wenn das jetzt unqualifiziert ist, vielleicht habe ich ja irgendwas übersehen, wie gesagt, ich habe es bisher nur überflogen.
Vabanque - 09. Jan '21
Mit dem Damenopfer meint SF Oli offenbar dasjenige aus der allerletzten Anmerkung, nämlich 51. Dxh6+, das nicht mehr aufs Brett kam, da der Schwarzspieler vorher aufgab, als er die Mattkombination kommen sah.
Oli1970 - 09. Jan '21
Das Damenopfer, auf das ich anspielte, steckt in der Schlussvariante, die in der Partie nicht mehr aufs Brett kam. Insofern ein kleiner Scherz, das (Schein-)Opfer wurde nicht mehr gespielt, weil es das Matt erzwingt. Schönes Wochenende!
Saison - 15. Jan '21
Carlsen Karjakin 2016 letzte Partie( 16. Schnellschach) ähnliches Ende wie hier.
Oli1970 - 18. Jan '21
@Saison: In der Tat, die Partie hat auch ein schönes Schlussbild. Danke!