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Botwinnik - Savitsky 1932 (Auflösung erste 'Hybridaufgabe')

Vabanque - 06. Aug '21
Eine witzige Kurzpartie, welche zeigt, dass a) isolierte Tripelbauern auch stark sein können und b) dass es ins Gegenteil umschlagen kann, wenn man mit Schwarz in der Eröffnung frühzeitig die Initiative an sich reißt.

Bis einschließlich zum 13. Zug hatte ich die Partie schon in den 'Schachaufgaben' gebracht; hier also zugleich als Auflösung wie auch als vollständige Kommentierung.

Mikhail Botvinnik Leonid Savitsky Leningrad Championship | Leningrad URS | 10 | 1932.09.22 | E23 | 1:0
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. d4 Sf6 2. c4 e6 3. Sc3 Lb4 4. Db3 Dieser Zug gegen die Nimzowitsch-indische Verteidigung ist heute ganz in den Hintergrund getreten, er ist aber durchaus spielbar. c5 5. xc5 Sc6 6. Lg5 h6 7. Lh4 Sd4 Natürlich kann sich nur dann eine Kurzpartie ergeben, wenn sich eine Partei frühzeitig auf fragwürdiges Terrain begibt. Der aggressive Springerzug ist aber auch zu verlockend, weil Weiß wegen der Gabel auf c2 den Läufer b4 ja nicht nehmen kann. Allerdings wird der schwarze Scheinangriff bald verpuffen.
g5 8. Lg3 Se4 war wohl nachhaltiger.
8. Da4 Der Unterschied zu Dd1 besteht nun darin, dass Schwarz nur dann mit Sf5 fortsetzen kann, wenn er den Lb4 vorher tauscht. Lxc3+
Sofortiges Sf5?? verliert nach 9. Lxf6 Dxf6 10. Dxb4 eine Figur.
9. xc3 Sf5 Aber das schwarze Manöver sieht doch ganz ausgezeichnet aus: Weiß hat einen isolierten Tripelbauern, der unbedingt schwach sein muss, und Schwarz behält immer noch die Initiative durch den Angriff auf den Lh4. 10. Lxf6 Dxf6 Und jetzt weiterhin durch den Angriff auf c3. 11. Tc1 Steht Weiß denn nicht eigentlich traurig? Eine Schwerfigur muss c3 decken, und der ganze Königsflügel ist unentwickelt. Dg5?! Schwarz versucht weiterhin die Initiative zu behalten und überspannt den Bogen. Zwar ist c1 angegriffen (sogar mit Matt!), doch wird Weiß bald mit dem Entwicklungszug Sf3 die schwarze Dame vertreiben.
Am besten hätte Schwarz wohl De7 gezogen und auf Rückeroberung des Bauern c5 gespielt.
12. Da3 b6 Diesen Zug hielt Schwarz wohl für stark, da weiß nicht auf b6 schlagen kann, ohne dass der Ta8 tödlich ins Spiel käme. 13. Sf3
13. xb6?? xb6 14. Db2
14. Dxa8 Dxc1#
Txa2! und Weiß müsste aufgeben. Aber darauf fällt Botwinnik natürlich nicht herein.
De7? Interessanterweise ist ausgerechnet dieser natürliche Zug, der den Bc5 in eine Fesselung stellt, der sofort entscheidende Fehler. Das Feld e7 musste für den Sf5 frei gehalten werden. 14. g4! Die Widerlegung. Der schwarze Springer hat nur das Feld h4, und nach dem Abtausch auf h4 ist die lange Diagonale für den Lf1 todbringend geöffnet.
Schwarz rechnete vermutlich nur mit 14. e4? Sh4 15. Sxh4 Dxh4 16. Ld3 Lb7 (oder auch De7) mit gutem Gegenspiel.
Sh4 15. Sxh4 Dxh4 16. Lg2 Tb8 17. Dxa7 Den Turmverlust kann Schwarz jetzt zwar noch abwenden, indem er durch Mattdrohung auf c1 ein Tempo für die Deckung des Tb8 gewinnt, nur hilft ihm das letztlich nicht mehr: Dg5 18. O-O De5 19. xb6 Und nun ist es ausgerechnet der isolierte Tripelbauer (bzw. sein vorderster Vertreter), der den Sieg sichert. Es droht ganz simpel b7 mit Gewinn des Lc8, und auf die einzige Verteidigung d5 rückt der zweite Vertreter des isolierten Doppelbauern vor, mit leichtem Gewinn durch die verbundenen Freibauern, weshalb Schwarz hier aufgab:
19. xb6 d5 20. c5 und die Bauernlawine ist nicht mehr aufzuhalten, z.B. Lb7 21. Da4+ nebst c6.
PGN anzeigen[Event "Leningrad Championship"]
[Site "Leningrad URS"]
[Date "1932.09.22"]
[Round "10"]
[White "Mikhail Botvinnik"]
[Black "Leonid Savitsky"]
[Result "1-0"]
[WhiteElo "?"]
[BlackElo "?"]
[ECO "E23"]

1. d4 Nf6 2. c4 e6 3. Nc3 Bb4 4. Qb3 {Dieser Zug gegen die Nimzowitsch-indische
Verteidigung ist heute ganz in den Hintergrund getreten, er ist aber durchaus
spielbar.} 4... c5 5. dxc5 Nc6 6. Bg5 h6 7. Bh4 Nd4 {Natürlich kann sich nur
dann eine Kurzpartie ergeben, wenn sich eine Partei frühzeitig auf fragwürdiges
Terrain begibt. Der aggressive Springerzug ist aber auch zu verlockend, weil
Weiß wegen der Gabel auf c2 den Läufer b4 ja nicht nehmen kann. Allerdings wird
der schwarze Scheinangriff bald verpuffen.} (7... g5 8. Bg3 Ne4 {war wohl
nachhaltiger.} ) 8. Qa4 {Der Unterschied zu Dd1 besteht nun darin, dass Schwarz
nur dann mit Sf5 fortsetzen kann, wenn er den Lb4 vorher tauscht.} 8... Bxc3+ (
{Sofortiges} 8... Nf5 $4 {verliert nach} 9. Bxf6 Qxf6 10. Qxb4 {eine Figur.} )
9. bxc3 Nf5 {Aber das schwarze Manöver sieht doch ganz ausgezeichnet aus: Weiß
hat einen isolierten Tripelbauern, der unbedingt schwach sein muss, und Schwarz
behält immer noch die Initiative durch den Angriff auf den Lh4.} 10. Bxf6 Qxf6
{Und jetzt weiterhin durch den Angriff auf c3.} 11. Rc1 {Steht Weiß denn nicht
eigentlich traurig? Eine Schwerfigur muss c3 decken, und der ganze Königsflügel
ist unentwickelt.} 11... Qg5 $6 {Schwarz versucht weiterhin die Initiative zu
behalten und überspannt den Bogen. Zwar ist c1 angegriffen (sogar mit Matt!),
doch wird Weiß bald mit dem Entwicklungszug Sf3 die schwarze Dame vertreiben.}
( {Am besten hätte Schwarz wohl} 11... Qe7 {gezogen und auf Rückeroberung des
Bauern c5 gespielt.} ) 12. Qa3 b6 {Diesen Zug hielt Schwarz wohl für stark, da
weiß nicht auf b6 schlagen kann, ohne dass der Ta8 tödlich ins Spiel käme.} 13.
Nf3 (13. cxb6 $4 axb6 14. Qb2 (14. Qxa8 Qxc1#) 14... Rxa2 $1 {und Weiß müsste
aufgeben. Aber darauf fällt Botwinnik natürlich nicht herein.} ) 13... Qe7 $2
{Interessanterweise ist ausgerechnet dieser natürliche Zug, der den Bc5 in
eine Fesselung stellt, der sofort entscheidende Fehler. Das Feld e7 musste für
den Sf5 frei gehalten werden.} 14. g4 $1 { Die Widerlegung. Der schwarze
Springer hat nur das Feld h4, und nach dem Abtausch auf h4 ist die lange
Diagonale für den Lf1 todbringend geöffnet. } ( {Schwarz rechnete vermutlich
nur mit} 14. e4 $2 Nh4 15. Nxh4 Qxh4 16. Bd3 Bb7 { (oder auch De7) mit gutem
Gegenspiel.} ) 14... Nh4 15. Nxh4 Qxh4 16. Bg2 Rb8 17. Qxa7 {Den Turmverlust
kann Schwarz jetzt zwar noch abwenden, indem er durch Mattdrohung auf c1 ein
Tempo für die Deckung des Tb8 gewinnt, nur hilft ihm das letztlich nicht mehr:}
17... Qg5 18. O-O Qe5 19. cxb6 {Und nun ist es ausgerechnet der isolierte
Tripelbauer (bzw. sein vorderster Vertreter), der den Sieg sichert. Es droht
ganz simpel b7 mit Gewinn des Lc8, und auf die einzige Verteidigung d5 rückt
der zweite Vertreter des isolierten Doppelbauern vor, mit leichtem Gewinn durch
die verbundenen Freibauern, weshalb Schwarz hier aufgab:} (19. cxb6 d5 20. c5
{und die Bauernlawine ist nicht mehr aufzuhalten, z.B.} Bb7 21. Qa4+ {nebst c6.} ) 1-0


Im 18. Zug reicht statt 0-0 übrigens auch Td1, wie SF gammapappa vorschlug (Botwinniks 0-0 aber ist logischer, da ein Entwicklungszug), und im 19. Zug ist f4 (was mehrere Löser vorschlugen) auch sehr stark, da es letzten Endes dazu führt, dass die schwarze Dame den Tb8 nicht mehr gedeckt halten kann (z.B. Dxc5+ 20. Kh1 Dd6 21. Td1).
toby84 - 06. Aug '21
ich fand es klasse, das vorher als aufgabe zu bekommen 🙂
bringt mich persönlich viel besser in die partie.
Peke - 06. Aug '21
Mir gefällt dieses Format ebenfalls sehr gut. Fortsetzung ausdrücklich erwünscht!
Vabanque - 06. Aug '21
Danke für eure Meinungen!

Man muss natürlich auch Partien finden, wo es eine markante Stelle gibt, an welcher 'der' Zug zu finden ist (ob Kombination oder Endspiel oder strategische Idee).