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Kandidatenturnier 2020: K. Alekseenko - M. Vachier-Lagrave

Oli1970 - 27. Mär '20
Famulus wies im Beitrag zum Kandidatenturnier auf die Partie zwischen Kirill Alekseenko und Maxime Vachier-Lagrave hin. Das Spiel erwies sich als Kampfpartie mit einigen schönes Opfern und einiger Fallenstellerei. Die Partie kam bis zum 16. Zug Anfang Dezember zwischen Magnus Carlsen und MVL in ähnlicher Folge aufs Brett. Damals geriet MVL in Nachteil. Er fand jedoch eine Verbesserung. Alekseenko hatte sich ebenfalls vorbereitet, musste jedoch einige Züge am Brett finden, die MVL offenbar im Gedächtnis gespeichert hatte. Die Partie endete Remis und über die schachliche Leistung, größtenteils vorab analysierte Züge runterzuspulen darf man sicherlich streiten. Dennoch hat das Spiel durch scharfe Opfer, Gegenopfer und Verwicklungen seine Momente.

Kirill Alekseenko Maxime Vachier-Lagrave World Championship Candidates | Yekaterinburg RUS | 5 | 2020.03.22 | B80 | 1/2-1/2
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. e4 c5 2. Sf3 d6 3. d4 xd4 4. Sxd4 Sizilianisch, Rauser Anti-Drachen-Variante Sf6 5. Sc3 a6 6. f3 e6 7. Le3 übergeleitet ins Scheveninger System, Englischer Angriff. b5 8. Dd2 Sbd7 9. a3 gegen b5-b4. h5 zur Prävention gegen g4 nebst g5, da der Sf6 gegenwärtig kein brauchbares Rückzugsfeld findet, ohne dass er vollständig aus dem Spiel genommen werden würde. 10. O-O-O Auch Le2 und kurze Rochade sind gängig. Lb7 11. Kb1 Nimmt den König von der halboffenen Linie. Le7 12. Tg1 Alekseenko beabsichtigt, die Linie zu öffnen und den Königsflügel zu bearbeiten. Tc8 Die Linie zu besetzen, kann nicht falsch sein. 13. Le2 Sb6 Die beiden Spieler kennen die Stellung - selbige wurde im Rapid zwischen Magnus Carlsen und MVL am 04.12.19 beim London Chess Classic erreicht. Dort allerdings im 14. Zug, da MVL vor h5 noch h6 eingeschoben hatte und Carlsen vor Le3 den Läufer noch nach g5 zog. Auch die nächsten Züge folgen der Partie. 14. De1 Sfd7 15. g4 xg4 16. Txg4 Ab hier kommt der interessante Teil - MVL weicht ab. Seinerzeit spielte er Lf8. g6
Lf8 Der Zug führte gegen Carlsen in entscheidenden Nachteil. Klar, dass er in der Analyse eine Verbesserung gefunden hat. 17. Tg2 Se5 war die damalige Fortsetzung. MVL hatte das Spiel übrigens am Ende gewonnen.
17. Txg6
17. Sxe6 auch dieses Opfer wäre möglich und hielte die Stellung dennoch ausgeglichen. xe6 18. Txg6
Txc3 Da haben wohl beide auswendig gelernt. MVL schlägt sofort zurück, statt den Turm zu nehmen. Alekseenko allerdings nimmt sich jetzt eine 50-minütige Denkpause, bevor es weiter geht. Möglicherweise wurde ihm klar, dass mehr als ein Remis nicht zu holen ist, wenn MVL die Partie ebenso gründlich vorbereitet hat.
xg6? wäre falsch. Es folgt eine Abtauschschlacht an derem Ende Schwarz aufgrund schlechterer Bauernstellung unterliegen wird. 18. Sxe6 Lh4 19. Sxd8 Lxe1 20. Sxb7 Lxc3 21. Sxd6+ Ke7 22. Sxc8+ Txc8 23. xc3 Sa4 24. Ld2
18. Sxe6
18. Dxc3 Sa4 19. Dd2 xg6 20. Sxe6 Dc8 ebenso ausgeglichen wie die Spielzüge.
Dc8
xe6? geht nicht. 19. Dxc3 Se5 20. Txe6 Dc8 21. Txd6
Lh4 keine Gegendrohung, da die Lage für Schwarz übel wird. 19. Dxc3 Lf6 20. Sxd8 Lxc3 21. Txd6 Le5 22. Sxb7 Lxd6 23. Sxd6+ Ke7
19. Sg7+
19. Ld4 auch kein Vorteil. xg6 20. Lxc3 Se5
Kf8 20. Th6 Txh6
Tg8 ist keine Option. 21. xc3 Kxg7 22. Dg1+ Kf8 23. Dxg8+ Kxg8 24. Tg1+
Kg8 führt in ein Mattnetz. 21. Sf5 Txh6 22. Lxh6
21. Lxh6 Txc2 22. Sf5+ Ke8 23. Sxe7 Kxe7 24. Dh4+ f6
Sf6 geht nicht anders aus. 25. Txd6 Sd7
Kxd6? so natürlich schon. 26. Dxf6+
26. Txd7+ Kxd7 27. Dxf6 Txe2
Ke8 25. Tg1 mit Gewinnstellung für Weiß.
25. Lf4 zielt auf d6 und macht der Dame den Weg frei. Txb2+
Sa4 gibt Weiß die Gelegenheit zum Matt. 26. Lxd6+ Ke8 27. Dh8+ Sf8 28. Dxf8+ Kd7 29. Lb4+ Td2 30. Txd2+ Ld5 31. Dd6+ Ke8 32. De7#
26. Kxb2 Sa4+ 27. Kb1 erzwungen. Ka1 oder Kb2 erlauben das Eindringen der Dame mit Schachgebot und Matt auf b2. Sc3+
Dc3 mit der Idee Db2# führt in ein Matt in 5 Zügen zugunsten von Weiß: Lxd6+ usw., siehe oben.
28. Ka1 Sxd1 29. Dh7+
29. Lxd1 gäbe zumindest vorläufig die Initiative an Schwarz, ohne diesem jedoch einen echten Vorteil zu bringen. Dc5 30. Ka2
Kd8 Remis durch Stellungswiederholung, hier ist nichts mehr drin. 30. Dg8+ Ke7 31. Dh7+ Kd8 32. Dg8+ Ke7 33. Dh7+
PGN anzeigen
[Event "World Championship Candidates"]
[Site "Yekaterinburg RUS"]
[Date "2020.03.22"]
[Round "5"]
[White "Kirill Alekseenko"]
[Black "Maxime Vachier-Lagrave"]
[Result "1/2-1/2"]
[BlackElo "2767"]
[ECO "B80"]
[Opening "Sizilianisch"]
[Variation "Scheveninger System, Englisch, 7...b5 8.Qd2 Nbd7"]
[WhiteElo "2698"]
[Termination "normal"]
[PlyCount "65"]
[WhiteType "human"]
[BlackType "human"]
[Comment " chessgames.com/perl/chessgame?gid=1993344"]

1. e4 c5 2. Nf3 d6 3. d4 cxd4 4. Nxd4 {Sizilianisch, Rauser
Anti-Drachen-Variante} Nf6 5. Nc3 a6 6. f3 e6 7. Be3 {übergeleitet ins
Scheveninger System, Englischer Angriff.} b5 8. Qd2 Nbd7 9. a3 {gegen
b5-b4.} h5 {zur Prävention gegen g4 nebst g5, da der Sf6 gegenwärtig kein
brauchbares Rückzugsfeld findet, ohne dass er vollständig aus dem Spiel
genommen werden würde.} 10. O-O-O {Auch Le2 und kurze Rochade sind gängig.}
Bb7 11. Kb1 {Nimmt den König von der halboffenen Linie.} Be7 12. Rg1
{Alekseenko beabsichtigt, die Linie zu öffnen und den Königsflügel zu
bearbeiten.} Rc8 {Die Linie zu besetzen, kann nicht falsch sein.} 13. Be2
Nb6 {Die beiden Spieler kennen die Stellung - selbige wurde im Rapid
zwischen Magnus Carlsen und MVL am 04.12.19 beim London Chess Classic
erreicht. Dort allerdings im 14. Zug, da MVL vor h5 noch h6 eingeschoben
hatte und Carlsen vor Le3 den Läufer noch nach g5 zog. Auch die nächsten
Züge folgen der Partie.} 14. Qe1 Nfd7 15. g4 hxg4 16. Rxg4 {Ab hier kommt
der interessante Teil - MVL weicht ab. Seinerzeit spielte er Lf8.} g6 (16.
.. Bf8 {Der Zug führte gegen Carlsen in entscheidenden Nachteil. Klar, dass
er in der Analyse eine Verbesserung gefunden hat.} 17. Rg2 Ne5 {war die
damalige Fortsetzung. MVL hatte das Spiel übrigens am Ende gewonnen.}) 17.
Rxg6 (17. Nxe6 {auch dieses Opfer wäre möglich und hielte die Stellung
dennoch ausgeglichen.} fxe6 18. Rxg6) 17. .. Rxc3 {Da haben wohl beide
auswendig gelernt. MVL schlägt sofort zurück, statt den Turm zu nehmen.
Alekseenko allerdings nimmt sich jetzt eine 50-minütige Denkpause, bevor es
weiter geht. Möglicherweise wurde ihm klar, dass mehr als ein Remis nicht
zu holen ist, wenn MVL die Partie ebenso gründlich vorbereitet hat.} (17. ..
fxg6? {wäre falsch. Es folgt eine Abtauschschlacht an derem Ende Schwarz
aufgrund schlechterer Bauernstellung unterliegen wird.} 18. Nxe6 Bh4 19.
Nxd8 Bxe1 20. Nxb7 Bxc3 21. Nxd6+ Ke7 22. Nxc8+ Rxc8 23. bxc3 Na4 24. Bd2)
18. Nxe6 (18. Qxc3 Na4 19. Qd2 fxg6 20. Nxe6 Qc8 {ebenso ausgeglichen wie
die Spielzüge.}) 18. .. Qc8 (18. .. fxe6? {geht nicht.} 19. Qxc3 Ne5
20. Rxe6 Qc8 21. Rdxd6) (18. .. Bh4 {keine Gegendrohung, da die Lage für
Schwarz übel wird.} 19. Qxc3 Bf6 20. Nxd8 Bxc3 21. Rgxd6 Be5 22. Nxb7 Bxd6
23. Nxd6+ Ke7) 19. Ng7+ (19. Bd4 {auch kein Vorteil.} fxg6 20. Bxc3 Ne5)
19. .. Kf8 20. Rh6 Rxh6 (20. .. Rg8 {ist keine Option.} 21. bxc3 Kxg7 22.
Qg1+ Kf8 23. Qxg8+ Kxg8 24. Rg1+) (20. .. Kg8 {führt in ein Mattnetz.} 21.
Nf5 Rxh6 22. Bxh6) 21. Bxh6 Rxc2 22. Nf5+ Ke8 23. Nxe7 Kxe7 24. Qh4+ f6
(24. .. Nf6 {geht nicht anders aus.} 25. Rxd6 Nd7 (25. .. Kxd6? {so
natürlich schon.} 26. Qxf6+) 26. Rxd7+ Kxd7 27. Qxf6 Rxe2) (24. .. Ke8 25.
Rg1 {mit Gewinnstellung für Weiß.}) 25. Bf4 {zielt auf d6 und macht der
Dame den Weg frei.} Rxb2+ (25. .. Na4 {gibt Weiß die Gelegenheit zum Matt.}
26. Bxd6+ Ke8 27. Qh8+ Nf8 28. Qxf8+ Kd7 29. Bb4+ Rd2 30. Rxd2+ Bd5 31.
Qd6+ Ke8 32. Qe7#) 26. Kxb2 Na4+ 27. Kb1 {erzwungen. Ka1 oder Kb2 erlauben
das Eindringen der Dame mit Schachgebot und Matt auf b2.} Nc3+ (27. .. Qc3
{mit der Idee Db2# führt in ein Matt in 5 Zügen zugunsten von Weiß: Lxd6+
usw., siehe oben.}) 28. Ka1 Nxd1 29. Qh7+ (29. Bxd1 {gäbe zumindest
vorläufig die Initiative an Schwarz, ohne diesem jedoch einen echten
Vorteil zu bringen.} Qc5 30. Ka2) 29. .. Kd8 {Remis durch
Stellungswiederholung, hier ist nichts mehr drin.} 30. Qg8+ Ke7 31. Qh7+
Kd8 32. Qg8+ Ke7 33. Qh7+ 1/2-1/2
Vabanque - 27. Mär '20
Was für eine wilde Partie! Mir schwirrt vom Nachspielen der Kopf ...

Es geht ja schon los mit 9... h5. So etwas würde ein 'klassischer' Spieler niemals auch nur erwogen haben ... denn welche Rochademöglichkeiten hat Schwarz danach noch? Sein König muss wohl in der Mitte bleiben ... und er tut es auch!

Aber erst nach 16... g6 fängt es so richtig an ... nanu, der Zug ist doch ein offensichtlicher Fehler, denn nach dem Turm-Scheinopfer auf g6 kann Schwarz ja nicht zurücknehmen, weil Weiß mit Sxe6 die schwarze Dame fängt (stimmt zwar nicht ganz, aber das ist der erste Seheindruck) ... ja, aber Schwarz hat ein Gegenopfer auf c3, und danach wird ja alles dermaßen unübersichtlich ... Nachspielen macht Spaß, das Selber-Spielen solcher Stellungen würde mir den Schweiß auf die Stirn treiben :-)

Die Frage ist dann irgendwann: wer setzt zuerst Matt? Antwort: keiner, beide können den Drohungen entgehen, und so bleibt am Ende nur die Wahl zwischen einem materiell gleich stehenden Endspiel oder Dauerschach.

Ein kleiner Schreibfehler hat sich wohl im Kommentar zum 27. Zug von Weiß eingeschlichen: da der weiße König bereits auf b2 steht, ist natürlich Kb2 nicht möglich, es muss also entweder heißen: 'Ka1 und Kb3 erlauben das Eindringen ...'. oder 'Ka1 und Ka2 erlauben ...', was beides richtig ist.

Auf 30... Kc7 statt Ke7 käme wohl De6, aber könnte Weiß nach dem gespielten 30... Ke7 nicht noch die Damen tauschen, auf d1 schlagen und im Endspiel auf sein Läuferpaar und den freien h-Bauern pochen? Zumindest bei oberflächlicher Betrachtungsweise müsste dieses Endspiel für Weiß doch vorteilhaft sein.
Oli1970 - 28. Mär '20
Wirklich eine ganz schön verwickelte Partie, auf die SF Famulus da aufmerksam gemacht hat. Man kann nur staunen, aber nicht den Überblick behalten. Das dürfte den beiden Spielern auch nur dank gründlicher Vorbereitung gelungen sein. Stellenweise hätte jede kleine Ungenauigkeit die Partie entschieden.

Den Fehler beim 27. Zug muss ich einräumen, irgendwas ist ja immer. :-) Ka1, Ka2 und Kb3 sind die Züge die in ein Matt in 2 führen.

Nach dem 30. Zug von Schwarz kann es Weiß in beiden Fällen die Damen tauschen und den von Dir beschriebenen Plan verfolgen. Bei Kc7 vielleicht mit einem ganz leichten Vorteil für Weiß - bei Ke7 vielleicht, vielleicht auch nicht, da der h-Bauer dann natürlich leichter blockiert und / oder eliminiert werden könnte. Auf den ersten Blick wirkt die Situation wie von Dir beschrieben zu Gunsten von Weiß, der elektronische Denkersatz findet zunächst keinen Weg, einen Vorteil gewinnbringend herauszuspielen.

MVL hatte das Spiel viel schneller runtergespielt als Alekseenko. Ich würde unterstellen, dass Letzterer einfach keinen forcierten Gewinnweg sah und statt selbst noch in eine Falle zu laufen mit einem Remis zufrieden sein musste. Mehr als die Initiative hatte Weiß nicht.