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Kramnik - Aronian, FIDE Kandidatenturnier 2018
Oli1970 - 27. Jan '20
Die gezeigte Partie zwischen Vladimir Kramnik und Levon Aronian wurde 2018 im FIDE Kandidatenturnier gespielt. Als späterer Gewinner des Turniers stand schließlich Caruana fest, der dadurch zum Herausforderer Carlsens um den Weltmeistertitel wurde. Zum Zeitpunkt des Turniers standen Kramnik auf Platz 3 und Aronian auf Platz 5 der Weltrangliste.
Bis fast zum Schluss spielen die Großmeister gleich auf. Die Partie ist in meinen Augen trotz der gewählten Eröffnung ziemlich spannend, da Kramnik in der Eröffnung eine seltener gespielte Fortsetzung wählt und sich ein relativ scharfes Spiel entwickelt.
Die Partie
- zeigt einen starken weißen Doppelbauern,
- führt einen Angriff auf Königsflügel vor, ohne dass ein Spieler unter die Räder kommt
- enthält ein Qualitätsopfer
- lässt einen auf die 2. Reihe vorgerückten Bauern sehen
- hat ein schönes Mattbild zu bieten
- und eröffnet einige Varianten, die zunächst schön aussehen, aber vergiftet sind.
Der Wermutstropfen ist Aronians Fehlzug, der die sofortige Aufgabe nach sich zieht. Dadurch entsteht natürlich der versprochene Mattweg in dieser ansonsten hochwertigen Partie.































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Bis fast zum Schluss spielen die Großmeister gleich auf. Die Partie ist in meinen Augen trotz der gewählten Eröffnung ziemlich spannend, da Kramnik in der Eröffnung eine seltener gespielte Fortsetzung wählt und sich ein relativ scharfes Spiel entwickelt.
Die Partie
- zeigt einen starken weißen Doppelbauern,
- führt einen Angriff auf Königsflügel vor, ohne dass ein Spieler unter die Räder kommt
- enthält ein Qualitätsopfer
- lässt einen auf die 2. Reihe vorgerückten Bauern sehen
- hat ein schönes Mattbild zu bieten
- und eröffnet einige Varianten, die zunächst schön aussehen, aber vergiftet sind.
Der Wermutstropfen ist Aronians Fehlzug, der die sofortige Aufgabe nach sich zieht. Dadurch entsteht natürlich der versprochene Mattweg in dieser ansonsten hochwertigen Partie.
Kramnik, Vladimir Aronian, Levon FIDE Candidates 2018 | Berlin GER | 10.1 | 2018.03.22 | C50 | 1:0
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lc4 Lc5 4. Sc3 Sf6 5. d3 Italienisches Vierspringerspiel, Giuco pianissimo. Wörtlich übersetzt ein "sehr ruhiges Spiel", allerdings deshalb nicht zwingend langweilig. a6 schafft ein Rückzugsfeld für den Lc5 auf der Diagonalen, falls Weiß Sa4 probiert. 6. Sd5 Ein eher seltener Zug. Lg5 wird deutlich häufiger gespielt. Folgerichtig wird nun getauscht. Sxd5 7. Lxd5 d6 8. Le3 Fordert den entstehenden Doppelbauern geradezu hinaus. Lxe3 9. xe3 Der Doppelbauer ist noch nicht als Nachteil zu betrachten. Weiß hat dafür die halboffene f-Linie und gerade durch den Doppelbauern mehr Zentrumskontrolle. O-O 10. O-O Sb8 11. b4 Nicht schlecht! Kramnik schafft Platz für seinen Läufer, falls c6 kommen sollte, ohne seinen Bauern zu blockieren. Der Bauer könnte eine Rolle zur Verteidigung des Damenflügels übernehmen müssen. Sd7 Der Grund für das zuvor gespielte Sb8 - Aronian möchte den weggetauschten Springer auf f6 ersetzen. 12. Dd2 Ein gutes Feld für die Dame. Kramnik erwartet einen Vorstoß auf dem Damenflügel. Mit seinem Zug unterstützt er b4 und gibt der Dame Ausgang über c3 oder auch f2. c6 13. Lb3 a5 14. a3 Wie erwartet hat Aronian den Läufer befragt und Kramnik dessen Vorstoß auf a5 eine Verteidigung entgegen gesetzt. Sf6 15. h3 Sichert g4 vor einem Läufer- oder Springerausflug. h6 16. Tab1 b5 Aronian nimmt mehr Raum auf dem Damenflügel ein. 17. Dc3 Ld7 18. Tf2 Db6 mit Ziel auf Be3. 19. Te1 Tfe8 20. Sh4 Auf den ersten Blick möchte man denken, das Ziel sei das durch e4 gedeckte Feld f5. Jedoch ist der schwarze Läufer ohnehin eher nutzlos. Ein Abtausch gäbe die Zentrumskontrolle auf und schwarzen Vorteil. Der Springer lauert vielmehr auf g6, da der Bf7 durch Lb3 gebunden ist. c5 21. Tef1 Kramnik positioniert sich für den anstehenden Angriff auf den Königsflügel. xb4 22. De1 d5 23. xb4 xe4 24. xa5 Txa5 25. Sg6 Lb3 bindet noch immer Bf7, daher unterbricht Aronian die Fesselung, um den Springer verwundbar zu machen. Le6 26. Sxe5 xd3 27. Txf6 gibt die Qualität, erlangt aber volle Kompensation durch Druck auf e6, f7 und h6 sowie möglichem Dg3, was im nächsten Zug deutlich wird. xf6 28. Txf6 d2 29. Dg3+! Kramnik lässt den vorgerückten Bauern stehen, er weiß, hier geht was. Kf8 erzwungen. 30. Tf1 Kramnik darf den vorgerückten Bauern nicht aus den Augen verlieren. Ta7 Allerdings muss sich Aronian vor Opfern auf f7 und der Springergabel schützen. 31. Sg6+ Kg7 32. Sf4+ Kh8 33. Sh5 Sehr elegant droht Kramnik über die drei Springerzüge mit Schachgeboten nun Dg7#. f6 34. Sxf6 Tf8 35. Df4 Th7 36. De5 Das Spiel ist an dieser Stelle noch voll ausgeglichen! Leider greift Aronian nun fehl. Dc7? Der Damentausch verbietet sich für Kramnik. Allerdings verliert Aronian mit seinem Zug die Partie. 37. Se8+ und Aufgabe.
Laudatio - 27. Jan '20
Hallo Oli,
wie immer eine toll analysierte Partie. Neben Deinen Analysen hat mit besonders der Zug b4 von Kramnik imponiert. Auf so einen Zug wäre ich im Leben nie in einer Partie gekommen und als Schwarzspieler hätte ich in einer regulären Partie auch bXa3 gespielt und wäre dadurch in arge Bedrängnis geraten. Des weiteren wäre ich als Weißspieler nach d2 von Schwarz wahrscheinlich auf die Idee verfallen a tempo den Bauern mit der Dame zu nehmen, also alles Züge, die nach Deiner Analyse sich als minderwertig herausstellen würden
Bitte gestatte mir noch eine Zwischenfrage:
Du hattest im 33. Zug von Schwarz folgende Variante (Tg8? 34. De5+ f6 35. Lxe6 gibt Weiß eine Gewinnstellung. ) angegeben. Vielleicht bin ich ja Schachblind, aber müsste es nicht Dxf6+ im 35. Zug von Weiß lauten?
wie immer eine toll analysierte Partie. Neben Deinen Analysen hat mit besonders der Zug b4 von Kramnik imponiert. Auf so einen Zug wäre ich im Leben nie in einer Partie gekommen und als Schwarzspieler hätte ich in einer regulären Partie auch bXa3 gespielt und wäre dadurch in arge Bedrängnis geraten. Des weiteren wäre ich als Weißspieler nach d2 von Schwarz wahrscheinlich auf die Idee verfallen a tempo den Bauern mit der Dame zu nehmen, also alles Züge, die nach Deiner Analyse sich als minderwertig herausstellen würden
Bitte gestatte mir noch eine Zwischenfrage:
Du hattest im 33. Zug von Schwarz folgende Variante (Tg8? 34. De5+ f6 35. Lxe6 gibt Weiß eine Gewinnstellung. ) angegeben. Vielleicht bin ich ja Schachblind, aber müsste es nicht Dxf6+ im 35. Zug von Weiß lauten?
Laudatio - 27. Jan '20
Hallo Oli,
wie immer eine toll analysierte Partie. Neben Deinen Analysen hat mit besonders der Zug b4 von Kramnik imponiert. Auf so einen Zug wäre ich im Leben nie in einer Partie gekommen und als Schwarzspieler hätte ich in einer regulären Partie auch bXa3 gespielt und wäre dadurch in arge Bedrängnis geraten. Des weiteren wäre ich als Weißspieler nach d2 von Schwarz wahrscheinlich auf die Idee verfallen a tempo den Bauern mit der Dame zu nehmen, also alles Züge, die nach Deiner Analyse sich als minderwertig herausstellen würden
Bitte gestatte mir noch eine Zwischenfrage:
Du hattest im 33. Zug von Schwarz folgende Variante (Tg8? 34. De5+ f6 35. Lxe6 gibt Weiß eine Gewinnstellung. ) angegeben. Vielleicht bin ich ja Schachblind, aber müsste es nicht Dxf6+ im 35. Zug von Weiß lauten?
Das Matt zum Schluss ist natürlich durch den Fehler hübsch anzuschauen.
Besten Dank nochmals und es war wie immer sehr lehrreich für mich.
Gruß
wie immer eine toll analysierte Partie. Neben Deinen Analysen hat mit besonders der Zug b4 von Kramnik imponiert. Auf so einen Zug wäre ich im Leben nie in einer Partie gekommen und als Schwarzspieler hätte ich in einer regulären Partie auch bXa3 gespielt und wäre dadurch in arge Bedrängnis geraten. Des weiteren wäre ich als Weißspieler nach d2 von Schwarz wahrscheinlich auf die Idee verfallen a tempo den Bauern mit der Dame zu nehmen, also alles Züge, die nach Deiner Analyse sich als minderwertig herausstellen würden
Bitte gestatte mir noch eine Zwischenfrage:
Du hattest im 33. Zug von Schwarz folgende Variante (Tg8? 34. De5+ f6 35. Lxe6 gibt Weiß eine Gewinnstellung. ) angegeben. Vielleicht bin ich ja Schachblind, aber müsste es nicht Dxf6+ im 35. Zug von Weiß lauten?
Das Matt zum Schluss ist natürlich durch den Fehler hübsch anzuschauen.
Besten Dank nochmals und es war wie immer sehr lehrreich für mich.
Gruß
Oli1970 - 27. Jan '20
Hallo Laudatio, vielen Dank für Deine Anmerkungen zur Partie - ich freue mich sehr darüber!
Mit der Variante hast Du natürlich vollkommen recht, natürlich hätte es Dxf6+ heißen müssen. Da ist mir (mal wieder) ein Fauxpas passiert; ich kann nicht mal erklären, wie. Der angegebene Zug ergibt einfach keinen Sinn und es gibt auch keine Variante, zu der er passen könnte. Sorry! :-(
Der schwarze Bd2 ist verblüffend; ich bin in der Kommentierung nicht näher darauf eingegangen, da es relativ schwierig darzustellen ist, ohne die Partie mit Varianten zu überfrachten. Aber wenn man sich die Züge vorher anschaut, zeigt sich, dass Aronian da sehr gut kalkuliert und Kramnik ebenso gut dagegen gerechnet hat - Kramnik hätte den Bauern nicht stoppen können, ohne sich selbst schlechter zu stellen. Wir dürfen aber unterstellen, dass er wusste, was er tat, da er sonst wohl die Partie aufgegeben hätte.
Bb4 fand ich ebenfalls genial und gestehe gerne, dass mir der tiefere Sinn verborgen blieb, und ich die Erklärung erst nach Recherche fand. Da hilft vermutlich einfach nur Erfahrung und die Kenntnis der Stellung und der Variantenbäume, um so einen Zug zu spielen.
Beim 22. Zug von Schwarz habe ich ähnlich gedacht - weghauen! Wobei die Logik einfach ist - warum hat Weiß seine Türme verdoppelt und die Dame dahin postiert? Nur schade, dass ich mir diese Fragen im wirklichen Leben so gut wie nie stelle.
Wie schon in der Partie Aronian - Anand steckt hier so manche Tücke in den vermiedenen Abspielen. Allein durch Nachspielen der Notation hat Otto Normalspieler kaum die Möglichkeit, diese Finessen zu entdecken. Das Eintauchen ist dann plötzlich Arbeit, die Spaß macht.
Mit der Variante hast Du natürlich vollkommen recht, natürlich hätte es Dxf6+ heißen müssen. Da ist mir (mal wieder) ein Fauxpas passiert; ich kann nicht mal erklären, wie. Der angegebene Zug ergibt einfach keinen Sinn und es gibt auch keine Variante, zu der er passen könnte. Sorry! :-(
Der schwarze Bd2 ist verblüffend; ich bin in der Kommentierung nicht näher darauf eingegangen, da es relativ schwierig darzustellen ist, ohne die Partie mit Varianten zu überfrachten. Aber wenn man sich die Züge vorher anschaut, zeigt sich, dass Aronian da sehr gut kalkuliert und Kramnik ebenso gut dagegen gerechnet hat - Kramnik hätte den Bauern nicht stoppen können, ohne sich selbst schlechter zu stellen. Wir dürfen aber unterstellen, dass er wusste, was er tat, da er sonst wohl die Partie aufgegeben hätte.
Bb4 fand ich ebenfalls genial und gestehe gerne, dass mir der tiefere Sinn verborgen blieb, und ich die Erklärung erst nach Recherche fand. Da hilft vermutlich einfach nur Erfahrung und die Kenntnis der Stellung und der Variantenbäume, um so einen Zug zu spielen.
Beim 22. Zug von Schwarz habe ich ähnlich gedacht - weghauen! Wobei die Logik einfach ist - warum hat Weiß seine Türme verdoppelt und die Dame dahin postiert? Nur schade, dass ich mir diese Fragen im wirklichen Leben so gut wie nie stelle.
Wie schon in der Partie Aronian - Anand steckt hier so manche Tücke in den vermiedenen Abspielen. Allein durch Nachspielen der Notation hat Otto Normalspieler kaum die Möglichkeit, diese Finessen zu entdecken. Das Eintauchen ist dann plötzlich Arbeit, die Spaß macht.
Kellerdrache - 28. Jan '20
Eine Partie, die ich schon vorher ganz gut kannte, da ich das damalige Kandidatenturnier interessiert verfolgt habe. Durch deine Kommentare habe ich sie dann doch viel besser verstanden als bisher, z.B. warum 26...Lxb3 nicht gut ist, obwohl man den fiesen Läufer als Schwarzer bestimmt gerne los wäre.
36...Dc7 ist, wohlgemerkt für Großmeisterniveau beinahe schon ein Patzer. Bis zu diesem Zeitpunkt hat er sich ja sehr umsichtig und einfallsreich verteidigt. Vermutlich hat ihn die Partie bis dahin soviel Kraft gekostet, dass die Konzentration eben nicht mehr zu 100% da war. Als Zuschauer sind wir trotzdem glücklich über das Schöne Ende.
36...Dc7 ist, wohlgemerkt für Großmeisterniveau beinahe schon ein Patzer. Bis zu diesem Zeitpunkt hat er sich ja sehr umsichtig und einfallsreich verteidigt. Vermutlich hat ihn die Partie bis dahin soviel Kraft gekostet, dass die Konzentration eben nicht mehr zu 100% da war. Als Zuschauer sind wir trotzdem glücklich über das Schöne Ende.
Kellerdrache - 28. Jan '20
Auf den ersten Blick sieht es ja so aus als könne Kramnik spätestens nach 34...Sxf6 auf beliebige Art gewinnen. Macht man sich die Mühe mal selber die ein oder anderen Alternativzüge zu analysieren merkt man erst wie stark der verdammte Bauer auf d2 ist und wie die Partie auch für Kramnik eine Wanderung auf Messers Schneide ist.
Selbst mit fast der kompletten weißen Armee vor der Haustür und weit offener Königsstellung ist die Partie immer noch objektiv remis. Man kann Aronian so gesehen kaum einen Vorwurf machen, dass er hier am Ende doch den Überblick verlor
Selbst mit fast der kompletten weißen Armee vor der Haustür und weit offener Königsstellung ist die Partie immer noch objektiv remis. Man kann Aronian so gesehen kaum einen Vorwurf machen, dass er hier am Ende doch den Überblick verlor
Oli1970 - 28. Jan '20
Hallo Kellerdrache, auch Dir Dank für Deinen Beitrag! Du hast einige gute Stellen in der Partie genannt, wo unsereiner - wie Laudatio auch bemerkte - vermutlich zu ganz anderen Schlüssen gelangt wäre.
Ich finde mehr und mehr gefallen an solchen Spielen, wo eben nicht das Offensichtliche geschieht und man gezwungen ist, in die Handlung einzutauchen. Da wird auch deutlich, welche Leistung die Top-Spieler vollbringen, indem sie es schaffen, solche Stellungen aufs Brett zu bringen bzw. als Verteidigender die schädlichen Abspiele zu vermeiden.
Du hast sehr schön beschrieben, wie knapp das Spiel ausgegangen ist - Kramniks Gewinn war alles andere als sicher eingefahren. Insofern natürlich schade mit Blick auf Aronians Leistung, aber genauso schön für uns, was das Schlussbild angeht.
Ich finde mehr und mehr gefallen an solchen Spielen, wo eben nicht das Offensichtliche geschieht und man gezwungen ist, in die Handlung einzutauchen. Da wird auch deutlich, welche Leistung die Top-Spieler vollbringen, indem sie es schaffen, solche Stellungen aufs Brett zu bringen bzw. als Verteidigender die schädlichen Abspiele zu vermeiden.
Du hast sehr schön beschrieben, wie knapp das Spiel ausgegangen ist - Kramniks Gewinn war alles andere als sicher eingefahren. Insofern natürlich schade mit Blick auf Aronians Leistung, aber genauso schön für uns, was das Schlussbild angeht.