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Baadur Jobava kommentiert

borea - 16. Feb '11
Für die Zeitschrift „SCHACH“ kommentierte Baadur Jobava aus Georgien seine Partie gegen den Ukrainer Wassili Iwantschuk aus der 7. Runde der letztjährigen Schacholympiade in Chanty Mansijsk.

Nach 6 Runden führten die Ukraine, Armenien und Georgien gemeinsam mit 11-1 Mannschaftspunkten die Tabelle an. Baadur Jobava startete mit 4,5 aus 6 Partien. Dabei bezwang er u.a. in Runde 4 den Weltranglistenersten Magnus Carlsen aus Norwegen. Noch besser lief es bei Wassili Iwantschuk. Er begann verlustpunktfrei mit 6 aus 6.

Für Spannung war also gesorgt:

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[Event "39. Schacholympiade 2010"]
[Site "Chanty Mansijsk, RUS"]
[Date "2010.09.28"]
[Round "7"]
[White "Wassili Iwantschuk, UKR, 2754"]
[Black "Baadur Jobava, GEO, 2710"]
[Opening "Caro-Kann"]
[ECO "B12"]
[Result "1-0"]

1. e4 c6 {Vor dieser Runde führten wir gemeinsam mit der Ukraine mit 11-1 Punkten die Tabelle an. Um es vorweg zu nehmen: Die anderen drei Partien des Kampfes endeten friedlich, das Schicksal des Matches entschied sich in dieser Begegnung am Spitzenbrett!} 2.d4 d5 3. f3 Qb6 4. a3 {Dieser Zug kam völlig überraschend für mich, aber wie der weitere Partieverlauf und meine häusliche Analyse zeigen, ist er keineswegs besser als die Alternativen: a: 4. Sc3 dxe4 5. Sxe4 Lf5 6. c3 Sd7 7. Ld3 e5 Timofejew-Jobava (Silivri/EM 2010, ... 0-1). b: 4. a4!? b1: 4. ... e5 5. dxe5 dxe4 6. a5 Dc7 7. f4 Sh6 Njepomnjaschtschi-Jobava (Silivri/EM2010, ... 1-0; SCHACH 5/2010, S. 29); b2: 4. ... e6 5. c3 c5 6. exd5 exd5 7. Lb5+ Ld7 Njepomnjaschtschi-Iwantschuk(!) (Havanna 2010, ... 0-1)}e5! {Die natürlichste und prinzipiellste Reaktion auf den gegnerischen Tempoverlust.} 5. exd5 {5. dxe5? Lc5 6. Sh3 Lxh3 7. gxh3 Sd7, und Weiß steht einfach schlecht.} Nf6!? {a: 5. ... Dxd4 6. Dxd4 exd4 7. Se2 c5 8. c3 Sf6 9. cxd4 Sxd5 10. Sbc3 Sxc3 11. Sxc3 Sc6=; b: 5. ... cxd5!, und ich konnte keinen Ausgleich für Weiß finden.}6. dxe5 Bc5{6... Sxd5 7. Sd2 (7. ... Se3? 8. Sc4) oder 7. b4 sieht okay für Weiß aus.} 7. exf6 Bxf2+ 8. Ke2 0-0 9. Qd2□ {Es fällt nicht schwer, sich davon zu überzeugen, dass dies tatsächlich der einzig spielbare Zug ist: 9. Sc3? Te8+ 10. Se4 Lxg1 11. Txg1 Txe4+! 12. fxe4 Lg4+ -+. Es war offensichtlich, dass meinem Gegner seine Stellung nicht behagte, und prompt folgte hier auch ein Remisangebot, welches ich jedoch ohne nachzudenken ausschlug. Ich war aggressiv gestimmt, zudem fühlte ich, dass Schwarz über gewaltiges Spiel verfügt.} Re8+! {9. ... Lxg1? 10. Kd1 Ld4 11. fxg7 Lxg7 12. Sc3 Sd7 verspricht nach 13. De3! keine ausreichende Kompensation.} 10. Kd1 Re1+ 11. Qxe1 Bxe1 12. Kxe1 Bf5 13. Be2 Nd7? {Leider schon der entscheidende Fehler, mit dem Schwarz all seine Chancen vergibt. Richtig war 13. ... Lxc2! 14. Sc3 Sd7 15. dxc6 bxc6, und nun: a: 16. Kf1 Sc5 a1: 17. b4?! Sd3 18. Se4 (18. Lxd3 Lxd3+ 19. Sge2 Dd4 20. Ld2 Te8 21. Te1 Lc4 22. Se4 Txe4 23. fxe4 Dxd2 und Schwarz steht besser) Te8 19. Sh3 Txe4 20. fxe4 Dd4 21. Ta2 Dxf6+ 22. Sf4 (22. Kg1 Sxc1 23. Txc2 Sxe2+ 24. Txe2 Da1+ -+) Sxc1 23. Txc2 Dxf4+ und Schwarz steht besser; a2: 17. Ta2 Sd3 (17. ... Lb3 18. Ta1 Lc2=) 18. Lxd3 Lxd3+ 19. Sge2 Lc4 20. Ta1 Te8 und Schwarz steht besser; b: 16. b4 Dd4 17. Lb2 Se5 18. Sd1 Sd3+ 19. Lxd3 Dxd3 20. Se2 Te8 21. Sdc3 Lb3 22. Kf2 De3+ 23. Kg3 (23. Kf1?! Lc4 24. Te1 g5 25. h3 h5 mit Initiative) Dg5+ 24. Kf2 De3+ =; c: 16. Sh3 sieht am logischsten aus, um neue Reserven in den Kampf zu führen: 16. ... Te8 17. Sf2 Sc5 18. b4 Sb3 19. Ta2 Dd4! 20. Txc2 Sa1 21. Sfe4 Sxc2+ 22. Kf1 Se3+ 23. Lxe3 Dxe3 24. g4 Dc1+ 25. Kg2 Dxa3 26. Tb1 Tb8 27. b5 cxb5 28. Sxb5 De3 29. Lc4 gxf6 mit wahrscheinlichem Remisschluss. All diese Varianten demonstrieren anschaulich die schwarzen Möglichkeiten und die praktischen Schwierigkeiten, mit denen Weiß zu kämpfen gehabt hätte.} 14. dxc6 bxc6 15. Bd1! {Diesen Zug hatte ich komplett übersehen! Der Kampf ist damit praktisch gelaufen. Was für eine Bilderbuchstellung: alle weißen Figuren befinden sich auf der Grundreihe, aber sein Sieg ist nicht mehr fern!}Re8+ 16. Ne2 Nxf6 17. Nbc3 Bc8?! {17. ... Sd5 hätte am Ergebnis nichts geändert, aber den Kampf verlängert.} 18. a4! a5 {18. ... La6 19. a5 Dc5 20. Ta4+-}19. Rf1! Ba6 20. Rf2 {Es ist aus! Weiß hat alles gedeckt und Schwarz kann seine Stellung nicht mehr verstärken.} h5 20. Ra3 h4 21. g3 h3 22. g4 Rd8 23. Nf4 Nd7 24. Rb3 Qd4 25. Nfe2 Re8 26. Ne4 Qxa4 27. Bd2 Qa1 28. Bc3 Ne5 29. Ra3 Qb1 30. Nd2 Qc1 31. Rxa5 Ng6 32. Rxa6 Nf4 33. Ra8 {Dieser verdiente Sieg Iwantschuks, der nach meinem Fehler beherzt seine Chance ergriff, brachte der Ukraine den Gewinn des Matches!} {Quellennachweis: Zeitschrift „SCHACH“, Ausgabe 11/10, Autor: Baadur Jobava}
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Wassili Iwantschuk gewinnt auch seine 7. Partie! Ihm genügte ein Fehler seines Gegners.

Nach diesem Match „brachen“ die Georgier ein. Aus den letzten 4 Runden holten sie nur noch 2-6 MP und landeten abgeschlagen auf Rang 30.
Dagegen gewannen die Ukrainer noch zwei Matches, spielten zweimal unentschieden und wurden am Ende Olympiasieger. Zudem erzielte Wassili Iwantschuk am Brett 1 das beste Ergebnis mit 8 aus 10 und einer Eloperformance von 2890. Zeitweise lag diese während des Turniers (so weit ich mich erinnern kann) bei über 3300!

Für mich persönlich ist das die „Partie dieser Olympiade“. Schnell waren die Spiele der deutschen Mannschaften in den Hintergrund geraten.
Nach 7 Bauernzügen folgte der erste Nichtbauernzug, und zwar 8. Ke2! Ich kann mich nicht erinnern, etwas Ähnliches schon mal gesehen zu haben.
Auch die Stellung nach 15. Ld1 ist bemerkenswert. Sämtliche weiße Figuren stehen auf der Grundreihe. Jedem Schachanfänger wird eingebläut: „Zuerst entwickelst du mal deine Figuren!“. Nicht so Wassili Iwantschuk. :-)
Einen gewissen turnierentscheidenden Charakter hatte diese Partie für mich auch. Was wäre, wenn sie unentschieden ausgegangen wäre oder wenn Baadur Jobava diese sogar gewonnen hätte? Tja, was wäre, wenn ...

MsG borea
baeuerchen - 05. Apr '11
spannend wie ein krimi! wollt nur signalisieren: Ja, es wird gelesen und ja, es interessiert.

auch wenn ich keinen sachlichen text dazuliefern kann. aber danke an die bisherigen beiträge aller beteiligten hier im forum. feine sache.