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Aronian - Anand, Bilbao 2011
Oli1970 - 18. Dez '19
Aronian und Anand haben schon einige spannende Spiele miteinander aufs Brett gezaubert. In dieser Partie brilliert Aronian in einem abgelehnten Damengambit, das nach einigen wenigen Zügen in ein angenommenes transformiert wird.
Die Partie ist ein schönes Beispiel für die potentielle Schwäche auf h7, die durch das Fehlen des f7 verstärkt wird. Aronian bringt einen starken, mattunterstützenden Springer auf g5 in Stellung der nicht mehr vertreibbar ist. Die schwarze Rochade auf den Königsflügel sorgt in dieser Situation nicht für Königssicherheit. Nebenbei ist in dieser Partie ein Beispiel für einen starken Isolani zu sehen.
Die Partie ist relativ variantenlastig, da sie einige Finessen enthält. Ein Highlight ist sicherlich der 24. Zug Aronians, dessen Feinheit und Stärke sich in den Varianten offenbart.































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Die Partie ist ein schönes Beispiel für die potentielle Schwäche auf h7, die durch das Fehlen des f7 verstärkt wird. Aronian bringt einen starken, mattunterstützenden Springer auf g5 in Stellung der nicht mehr vertreibbar ist. Die schwarze Rochade auf den Königsflügel sorgt in dieser Situation nicht für Königssicherheit. Nebenbei ist in dieser Partie ein Beispiel für einen starken Isolani zu sehen.
Die Partie ist relativ variantenlastig, da sie einige Finessen enthält. Ein Highlight ist sicherlich der 24. Zug Aronians, dessen Feinheit und Stärke sich in den Varianten offenbart.
Levon Aronian Viswanathan Anand 4. Bilbao Masters | Sao Paulo/Bilbao BRA/ESP | 9 | 2011.10.10 | D39 | 1:0
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. d4 Sf6 2. c4 Wie bei einem Boxkampf tasten sich die Kontrahenten ab. Hier mit einem wunderbaren Hopping durch Eröffnungsvarianten, die durch Zugumstellungen entstehen. Aronian bietet an ... e6 und Anand wählt Katalanisch. 3. Sf3 Weiß bietet Damenindisches an ... d5 ... aber Anand lenkt die Stellung in die eines abgelehnten Damengambits ... 4. Sc3 xc4 ... die er hier in ein angenommenes transformiert. 5. e4 Lb4 fesselt den Sc3, um Sxe4 vorzubereiten. 6. Lxc4 Sxe4 Die Entstehung des weißen Isolanis ist typisch im angenommenen Damengambit. 7. O-O Sf6
Sxc3 8. xc3 ist eine Alternative. Allerdings darf Schwarz nun nicht zu gierig werden, der Läufer sollte auf z. B. d6 zurückgezogen werden. Da Schwarz bislang keine weiteren Figuren aktiviert hat, tut er gut daran, seine Stellung zu sichern. Lxc3 9. Tb1 Weiß hat zwei Figuren vorgerückt, den Turm auf eine halboffene Linie gebracht, dem schwarzen Läufer Auslauf gegeben und die Dame sowie der zweite Turm stehen bereit. Schwarz dagegen hat lediglich seinen Läufer zum Ziel gemacht.
8. Da4+ Sc6 9. Lg5 Aronian will mehr. Der weitere Verlauf der Partie lässt darauf schließen, dass er h7 schon vorbereitend als taktisches Ziel auserkoren hat. 9. Se5 Auch gern gespielt - Weiß drückt sofort auf den Sc6, der nicht weg kann. Tb8 Die Bedeutung des Zuges wird nach einem Blick in die Varianten klar.
Le7 10. Lxf6 Lxf6 Anand hat sich vorerst das Läuferpärchen gesichert. Allerdings darf dies ebenso als Hinweis gelten, dass Aronian es auf h7 abgesehen hat - mit dem Entfernen des Springers fehlt eine Deckung für den Bauern. 11. d5 Der Bauernvorstoß als einer der weißen Pläne. Der andere Hauptplan ist natürlich der Angriff auf die Königsstellung, für den schon ein Teil der Figuren ausgerichtet ist. xd5 12. Tfe1+ Le6 Die einzige Möglichkeit, um die Rochademöglichkeit zu sichern und die Partie im Gleichgewicht zu halten. 13. Lxd5 O-O 14. Lxe6 xe6 Es wird sich zeigen, dass dieser Bauer den Königsflügel dauerhaft schwächt, da er selbst zur Angriffsmarke wird. 15. Tad1 Schwarz verfügt über einen Mehrbauern und einen Läufer, der den Damenflügel im Auge behalten kann, Weiß dafür über die aktivierten Türme. Die Partie ist laut Engineberechnung ausgeglichen. Dennoch dürfte es für einen menschlichen Spieler schwierig sein, dauerhaft die Schwächen in der schwarzen Stellung zu sichern. De8 16. Se4 De7 Das hätte Anand auch einen Zug eher haben können. Vermutlich hat Sc3-d5 ihn davon abgehalten, was die Dame auf f7 gezwungen hätte. Warum also jetzt De7 - Anand schützt sich vor Sc5 und der damit einhergehenden zweiten Angriffsfigur gegen e6. Die Engine empfiehlt Td8 mit einem Tausch der Türme. 17. Db3 Tab8 Anand will am Mehrbauern festhalten. 18. Sxf6+ Und los geht es auf die Königsstellung. Txf6 Die Dame durfte nicht schlagen, da sie sonst zum Opfer wird. Der Turm kann nun zwar den e-Bauern stützen, fehlt jetzt aber auf der Grundreihe. 19. Sg5 Ein drittes Mal wird e6 aufs Korn genommen. Ganz nebenbei schielt der Springer schon nach h7. Db4 Le7 10. Sxc6 xc6 11. Dxc6+ Ld7 Die einzige Möglichkeit, das Schach und den Turm gleichzeitig zu decken. 12. Df3 Tb8 Damit ist die Situation aufgelöst, die entstandene Stellung spricht jedoch für Weiß.
10. d5 führt in einen mehrfachen Abtausch, bei dem zu wenig Material verbleibt, um mehr als ein Remis zu erzielen. xd5 11. Sxd5 Sxd5 12. Sxc6 xc6 13. Dxc6+ Dd7 14. Dxd7+ Lxd7 15. Lxd5 Kh8 20. Sxe6 ginge nun nicht, da Schwarz mit Matt auf der Grundreihe droht, sofern der Springer seinen Platz verlässt. Te8
Sd8 deckt zwar den Be6 und ist daher in Erwägung zu ziehen, sperrt jedoch den Tb8 ein. An Gegenspiel wäre vorerst nicht zu denken. Der gespielte Zug ist vermutlich die Ursache für die nachfolgende Niederlage, ist aber durch die fehlenden Alternativen erklärbar. Anand wird auf einen Damentausch gehofft haben.
20. Dc2 deckt b2 und droht mit einem Einbruch auf h7. Tg6 "Kannste so machen, ist dann aber Kacke." Steht auf einer Postkarte und trifft hier einwandfrei zu. 21. Te4 Stark! Droht nicht nur der Dame, sondern deutet ein mögliches Turmmanöver e4-h4 mit Ziel auf h7 an. Da5 Tja, was will er hier? Anand bedroht den Springer, den Bauern a2 und hat ein Auge auf c7, da mit Aronians Einbruch auf die 7. Reihe zu rechnen ist. Eigentlich nicht schlecht gedacht. Angezeigt gewesen wäre allerdings Df8, um an der Verteidigung des Königsflügels zu arbeiten. 22. h4 Te8 23. Td7 h6 24. b4! Ein taktisch sehr feiner Zug, dessen Bedeutung in den Varianten dargestellt wird. Df5 25. Txe6 Anand gab auf. Um das Matt zu verhindern, müsste er mit Dxe6 seine Dame geben.
freak40 - 18. Dez '19
Tolle Partie und gut kommentiert!
Laudatio - 19. Dez '19
Toll erläuterte Partie mit allen interessanten Varianten.
Dein Kommentar zum 21. Zug von Schwarz mit Tg6 passt prima:-)
Ich freue mich schon auf die nächsten Partien in diuesen Forenteil.
Zum Schluss wünsche ich noch ein schönes Fest und einen guten Rutsch
Dein Kommentar zum 21. Zug von Schwarz mit Tg6 passt prima:-)
Ich freue mich schon auf die nächsten Partien in diuesen Forenteil.
Zum Schluss wünsche ich noch ein schönes Fest und einen guten Rutsch
Oli1970 - 19. Dez '19
@freak40, @laudatio - Danke Euch! Freut mich natürlich sehr, dass Euch die Partie gefällt!
Ebenso schöne Weihnachtstage und alles Gute fürs nächste Jahr!
Ebenso schöne Weihnachtstage und alles Gute fürs nächste Jahr!
Vabanque - 19. Dez '19
Hallo SF Oli,
vielen Dank fürs Zeigen der Partie, die mir bislang tatsächlich unbekannt war.
Ja, die Duelle zwischen Anand und Aronian waren wohl immer interessant.
chessgames.com gibt als Bilanz erstaunliche 9 : 5 (bei 38 Remisen) für Aronian an, wenn man nur Turnierpartien zählt. Schnell- und Blitzpartien mitgerechnet liegt Aronian aber immer noch mit 27 zu 19 (bei 67 Remisen) vorne.
Offenbar liegt dem eher 'klassisch' spielenden Anand der verwirrende Stil von Aronian nicht besonders. Denn von den Elo-Zahlen bzw. Platzierungen in der Weltrangliste haben sich die beiden nie besonders stark unterschieden, sind also als in etwa 'gleichstarke' Super-GM anzusehen.
Auch obige Partie macht auf mich als Nachspielenden einen verwirrenden Eindruck. Das Ende kommt verblüffend schnell; noch wenige Züge vor Schluss scheint bei Anand alles gedeckt. Aber seine Figuren arbeiten nicht zusammen, und dies nutzt Aronian mit zwei kräftigen Schlägen (b4 und Txe6) aus.
vielen Dank fürs Zeigen der Partie, die mir bislang tatsächlich unbekannt war.
Ja, die Duelle zwischen Anand und Aronian waren wohl immer interessant.
chessgames.com gibt als Bilanz erstaunliche 9 : 5 (bei 38 Remisen) für Aronian an, wenn man nur Turnierpartien zählt. Schnell- und Blitzpartien mitgerechnet liegt Aronian aber immer noch mit 27 zu 19 (bei 67 Remisen) vorne.
Offenbar liegt dem eher 'klassisch' spielenden Anand der verwirrende Stil von Aronian nicht besonders. Denn von den Elo-Zahlen bzw. Platzierungen in der Weltrangliste haben sich die beiden nie besonders stark unterschieden, sind also als in etwa 'gleichstarke' Super-GM anzusehen.
Auch obige Partie macht auf mich als Nachspielenden einen verwirrenden Eindruck. Das Ende kommt verblüffend schnell; noch wenige Züge vor Schluss scheint bei Anand alles gedeckt. Aber seine Figuren arbeiten nicht zusammen, und dies nutzt Aronian mit zwei kräftigen Schlägen (b4 und Txe6) aus.
Oli1970 - 19. Dez '19
Ich hoffe, die Kommentierung half, die Verwirrung etwas aufzulösen, Vabanque! :-)
Beim Durchspielen habe ich immer wieder gestaunt, welche tiefen Gedankengänge hinter einigen Zügen steckten, die sich mir erst offenbarten, als ich in die Varianten eingetaucht bin. Aronian hat mit vielen Zügen stets einen doppelten Zweck verfolgt - die offensichtliche Drohung diente oft einem späteren Nutzen als Verstärkung seiner Position. Es hat etwas gedauert, bis ich kapiert hatte, was mir da für eine Perle unter die Finger kam. :-)
Beim Durchspielen habe ich immer wieder gestaunt, welche tiefen Gedankengänge hinter einigen Zügen steckten, die sich mir erst offenbarten, als ich in die Varianten eingetaucht bin. Aronian hat mit vielen Zügen stets einen doppelten Zweck verfolgt - die offensichtliche Drohung diente oft einem späteren Nutzen als Verstärkung seiner Position. Es hat etwas gedauert, bis ich kapiert hatte, was mir da für eine Perle unter die Finger kam. :-)
Kellerdrache - 20. Dez '19
Zu allererst einmal willkommen zurück in den Reihen der Kommentatoren und gleich mit einer wunderschönen Partie. Sie war mir, wie Vabanque auch, völlig unbekannt, obwohl Anand und Aronian eigentlich zu den Spielern gehören deren Partien mich immer interessieren.
Obwohl ich sie gerade erst einmal nachgespielt habe scheint mir eine deiner Anmerkungen besonders bezeichnend für diese Partie zu sein. Aronian schafft viele kleine Drohungen die Anand (natürlich) abwehrt. Schön ist aber wie er dadurch die schwarze Stellung so schwächt, dass sie dem Schlußangriff nicht mehr standhalten kann.
Die "vielen" Varianten finde ich hier gar nicht schlimm. Ohne sie versteht man die Tiefe der Partie auch überhaupt nicht und denkt eher "och ja, ganz nett". Also zwei Daumen hoch - einer fürs Finden der Partie und den zweiten für die erhellende Kommentierung ;-))
Obwohl ich sie gerade erst einmal nachgespielt habe scheint mir eine deiner Anmerkungen besonders bezeichnend für diese Partie zu sein. Aronian schafft viele kleine Drohungen die Anand (natürlich) abwehrt. Schön ist aber wie er dadurch die schwarze Stellung so schwächt, dass sie dem Schlußangriff nicht mehr standhalten kann.
Die "vielen" Varianten finde ich hier gar nicht schlimm. Ohne sie versteht man die Tiefe der Partie auch überhaupt nicht und denkt eher "och ja, ganz nett". Also zwei Daumen hoch - einer fürs Finden der Partie und den zweiten für die erhellende Kommentierung ;-))
Vabanque - 20. Dez '19
So viele Varianten sind es doch gar nicht. Die zum 9. Zug sind recht ausführlich, ansonsten erhellen sie doch gerade das Nötige.
Oli, du schreibst: >>Aronian hat mit vielen Zügen stets einen doppelten Zweck verfolgt - die offensichtliche Drohung diente oft einem späteren Nutzen als Verstärkung seiner Position.<<
Das charakterisiert eben den großen Meister, dass er 'vielseitige' Züge findet, die nicht nur (wie oft bei uns Amateuren) einem momentanen Zweck dienen, sondern sich auch langfristig auswirken. SF Kellerdrache hat es ja auch gerade richtig beschrieben: Anand wehrt alle Drohungen ab, aber letzten Endes ist die schwarze Stellung dadurch dann so zersplittert (seine Figuren kooperieren nicht), dass sie auseinanderbricht.
Oli, du schreibst: >>Aronian hat mit vielen Zügen stets einen doppelten Zweck verfolgt - die offensichtliche Drohung diente oft einem späteren Nutzen als Verstärkung seiner Position.<<
Das charakterisiert eben den großen Meister, dass er 'vielseitige' Züge findet, die nicht nur (wie oft bei uns Amateuren) einem momentanen Zweck dienen, sondern sich auch langfristig auswirken. SF Kellerdrache hat es ja auch gerade richtig beschrieben: Anand wehrt alle Drohungen ab, aber letzten Endes ist die schwarze Stellung dadurch dann so zersplittert (seine Figuren kooperieren nicht), dass sie auseinanderbricht.
Oli1970 - 20. Dez '19
Danke für die netten Worte, Kellerdrache! Schön, dass Dir die Partie gefällt. Genau das habe ich auch gedacht - ok, ist ganz nett. Die eigentliche Schönheit verbirgt sich ganz subtil im Untergrund der zunächst durch Anand vermiedenen Varianten.
Ein weiteres Plus ist, dass Anand keinen richtigen Klopper zur Niederlage geliefert hat. Was besseres als seine Züge 20 und 21 will erst mal gefunden werden. Wie Vabanque feststellte: Durch die (im Prinzip korrekte) Abwehr der Angriffe ist die schwarze Stellung zerbrochen.
Falls man sich nicht mehr liest, Euch beiden und den stillen Mitleserinnen und Mitlesern schöne Festtage und rutscht gut rüber!
Ein weiteres Plus ist, dass Anand keinen richtigen Klopper zur Niederlage geliefert hat. Was besseres als seine Züge 20 und 21 will erst mal gefunden werden. Wie Vabanque feststellte: Durch die (im Prinzip korrekte) Abwehr der Angriffe ist die schwarze Stellung zerbrochen.
Falls man sich nicht mehr liest, Euch beiden und den stillen Mitleserinnen und Mitlesern schöne Festtage und rutscht gut rüber!