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Dawid Janowski - Läuferpaar im Endspiel

Oli1970 - 25. Nov '23
Beim Turnier in Ostende 1905 saßen sich Dawid Janowski und Amos Burn
gegenüber. Burn war ein eher defensiver Spieler und galt als Anhänger
der von Steinitz formulierten Prinzipien des Positionsspiels. Im Gegensatz
dazu Janowski - er pflegte grundsätzlich auf Sieg zu spielen. Zum
Zeitpunkt des Turniers war Janowski auf dem Zenit seiner Laufbahn, Burns
Stern sank bereits. Janowski konnte das Turnier auf dem geteilten 2. Platz
hinter Géza Maróczy beenden.

Die Partie gehört wohl eher zu den schachlich schwächeren - beide
Spieler schlängeln sich eher schlecht als recht durch die
Eröffnungsphase, das Mittelspiel findet so gut wie nicht statt, Janowskis
Angriff könnte besser geführt sein, Burn verrechnet sich und dann ist
das Spiel vorbei.

Warum ist sie dennoch zeigenswert? Zum einen, weil man auch aus schlechten
Zügen und Fehlern lernen kann. Tatsächlich ist die im 11. Zug
entstehende Position nachdenkenswert, weil es bessere und schlechtere
Abwicklungsmöglichkeiten für Weiß gibt, die auf den ersten Blick
gleichwertig scheinen. Auch nachfolgend gibt es jeweils Alternativen, die
einen Blick lohnen, da solche Stellungen relativ häufig zu finden sind.
Das Endspiel, das ab etwa dem 21. Zug beginnt, weist taktische Motive auf
und zu guter letzt führt Janowski seine Spezialität vor - er beweist die
Stärke seiner Läufer, von denen der unscheinbarere zum heimlichen Helden
wird. Ein Tempo Vorsprung reicht zum Gewinn.

Janowski, Dawid Burn, Amos Ostend | Ostend BEL | 20 | 1905 | C48 | 1:0
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. e4 e5 2. Sc3 Sf6 3. Sf3 Sc6 Vierspringerspiel. 4. Lb5 Die häufigste Antwort hierauf ist Lb4, die nächsthäufigste Sd4. Le7 5. d4 xd4 6. Sxd4 O-O 7. O-O Sxd4 8. Dxd4 d6 9. Lg5 Le6 10. Tad1 Schwarz steht im Gegensatz zum Weißen passiv, dennoch gibt es keine nennenswerten Schwächen. a6 11. Le2?! Lc4, um Druck gegen Ld6 zu machen und die nachfolgend beschriebene Variante zu vermeiden, die allerdings nicht aufs Brett kam. Sd7 Burn hätte er hier mit Sxe4 Vorteil erlangen können. Weiß muss sich entscheiden, wie er pariert: Dxe4, Sxe4 oder doch Lxe7?
Sxe4! 12. Dxe4
12. Sxe4 Lxg5 13. Sxg5 noch erforderlich, um dem Schwarzen das Läuferpaar kaputt zumachen. Dxg5 Schwarz hat einen Bauern gewonnen, beide Seiten verfügen über einen gleichfarbigen Läufer.
12. Lxe7 Nicht Dxe7, da dann Sxe4 eine Figur verliert. Sxc3 13. Dxc3 Dxe7 Das Material ist gleich zur Variante 12. Sxe4, der schwarze Vorteil geringfügig größer, da die Dame nicht so exponiert und angreifbar steht. Darüber hinaus muss Weiß eine Lösung gegen die Drohung Lxa2 finden, da durch den Abzug De7xLe2 akut wird.
Lxg5 13. Ld3 g6 Schwarz hat vorläufig einen Bauern gewonnen, kann ihn jedoch nicht behalten. 14. Dxb7 Tb8 15. Dxa6 Txb2 Schwarz hat die bessere Bauernstruktur und das Läuferpaar, aber noch keinen spielentscheidenden Vorteil. Das Spiel wird verflachen nach 16. Tb1 Txb1 17. Txb1
12. Lc1 Rückzug des Läufers, um ihn ggf. auf b2 entwickeln zu können. Der Bursche wird später das Spiel entscheiden.
12. Lxe7 Dxe7 13. f4 mit Zentrumsbeherrschung und Raumgewinn war vorteilhaft spielbar.
f5?! Viel besser war das gegen die Dame gerichtete Lf6. 13. Sd5 xe4 14. Lc4 Spekuliert auf Lxd5 Lxd5+ mit Doppelangriff auf Bb7 und Be4.
14. Dxe4 Sc5 erzwungen, um Le6 zu decken und das Spiel zu halten. Ein Abtausch mit Lxd5 Dxd5+ funktioniert nicht, da dann Dxb7 folgt. Se5 um die Linie zu sperren, ist nicht zu halten wegen f2-f4. 15. De3
Kh8 Burn geht nicht darauf ein, daher ist das Spiel momantan ausgeglichen. 15. Dxe4 Lxd5 16. Lxd5 c6 17. Le6 d5
Der Spielzug war schwächer als der Abtausch Sc5 18. Dg4 Sxe6 19. Dxe6 d5
18. Dg4 Sf6 19. Dh3 Durch den verpassten Abtausch im 17. Zug hat Weiß seine Stellung wieder verbessern können. Lc5 20. Lf5 Dc7 21. g4? Stattdessen Angriff auf Lc5 durch b2-b4 mit dem Plan Td4 nebst Th4.
21. b4! Ld6 22. Td4
g6 22. Lxg6 Tg8 23. Lf5 Sxg4 24. Kh1!! Wegen der Drohung Sxf2+ mit Gewinn der Partie!
24. a3 zur nachfolgenden Demonstration des Angriffs. Sxf2+ Schach durch den Abzug mit Gabel auf Dame und Turm sowie h1. Zwischengestellte Läufer werden einfach geschlagen, es bleibt nur 25. Dg2 Txg2+ 26. Kxg2 Tg8+ 27. Kf3 Dxh2 Matt in spätestens fünf Zügen.
Sxf2+?? Der Plan kann nach dem Königszug nicht mehr aufgehen, die Partie ist nun verloren. 25. Txf2 Lxf2 26. Lf4! Da kommt er aus der Deckung mit der Drohung Le5+ nebst Dh7#.
26. Lf4 Dg7 droht zwar Matt auf g1, Weiß ist aber ein Tempo schneller.
Daher bleibt nur, die Dame zu geben. Tg7 27. Lxc7 Txc7 28. Dc3+ Tg7 29. Tf1 d4 30. Dc5
27. Le5 nebst durch die Fesselung unausweichlichem Dxh7#.
PGN anzeigen[Event "Ostend"]
[Site "Ostend BEL"]
[Date "1905.??.??"]
[Round "20"]
[White "Janowski, Dawid"]
[Black "Burn, Amos"]
[Result "1-0"]
[ECO "C48"]
[Annotator "Oli1970"]
[Comment "Dawid Janowski - Läuferpaar im Endspiel"]

1.e4 e5 2.Nc3 Nf6 3.Nf3 Nc6 {Vierspringerspiel.} 4.Bb5 {Die häufigste
Antwort hierauf ist Lb4, die nächsthäufigste Sd4. } 4...Be7 5.d4 exd4 6.
Nxd4 O-O 7.O-O Nxd4 8.Qxd4 d6 9.Bg5 Be6 10.Rad1 {Schwarz steht im
Gegensatz zum Weißen passiv, dennoch gibt es keine nennenswerten
Schwächen.} 10...a6 11.Be2 $6 {Lc4, um Druck gegen Ld6 zu machen und die
nachfolgend beschriebene Variante zu vermeiden, die allerdings nicht aufs
Brett kam.} 11...Nd7 {Burn hätte er hier mit Sxe4 Vorteil erlangen
können. Weiß muss sich entscheiden, wie er pariert: Dxe4, Sxe4 oder doch
Lxe7? }
( 11...Nxe4 $1 12.Qxe4
( 12.Nxe4 Bxg5 13.Nxg5 {noch erforderlich, um dem Schwarzen das
Läuferpaar kaputt zumachen.} 13...Qxg5 {Schwarz hat einen Bauern
gewonnen, beide Seiten verfügen über einen gleichfarbigen
Läufer.} )
( 12.Bxe7 {Nicht Dxe7, da dann Sxe4 eine Figur verliert.} 12...
Nxc3 13.Qxc3 Qxe7 {Das Material ist gleich zur Variante 12. Sxe4,
der schwarze Vorteil geringfügig größer, da die Dame nicht so
exponiert und angreifbar steht. Darüber hinaus muss Weiß eine
Lösung gegen die Drohung Lxa2 finden, da durch den Abzug De7xLe2
akut wird.} )
12...Bxg5 13.Bd3 g6 {Schwarz hat vorläufig einen Bauern gewonnen,
kann ihn jedoch nicht behalten.} 14.Qxb7 Rb8 15.Qxa6 Rxb2 {Schwarz hat
die bessere Bauernstruktur und das Läuferpaar, aber noch keinen
spielentscheidenden Vorteil. Das Spiel wird verflachen nach} 16.Rb1
Rxb1 17.Rxb1 )
12.Bc1 {Rückzug des Läufers, um ihn ggf. auf b2 entwickeln zu können.
Der Bursche wird später das Spiel entscheiden.}
( 12.Bxe7 Qxe7 13.f4 {mit Zentrumsbeherrschung und Raumgewinn war
vorteilhaft spielbar.} )
12...f5 $6 {Viel besser war das gegen die Dame gerichtete Lf6. } 13.Nd5
fxe4 14.Bc4 {Spekuliert auf Lxd5 Lxd5+ mit Doppelangriff auf Bb7 und Be4.}
( 14.Qxe4 Nc5 {erzwungen, um Le6 zu decken und das Spiel zu halten.
Ein Abtausch mit Lxd5 Dxd5+ funktioniert nicht, da dann Dxb7 folgt.
Se5 um die Linie zu sperren, ist nicht zu halten wegen f2-f4.} 15.Qe3
)
14...Kh8 {Burn geht nicht darauf ein, daher ist das Spiel momantan
ausgeglichen.} 15.Qxe4 Bxd5 16.Bxd5 c6 17.Be6 d5
( {Der Spielzug war schwächer als der Abtausch } 17...Nc5 18.Qg4 Nxe6
19.Qxe6 d5 )
18.Qg4 Nf6 19.Qh3 {Durch den verpassten Abtausch im 17. Zug hat Weiß
seine Stellung wieder verbessern können.} 19...Bc5 20.Bf5 Qc7 21.g4 $2 {
Stattdessen Angriff auf Lc5 durch b2-b4 mit dem Plan Td4 nebst Th4.}
( 21.b4 $1 Bd6 22.Rd4 )
21...g6 22.Bxg6 Rg8 23.Bf5 Nxg4 24.Kh1 $3 {Wegen der Drohung Sxf2+ mit
Gewinn der Partie!}
( 24.a3 {zur nachfolgenden Demonstration des Angriffs.} 24...Nxf2+ {
Schach durch den Abzug mit Gabel auf Dame und Turm sowie h1.
Zwischengestellte Läufer werden einfach geschlagen, es bleibt nur }
25.Qg2 Rxg2+ 26.Kxg2 Rg8+ 27.Kf3 Qxh2 {Matt in spätestens fünf
Zügen.} )
24...Nxf2+ $4 {Der Plan kann nach dem Königszug nicht mehr aufgehen, die
Partie ist nun verloren.} 25.Rxf2 Bxf2 26.Bf4 $1 {Da kommt er aus der
Deckung mit der Drohung Le5+ nebst Dh7#.}
( 26.Bf4 Qg7 {droht zwar Matt auf g1, Weiß ist aber ein Tempo
schneller.}
( {Daher bleibt nur, die Dame zu geben. } 26...Rg7 27.Bxc7 Rxc7
28.Qc3+ Rg7 29.Rf1 d4 30.Qc5 )
27.Be5 {nebst durch die Fesselung unausweichlichem Dxh7#.
} )
1-0
Vabanque - 25. Nov '23
Ja, ein schöner Schluss, der die Kraft des Läuferpaars demonstriert, auch wenn der Patzer von Schwarz im 24. Zug schon sehr dick war, und Schwarz mit 17... Sc5, wie von dir auch geschrieben, an dieser Stelle das weiße Läuferpaar bereits hätte 'halbieren' können. So rächt sich im Schach oft später eine falsche Entscheidung. Der Läufer, den Schwarz im 17. Zug hätte abtauschen können, führt am Ende zusammen mit seinem Kollegen (der im 12. Zug dem Abtausch ausgewichen war) die Entscheidung herbei.
Vabanque - 25. Nov '23
Interessanterweise ist die Partie in dem sehr umfangreichen Janowski-Buch von Daniel Ackermann gar nicht enthalten; offenbar hat er sie für nicht inhaltsreich genug befunden. Aber zum schnellen, unterhaltsamen Nachspielen ist die Partie auf jeden Fall interessant genug👍
Oli1970 - 25. Nov '23
Oh, in einem biografischen Buch hätte ich gedacht, dass die Partie Erwähnung findet. Immerhin wurde Janowski Turnierzweiter, und zum Turnierverlauf gehören eben auch die schwächeren Partien dazu. Erstaunlich.
Danke fürs Nachschauen!
Vabanque - 25. Nov '23
In dem Buch sind etliche Partien von ihm aus diesem Turnier drin, auch seine Schwarzpartie gegen Burn.