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Najdort demoliert ein Angenommenes Damengambit

Vabanque - 01. Feb '24
In der vorliegenden Partie kommt eine auch im Amateurbereich sehr oft gespielte Variante des (angenommenen) Damengambits aufs Brett. Schwarz macht nur natürliche Züge (und begeht keinen einzigen wirklich offensichtlichen Fehler!), und doch zerstört Weiß (Miguel Najdorf, der seinerzeit zur Weltspitze gehörte) die schwarze Stellung in 21 Zügen. Eine sehenswerte Demolierung!
Die Partie stammt aus dem Turnier zu Groningen 1946, dem ersten bedeutenden Schach-Event nach dem 2. Weltkrieg. Es wurde von Botwinnik vor Euwe, Smyslov und Najdorf gewonnen:
en.wikipedia.org/wiki/Groningen_1946_chess_tournament

Miguel Najdorf Martin Christoffel Groningen | Groningen NED | 12 | 1946.08.28 | D45 | 1:0
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. d4 d5 2. c4 e6 3. Sc3 c6 4. Sf3 Sf6 5. e3 a6 6. Ld3 xc4 7. Lxc4 b5 8. Lb3 c5 9. O-O Lb7 Nun ist mit Zugumstellung eine bekannte und oft gespielte Variante des angenommenen Damengambits entstanden, die 1946 offenbar noch nicht so gut untersucht war wie heute. Denn der nächste schwarze Zug wird ein damals oft gespielter sein, der aber in dieser Partie eigentlich so gut wie widerlegt wird. 10. De2 Sc6?! Diese 'natürliche' Springerentwicklung gibt Weiß Gelegenheit zu einem glänzenden zentralen Durchbruch.
Sbd7! 11. Td1 Dc7 vermeidet das Folgende und gibt Schwarz gleichwertige Chancen.
11. Td1
Auch sofortiges 11. d5 xd5 12. e4 wurde schon gespielt, aber hier kann Schwarz mit d4! der Linienöffnung entgehen, da - anders als später mit der schwarzen Dame auf c7 - auf 13. Sd5? c4! möglich wäre.
Dc7 Weicht dem Gegenüber des Turms aus. Gerade diese Damenstellung wird Schwarz aber bald Ärger bereiten. (Db6 wäre kaum besser, es käme die gleiche weiße Antwort.) 12. d5! xd5 13. e4! Damals wohl eine Neuerung und jedenfalls viel stärker als Sxd5. xe4? Bereits der Verlustzug.
Wenn Schwarz versucht, mit d4 die Linienöffnung zu vermeiden, kommt 14. Sd5! Dd8
Nach Sxd5? 15. xd5+ würde Weiß die beabsichtigte Linienöffnung ja doch erreichen, und Schwarz wäre zu dem die Entwicklung stark behindernden Zug Se7 gezwungen.
15. Lf4 mit überlegener weißer Figurenstellung.
O-O-O ist wahrscheinlich relativ am besten, aber der schwarze König steht am Damenflügel nicht sehr sicher. Die ganze Variante scheint für Schwarz nicht empfehlenswert zu sein.
14. Sxe4 Sxe4 15. Dxe4+ Le7 Wieder ein ganz 'natürlicher' Zug, der allerdings die Lage noch verschlimmert.
Nach De7 16. Df4 würde allerdings schon Te1 drohen.
16. Lf4 Mühelos bringt Weiß seine Figuren auf aggressive Felder, während der schwarze König keine Zeit findet, aus der Mitte wegzukommen. Trotzdem ist es erstaunlich, in wie wenigen Zügen die schwarze Stellung nun völlig kollabiert. Dc8 17. Ld5 Weiß kommt der Absperrung mit c4 zuvor und verhindert die schwarze Rochade, da dann nach Lxc6 der Le7 hinge. Außerdem droht unter anderem jetzt Se5 mit Materialgewinn, da Schwarz ja wegen Lxb7 den Springer nicht schlagen könnte. Sd8 Es ist schwer, noch einen sinnvollen Zug zu finden. 18. Ld6 Dd7 Das Einzige. 19. Lxc5 Jetzt hat Weiß schon seinen geopferten Bauern bei überwältigender Stellung zurückerobert. Außerdem ist die d-Linie nun frei, so dass Abzüge des Ld5 möglich sind. Tb8 Schwarz kann nicht alle Drohungen verhindern. Er wendet sich gegen Lxb7 Dxb7 Txd8+(Beseitigung der Deckung der Db7!), aber nun zieht der Ld5 nach der anderen Seite ab, obwohl damit auch die weiße Dame hängt. 20. Lxf7+ Sxf7 21. Txd7 Schwarz gab auf.
21. Txd7 Lxe4 22. Txe7+ nebst Txe4 mit Mehrfigur für Weiß. Najdorf lässt diesen Sieg so leicht und mühelos aussehen. Aber welche Fehler kann man Schwarz eigentlich ankreiden?
PGN anzeigen
[Event "Groningen"]
[Site "Groningen NED"]
[Date "1946.08.28"]
[Round "12"]
[White "Miguel Najdorf"]
[Black "Martin Christoffel"]
[Result "1-0"]
[WhiteElo "?"]
[BlackElo "?"]
[ECO "D45"]

1. d4 d5 2. c4 e6 3. Nc3 c6 4. Nf3 Nf6 5. e3 a6 6. Bd3 dxc4 7. Bxc4 b5 8. Bb3
c5 9. O-O Bb7 {Nun ist mit Zugumstellung eine bekannte und oft gespielte
Variante des angenommenen Damengambits entstanden, die 1946 offenbar noch nicht
so gut untersucht war wie heute. Denn der nächste schwarze Zug wird ein damals
oft gespielter sein, der aber in dieser Partie eigentlich so gut wie widerlegt
wird.} 10. Qe2 Nc6 $6 {Diese 'natürliche' Springerentwicklung gibt Weiß
Gelegenheit zu einem glänzenden zentralen Durchbruch.} (10... Nbd7 $1 11. Rd1
Qc7 {vermeidet das Folgende und gibt Schwarz gleichwertige Chancen.} ) 11. Rd1
( {Auch sofortiges} 11. d5 exd5 12. e4 {wurde schon gespielt, aber hier kann
Schwarz mit} 12... d4 $1 {der Linienöffnung entgehen, da - anders als später
mit der schwarzen Dame auf c7 - auf} 13. Nd5 $2 c4 $1 {möglich wäre.} ) 11...
Qc7 {Weicht dem Gegenüber des Turms aus. Gerade diese Damenstellung wird
Schwarz aber bald Ärger bereiten. (Db6 wäre kaum besser, es käme die gleiche
weiße Antwort.)} 12. d5 $1 exd5 13. e4 $1 {Damals wohl eine Neuerung und
jedenfalls viel stärker als Sxd5.} 13... dxe4 $2 {Bereits der Verlustzug.} (
{Wenn Schwarz versucht, mit} 13... d4 {die Linienöffnung zu vermeiden, kommt}
14. Nd5 $1 Qd8 ( {Nach} 14... Nxd5 $2 15. exd5+ {würde Weiß die beabsichtigte
Linienöffnung ja doch erreichen, und Schwarz wäre zu dem die Entwicklung stark
behindernden Zug} 15... Ne7 {gezwungen.} ) 15. Bf4 {mit überlegener weißer
Figurenstellung.} ) (13... O-O-O {ist wahrscheinlich relativ am besten, aber
der schwarze König steht am Damenflügel nicht sehr sicher. Die ganze Variante
scheint für Schwarz nicht empfehlenswert zu sein.} ) 14. Nxe4 Nxe4 15. Qxe4+
Be7 {Wieder ein ganz 'natürlicher' Zug, der allerdings die Lage noch
verschlimmert.} ( {Nach} 15... Qe7 16. Qf4 {würde allerdings schon Te1
drohen.} ) 16. Bf4 {Mühelos bringt Weiß seine Figuren auf aggressive Felder,
während der schwarze König keine Zeit findet, aus der Mitte wegzukommen.
Trotzdem ist es erstaunlich, in wie wenigen Zügen die schwarze Stellung nun
völlig kollabiert.} 16... Qc8 17. Bd5 {Weiß kommt der Absperrung mit c4 zuvor
und verhindert die schwarze Rochade, da dann nach Lxc6 der Le7 hinge. Außerdem
droht unter anderem jetzt Se5 mit Materialgewinn, da Schwarz ja wegen Lxb7 den
Springer nicht schlagen könnte.} 17... Nd8 {Es ist schwer, noch einen
sinnvollen Zug zu finden.} 18. Bd6 Qd7 {Das Einzige.} 19. Bxc5 {Jetzt hat Weiß
schon seinen geopferten Bauern bei überwältigender Stellung zurückerobert.
Außerdem ist die d-Linie nun frei, so dass Abzüge des Ld5 möglich sind.} 19...
Rb8 {Schwarz kann nicht alle Drohungen verhindern. Er wendet sich gegen Lxb7
Dxb7 Txd8+(Beseitigung der Deckung der Db7!), aber nun zieht der Ld5 nach der
anderen Seite ab, obwohl damit auch die weiße Dame hängt.} 20. Bxf7+ Nxf7 21.
Rxd7 {Schwarz gab auf.} (21. Rxd7 Bxe4 22. Rxe7+ {nebst Txe4 mit Mehrfigur für
Weiß. Najdorf lässt diesen Sieg so leicht und mühelos aussehen. Aber welche
Fehler kann man Schwarz eigentlich ankreiden?} ) 1-0
Vabanque - 02. Feb '24
Jetzt haben wir schon den Fall, dass der peinliche Schreibfehler im Threadtitel nicht mehr geändert werden kann ... sieht denn niemand, dass ich statt Najdorf 'Najdort' geschrieben habe?😳
schach2018 - 02. Feb '24
Im Text ist es doch richtig! 😉
Oli1970 - 02. Feb '24
Gefällt mir sehr! Schön zu sehen, wie Najdorf die schwarze Stellung zerlegt. Christoffel war gar kein schlechter Schachspieler, zwar kein Najdorf, aber eben auch kein No Name. Statt 12…Dc6 wäre Le7 wohl auch naheliegend gewesen, schon um sich den Rochade-Weg zu öffnen. Mit 16..Dc8 nutzt Schwarz das einzige verbleibende Feld, das der Dame noch etwas Felderkontrolle verspricht; meist ein schlechtes Zeichen, wenn es keine bedenkenswerten Alternativen mehr gibt. Das bestätigt sich ja auch schnell. Najdorfs Läufer beherrschen das Brett, die Dame stützt aus sicherer Entfernung, dann schlägt der Turm rein. Was für ein Sturm! Eine sehenswerte Partie hast Du da ausgegraben! Wirkungsvoller lässt sich ein gelungener starker Angriff kaum demonstrieren. Klasse!
Oli1970 - 02. Feb '24
Im Wikipedia-Eintrag zu Christoffel ist ein Filmausschnitt verlinkt. Zwar niederländisch vertont, aber zum Verstehen der Namen der gezeigten Turnierteilnehmer reicht es allemal. de.m.wikipedia.org/wiki/Martin_Christoffel
Vabanque - 02. Feb '24
>>schach2018(O, F) - vor 9 Std.
Im Text ist es doch richtig! 😉<<

Das bringt nicht viel, da viele User sicher nur den Threadtitel lesen und den Thread bei dem Fehler (oder wegen des Fehlers) nicht mal anklicken ...
Vabanque - 02. Feb '24 Edited
>>12…Dc6 wäre Le7 wohl auch naheliegend gewesen<<

Du meinst sicherlich 11... Dc7?🤔

Ja, aber erstens geht man mit der Dame 'intuitiv' aus der Turmlinie, außerdem 'drohte' ja dxc5 mit Bauerngewinn ... ich setze das 'drohte' in Anführungsstriche, weil es nur scheinbar drohte, den Bauern hätte Schwarz schnell zurückgewonnen.

Du hast schon Recht mit 11... Le7. 12. dxc5 gewinnt nur vorübergehend einen Bauern, nach 12... Dc7 kann Weiß ihn überhaupt nicht halten. Allerdings müsste für den Rückgewinn des Bauern der Le7 ein zweites Mal ziehen, und das wäre zumindest scheinbar ein Tempoverlust (scheinbar deswegen, weil Weiß mit dxc5 ja selbst ein Tempo verloren hat).

Manche Spieler verlieren halt lieber die Partie als ein Tempo!😉
Vabanque - 02. Feb '24
>>Christoffel war gar kein schlechter Schachspieler, zwar kein Najdorf, aber eben auch kein No Name.<<

Im Turnier zu Groningen 1946 wurde der Schweizer Martin Christoffel zwar Letzter, allerdings war das Turnier dermaßen stark besetzt, dass auch Milan Vidmar ganz hinten landete. Chrstoffel schlug übrigens Vidmar, genauso wie er auch gegen den im Mittelfeld platzierten Kotov gewann. Schwach kann er also nicht gewesen sein.
Oli1970 - 02. Feb '24
>> Du meinst sicherlich 11... Dc7? <<
Ja, gleich zwei Vertipper, Zugnummer und Feld. Genial. Da ist die Überschrift das kleinere Übel, sie stiftet weniger Verwirrung. :-)
Vabanque - 02. Feb '24
Nein, die Überschrift ist offensichtlicher, die sieht man auch ohne Anklicken des Threads.

Deine zwei Fehler in einem Zug waren leicht zu enttarnen. Nirgends tauchte in der Partie eine sD auf c6 auf, und nur im 11. Zug gab es die schwarze Alternative Le7.