Games with comments

Auch wenn die Resonanz auf diese Reihe gelinde gesagt nicht gerade überwältigend ist😉, so führe ich sie der Vollständigkeit halber trotzdem fort, da ansonsten einige der wichtigsten Protagonistinnen fehlen würden, vor allem die jetzt in dieser Folge vorgestellte.

Die fünfte Frauenweltmeisterin des 21. Jh., die Chinesin Hou Yifan, konnte diesen Titel gleich 3mal erringen, nämlich 2010, 2013 und 2016. Danach stieg sie allerdings - ähnlich wie Carlsen - wegen Unzufriedenheit mit dem Austragungsmodus aus dem WM-Zyklus aus. Seitdem war sie viel in Herrenturnieren anzutreffen, und mischte da gut mit. Kein Wunder, sie ist - nach Judit Polgar - die zweitstärkste Schach-Frau aller Zeiten und führt seit 10 Jahren die Weltrangliste der Frauen an.

Wie gefährlich sie insbesondere auch für männliche Top-Spieler ist, beweisen u.a. Siege gegen Kramnik, Nepomniachtchi und Caruana. Auch wer sich für Frauenschach generell nicht interessiert, wird daher an Hou Yifan (und auch an einigen der anderen Schach-Ladys) nicht vorbeikommen. Hier habe ich eine Partie gegen den tschechischen Spitzenmann David Navara ausgewählt, die Hous Können im hellsten Licht zeigt.

PGN anzeigen[Event "Tata Steel Masters"]
[Site "Wijk aan Zee NED"]
[Date "2016.01.19"]
[Round "4"]
[White "Yifan Hou"]
[Black "David Navara"]
[Result "1-0"]
[WhiteElo "2673"]
[BlackElo "2730"]
[ECO "B12"]

1. e4 c6 2. d4 d5 3. e5 Bf5 4. Nf3 e6 5. Be2 Nd7 6. O-O Bg6 7. Nbd2 Nh6 8. Nb3
Nf5 9. Bd2 Be7 10. g4 Nh4 11. Nxh4 Bxh4 12. f4 {Droht f5 mit Eroberung des
Lg6.} 12... f5 13. c4 a5 $6 {Dieser Zug wird sich langfristig nicht bewähren.}
14. a4 {Der schwarze Bauer wird sofort blockiert und damit als Angriffsobjekt
festgelegt. So lange Schwarz nicht b6 spielt (was wiederum c6 schwächen würde),
ist jetzt der Ta8 an die Verteidigung des mickrigen Bäuerleins gebunden.} 14...
O-O 15. g5 {Schneidet den Lh4 ab, worauf Schwarz eine sofortige
Befreiungsaktion einleitet, die aber seine Königsstellung schwächt.} 15... h6
16. gxh6 gxh6 17. Kh1 Kh7 {Zu wessen Vorteil sich die g-Linie geöffnet hat,
wird sich erst noch erweisen.} 18. cxd5 cxd5 19. Rc1 {Hou hat erstmal die
c-Linie für ihren Turm geöffnet, und Navara kann nicht mit Tc8 opponieren, da
sonst der a-Bauer hinge (siehe die Anmerkung zum 14. Zug von Weiß).} 19... b6
{Nun deckt er ihn, aber lädt damit den weißen Turm quasi ein.} 20. Rc6 Rc8
{Schwarz lässt den Bauern e6 hängen, weil er glaubt, den weißen Turm fangen zu
können. Im Prinzip ist das auch richtig, nur hat die Sache einen Haken ...} 21.
Rxe6 $1 {Die korrekte Entscheidung. Der Turm wird zwar dran glauben müssen,
aber der schwarze König gerät in eine gefährdete Lage.} 21... Bf7 22. Rd6 Be7
23. Bd3 $1 Bxd6 24. Bxf5+ Kh8 25. Qg4 {Schnell hat Hou ihre Figuren auf den
gegnerischen König gerichtet. Und da nun auch der Sd7 hängt, kann sie mit dem
Schlagen des Ld6 noch warten. Wichtiger ist es erstmal, die weiße Dame nach h3
zu bringen, wo sie h6 bedroht.} 25... Rc7 $2 {Bereits der entscheidende Fehler,
wie die Folge aufzeigen wird. Wahrscheinlich dachte Navara (neben der Deckung
des Sd7), dass ihm der Turm auf der 7. Reihe gute Verteidigungsdienste leisten
würde (wie es häufig der Fall ist, aber nicht hier).} 26. Qh3 {Jetzt droht
Dxh6+ nebst Matt, und die einzige Verteidigung besteht darin, den h-Bauern
vorzuziehen (Kg7 würde wegen Tg1+ sofort verlieren).} 26... h5 {Damit ist die
schwarze Königsstellung noch etwas luftiger geworden.} 27. exd6 Ra7 28. Be6
{Hou pöbelt nun den Verteidiger von h5 an. Es droht Lxf7 nebst Dxh5+, und
Navara kann den Le6 nicht tauschen wegen Dxh5+ nebst Tg1+ und Matt.} 28... Nf6
{Nun ist h5 wenigstens für den Moment wieder verteidigt. Wie soll der weiße
Angriff denn weitergehen?} (28... Bxe6 $4 29. Qxh5+ Kg7 30. Rg1+ Kf6 31. Qg6#
{, wie in der vorigen Anmerkung bereits erwähnt.} ) 29. f5 $1 {Öffnet dem Ld2
die Diagonale.} 29... Qxd6 {Was sonst? Der weiße Freibauer darf ja nicht einfach so stehen bleiben! Aber der Zug gibt dem weißen Läufer Ld2
ein wichtiges Tempo, um seine Position entscheidend zu verbessern.} 30. Bf4 Qd8
31. Be5 {Dieser Läufer hat nicht nur eine glänzende Zentralposition bezogen, er
fesselt vor allem den Sf6, so dass Lxf7 nebst Dxh5+ droht. Und ein Tausch auf
e6 kommt nicht in Frage, da sich dadurch auch noch die Linie des Tf1 öffnen
würde.} 31... Bg8 {Schwarz gibt den Bh5 freiwillig auf, um den Ta7 nach h7
hinüberschwenken und so an der Verteidigung teilnehmen zu lassen. Hier ist
allerdings die schwarze Stellung wahrscheinlich so und so schon verloren.} 32.
Qxh5+ Rh7 33. Qg5 Qe7 34. Nc1 $1 {Führt die letzte abseits stehende Figur
heran, um den Angriff zu verstärken bzw. abzuschließen. Ziel dieses Springers
ist g6, wo er vernichtend wirken würde.} (34. Bxg8 {würde hier nicht zur
Eroberung einer Figur führen, denn anstatt gleich auf g8 zu nehmen, würde
Schwarz erst} 34... Rg7 {dazwischenschalten und nach einem weißen Damenschach
mit dem König auf g8 nehmen.} ) 34... Qg7 35. Qxg7+ Rxg7 36. Nd3 Rg4 37. Nf4
Kh7 38. h3 Rg3 39. Ng6 {Auch ohne Schachgebot und ohne Gabel gewinnt nun dieser
Zug entscheidendes Material. Nach einem Wegzug des Tf8 hängt der Sf6.} 39...
Rxh3+ (39... Rxg6 40. fxg6+ Kxg6 41. Bxg8 {geht ebenfalls mit Figurengewinn für
Weiß aus.} ) 40. Kg2 {Nach seinem 'Racheschach' gab der tschechische
Spitzenspieler nun gegen die Top-Schachlady auf, nachdem er in der gesamten
Partie nie eine wirkliche Chance gehabt hatte.} 1-0

ich bin einer der stillen Leser. bitte weiter so. Gruß Robert

dass schwarz hier nach zug 33 derart verkeilt ist, dass weiß sich vier tempi zeit nehmen kann, um den springer nach g6 zu manövrieren, ist schon bemerkenswert. man braucht auch die entsprechende spielstärke, um einschätzen zu können, ob ein qualitätsopfer wie in zug 21 sich irgendwann auszahlt.

@japetus1962: Ich finde es gut, wenn die stillen Mitleser sich outen👍 Es gibt bei cm leider keine Zähler, wie oft ein Beitrag angeklickt wurde (was ja immer noch nicht bedeuten würde, dass er auch gelesen wird, aber ein gewisser Anhaltspunkt wäre es doch).

@toby84: Ja, genau diese beiden Punkte, die du ansprichst, fand ich auch so bemerkenswert an der Partie. Nicht die konkreten Berechnungen stehen hier im Vordergrung, sondern die Stellungsbeurteilung. Schwarz hat ja nach dem Qualitätsopfer scheinbar alle Freiheit, sich zu verteidigen, er macht keine Zwangszüge, die man durchrechnen könnte (und müsste), und trotzdem kommt er aus der Situation nicht raus. Am Ende, als der weiße Läufer schon auf e5 steht, ist er gefesselt und geknebelt und kann nur noch auf den Henker (den weißen Springer) warten. Und im Gegensatz zum Krimi kommt hier nicht kurz vor der Hinrichtung noch die Rettung😉

Und das dritte Bemerkenswerte ist für mich, dass der 13. Zug von Schwarz in höherem Sinne für den Verlust verantwortlich ist. Der Bauer a5 wird durch weißes a4 festgelegt und entpuppt sich als Schwäche. Über ein dadurch mögliches Eindringen am Damenflügel schwenkt Weiß dann zum Königsflügel, wo der Rest des Dramas abläuft.

Nachdem Hou Yifan 2007, im Alter von 13 Jahren bereits den WGM-Titel (also Großmeisterin der Frauen) erworben hatte, erspielte sie sich 2008, 14jährig, den allgemeinen GM-Titel, und war damit kurzzeitig sogar die jüngste Person, die zu diesen Ehren gekommen war (bevor Anish Giri ihren Rekord wieder unterbot).
2010 wurde sie dann 16jährig Frauenweltmeisterin. Keiner anderen Frau ist dies auch nur in einem annähernd frühen Alter gelungen.
Vorliegende Partie stammt aus dem Jahr 2016, in dem sie übrigens zum dritten Mal den WM-Titel der Frauen holte.

Hallo zusammen,

ich bin übrigens der andere (zweite?), stille Mitleser. Nicht nur dieses, sondern oft auch einiger anderer Threads.
Und da möchte ich gleich mal Danke sagen für diesen uva interessante Threads u Beiträge.
VG thoflo

Es gibt sogar noch mehr stille Mitleser, wie es scheint. Mich hat ein freundlicher Hinweis erreicht, dass Hou Yifan sogar 4mal die Frauenweltmeisterschaft gewonnen hat. Ich habe das nachgeprüft und ja, Hou hat im Jahr 2010 den Titel errungen, ihn 2011 verteidigt, 2012 an Anna Ushenina (die das Thema der nächsten Folge sein wird) verloren, 2013 hat Hou ihn zurückgewonnen, und blieb dann bis 2015 Weltmeisterin, da 2014 wohl ausnahmsweise kein Titelkampf stattfand (die Gründe habe ich nicht herausgefunden, das wäre ein Fall für SF Oli1970). 2015 errang dann Mariya Muzychuk den Titel, und 2016 eroberte ihn wieder Hou Yifan. Danach stieg sie, wie schon erwähnt, wegen Unzufriedenheit mit dem Austragungsmodus aus dem WM-Zyklus aus, blieb aber unangefochten (bis jetzt) die Nr. in der Frauen-Weltrangliste.

>>thoflo - vor 14 Min.
Hallo zusammen,

ich bin übrigens der andere (zweite?), stille Mitleser. Nicht nur dieses, sondern oft auch einiger anderer Threads.
Und da möchte ich gleich mal Danke sagen für diesen uva interessante Threads u Beiträge.
VG thoflo<<

Danke für das 'Outing'! Jetzt sind mir schon drei stille Mitleser bekannt, zusammen mit dem 'lauten' Mitleser toby haben also mindestens 5 User den Thread wahrgenommen. Dafür lohnt es sich für mich doch schon, die Kommentierten Spiele weiterzuführen!

Da offenbar die 'Daumen' nicht mehr eingeführt werden, wäre es ja nicht schlecht wenn die stillen Mitleser eines Threads oder Beitrags einen solchen öffentlich hinterlassen würden (wenn sie schon keine Worte schreiben wollen). Ein negativer Daumen wäre immer noch besser als überhaupt keine Resonanz, auch wenn ich natürlich eher auf positive Daumen hoffe😉

👍

Auch von mir 👍.

👍

Laut dieser Quelle
britannica.com/biography/Hou-Yifan

gewann Hou Yifan in den Jahren 2010, 2011, 2013 und 2016 den Weltmeistertitel im Frauenschach.

Ja, hab ich oben mittlerweile auch geschrieben, und meiner Verwunderung Ausdruck gegeben, dass 2014 offenbar kein Titelkampf stattfand.

Diese Partie ist die erste der Reihe, wo eine Frau einen Mann besiegt; die bisherigen waren reine Frauenpartien. Könnte darin der Grund liegen, warum sie keine Aufmerksamkeit bekommen haben, diese hier aber schon? Dabei waren zumindest die Partien von Folge 2 bis 4 in meinen Augen deutlich leichter verständlich gewesen als diese, und trotzdem nicht weniger reizvoll. Hier, in ihrem Sieg gegen den tschechischen Top-GM, bietet Hou Yifan tatsächlich das, was ich unter 'großes Schach' verstehe. Die bisherigen Partien waren dem gegenüber nur 'interessantes Schach', da auch zu fehlerbehaftet von der Verliererseite. Hier dagegen wird jemand überspielt, ohne einen einzigen offensichtlichen Fehler gemacht zu haben. Das ist schon sehr beeindruckend.

Die nächste Folge wird wieder eine Frauenweltmeisterin zeigen, die einen Top-Herren besiegt.

Auch von mir ein derzeit stiller 👍. Ich komme derzeit nicht hinterher. Lesen ja, nachspielen nein, Kommentare also auch nein. Sind aber auch einige Partien gewesen in den letzten Wochen. 😄

>> da 2014 wohl ausnahmsweise kein Titelkampf stattfand <<

Die deutsche Wikipedia sagt: „Organisatorische Probleme“: de.m.wikipedia.org/wiki/Schachweltmeisterschaft_der_Frauen

Die englische wird deutlicher - 2014 fehlte Geldgeber und Gastgeber, daher kurzfristig verschoben auf 2015: en.m.wikipedia.org/wiki/Women%27s_World_Chess_Championship_2015

@Oli1970: Danke! Ich hatte deine Kommentare schon vermisst!

>>Sind aber auch einige Partien gewesen in den letzten Wochen. 😄<<

Ja, als Ausgleich dafür, dass es lange Zeit kaum welche gab.

Vor etwa 10 Jahren gab es auch alle paar Tage eine kommentierte Partie.

Das wird jetzt nicht so bleiben, momentan habe ich noch einige ausgewählte, aber keine fertig kommentierte.

Aber die beiden momentanen Reihen (Remispartien und Frauenweltmeisterinnen) werden auf jeden Fall weitergeführt.