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Tata Steel '24: Firouzja schlägt amtierenden Weltmeister!
Vabanque - 22. Jan '24
Gestern schlug Alireza Firouzja den amtierenden Weltmeister Ding Liren in einer sehenswerten Partie. Bereits nach 19 Zügen stand Firouzja auf Gewinn, nachdem er in einer bekannten Stellung des Damengambits mit Weiß im 9. Zug von den vertrauten Pfaden abgewichen war und Ding damit schon früh in Verwicklungen geführt hatte, die der Weltmeister nicht bewältigen konnte.
Freilich zeigt die Partie auch wieder einmal die Bedeutung der Eröffnungsvorbereitung im Turnierschach auf. Firouzja hatte die entsprechende Variante sicher vorher schon sehr gut in Heimanalyse durchdrungen, während Ding sie sehr vermutlich gestern am Brett zum ersten Mal sah.
Die Anmerkungen sind - dem aktuellen Anlass entsprechend - von mir natürlich schnell erstellt und daher sicher nicht besonders tiefgehend und in Teilen vielleicht auch fehlerhaft. Sie sollen lediglich das Nachspielen der Partie erleichtern. Externe Quellen habe ich bei der Kommentierung nicht benutzt, meine eigenen Gedanken aber jeweils kurz mit Engine geprüft. Kritik und Diskussion ist ausdrücklich erwünscht!































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Freilich zeigt die Partie auch wieder einmal die Bedeutung der Eröffnungsvorbereitung im Turnierschach auf. Firouzja hatte die entsprechende Variante sicher vorher schon sehr gut in Heimanalyse durchdrungen, während Ding sie sehr vermutlich gestern am Brett zum ersten Mal sah.
Die Anmerkungen sind - dem aktuellen Anlass entsprechend - von mir natürlich schnell erstellt und daher sicher nicht besonders tiefgehend und in Teilen vielleicht auch fehlerhaft. Sie sollen lediglich das Nachspielen der Partie erleichtern. Externe Quellen habe ich bei der Kommentierung nicht benutzt, meine eigenen Gedanken aber jeweils kurz mit Engine geprüft. Kritik und Diskussion ist ausdrücklich erwünscht!
Firouzja, Alireza Ding, Liren Tata Steel Masters | Wijk aan Zee NED | 8.6 | 2024.01.21 | D32 | 1:0
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1. d4 Sf6 2. c4 e6 3. Sf3 d5 4. Sc3 c5 5. e3 Sc6 Die Symmetrievariante der Tarrasch-Verteidigung des Damengambits. 6. a3 Eine alte und oft gespielte Idee. Statt selber den Königsläufer zu entwickeln, wartet Weiß, dass Schwarz ihn zieht, um dann auf c5 zu tauschen und b4 nebst Lb2 folgen zu lassen. xc4 Schwarz durchkreuzt den weißen Plan und geht mit diesem Zug ins angenommene Damengambit über. 7. Lxc4 a6 Jetzt möchte Schwarz selbst b5 nebst Lb7 spielen. Dies mit a4 zu verhindern, wäre natürlich ein Tempoverlust. 8. La2 Weiß stellt sich auf das kommende b7-b5 ein. Trotzdem ein eher selten anzutreffender Zug. b5 9. Dc2!? Ein Bauernopfer? Eine Neuerung? xd4 10. xd4 Firouzja hat das aber tatsächlich schon einmal gespielt, und zwar in einer Schnellpartie gegen Nepo im August '22. Lb7
Damals hatte Nepo das Bauernopfer angenommen, und nach Sxd4 11. Sxd4 Dxd4 12. Sd5 (die Pointe) Sxd5 13. Dc6+ Ke7 14. Dxa8 De5+ hatte Schwarz die Qualität gegen-geopfert mit unübersichtlichen Verwicklungen, die schließlich in ein Remis mündeten. Es ist wohl anzunehmen, dass Ding diese Partie nicht gekannt hat. Er spielt zunächst solide, und damit haben wir schon nach 10 Zügen eine Stellung, die bisher vermutlich tatsächlich noch nie vorgekommen ist - eine absolute Seltenheit im Spitzenschach!
11. d5! Der verschmähte Bauer besteht darauf, doch noch geopfert zu werden! xd5 12. Lg5 Le7 Weiß könnte seinen Bauern jetzt mit Lxf6 nebst Sxd5 wiedergewinnen, aber das liegt nicht in seinem Interesse. Er strebt nach rascher Figurenentwicklung, um den Druck zu erhöhen. 13. Td1 d4?! Der Bauer möchte sich so teuer wie möglich verkaufen. Wahrscheinlich hätte Schwarz aber doch besser gleich rochiert. Im Folgenden spielt Ding zu riskant. 14. O-O O-O 15. Tfe1 Weiß hat nun alle Figuren in klassischer Weise entwickelt, während Schwarz mit der Entwicklung im Rückstand ist, insbesondere fehlt ihm noch die Verbindung der Türme, die er jetzt mit Dd6 hätte herstellen können. b4?! Das sieht eigentlich wie eine gute Idee aus, zumindest stellt der Zug Weiß scheinbar vor Probleme, denn axb4 Sxb4 kommt nicht in Frage für Weiß. Andererseits hängt ja jetzt der Sc3 wirklich, und zudem auch noch der Ba3. 16. Lb1! Der Läufer wechselt die Diagonale, und schon hat Weiß eine mächtige Batterie gegen den schwarzen König aufgebaut. Es droht bereits Lxf6 nebst Dxh7#. g6 Schwarz muss sich wohl oder übel zu diesem schwächenden Zug entschließen. Dass insbesondere das Feld f6 nun nicht mehr von einem Bauern überdeckt wird, nutzt Firouzja sofort aus. 17. Txe7! Sxe7 Erzwungen. 18. Txd4! Durch das Qualitätsopfer auf e7 ist der Sc6 von der Deckung von d4 abgelenkt worden. Dc7? Bereits der entscheidende Fehler. Ding hat wohl den nächsten weißen Zug nicht gesehen oder aber unterschätzt. 19. Se4! Auf einmal hängt die schwarze Dame, und gleichzeitig steht der Sf6 mit Schach ein! Schwarz verliert den Sf6, und damit behält Weiß 2 Leichtfiguren gegen einen Turm (da er vorher die Qualität gegeben hatte). In höherem Sinne ist die Partie damit bereits vorbei. Dxc2 20. Sxf6+ Kg7 21. Lxc2 Tac8 Schwarz versucht noch die schwache (?) weiße Grundreihe auszunutzen. Er kann kein Material zurückbekommen: 22. Sg4! Deckt den Lc2 indirekt durch die Drohung von Matt in 2! Sg8 23. Lb3 xa3 24. xa3 Tc3 Schwarz hofft, wenigstens noch einen Bauern zu bekommen. 25. Tb4 Lxf3 26. xf3 Txf3 Dies wird eine Reise ohne Wiederkehr, aber die Partie war ohnehin verloren. 27. Se3 Schneidet den Turm ab. h6 28. Ld1 Txf2 29. Lxh6+ Sxh6 30. Kxf2 Natürlich könnte Ding hier aufgeben. Aber erstens war er wohl noch unter Schock, schon nach 19 Zügen auf Verlust gestanden zu haben, und zweitens sind sehr wenig Bauern auf dem Brett. Wenn es Schwarz gelänge, auch noch die letzten beiden weißen Bauern zu tauschen oder zu erobern, könnte Weiß mit der Mehrfigur nicht gewinnen. Die Hoffnung stirbt zuletzt ... Td8 31. Ke2 Td6 32. Lb3 Tf6 33. a4 Tc6 34. Lc4 f5 35. Tb7+ Kf6 36. Th7 Sg4 37. Sxg4+ xg4 38. Ld3 Tb6 39. Ta7 Jetzt fällt auch noch den Bauer a6. Tb2+ 40. Ke3 Txh2 41. Txa6+ Ke5 42. Ta5+ Kf6 43. Ke4 Der weiße a-Bauer wird das Spiel machen. Der doppelte schwarze g-Bauer dagegen hat keine Chance auf Umwandlung, ihn hält der weiße König sogar schon allein auf. Ding hatte genug und streckte die Waffen.
Vabanque - 22. Jan '24
Bin ich der einzige, den diese Partie beeindruckt?😮
cutter - 22. Jan '24
Natürlich nicht. Ich hatte schon 2 Analysen vorher gesehen...
Eine tolle Partie...
Eine tolle Partie...
Vabanque - 22. Jan '24
Edited
Ok, dann kam meine Kommentierung also doch zu spät, obwohl ich mich so beeilt habe☹
Die anderen Kommentatoren waren sicher kompetenter als ich ... aber ich wollte auch keine Analyse geben, sondern nur einfache Verständnishilfen zum Nachspielen, das ist ein Unterschied zu einer Analyse.
Die anderen Kommentatoren waren sicher kompetenter als ich ... aber ich wollte auch keine Analyse geben, sondern nur einfache Verständnishilfen zum Nachspielen, das ist ein Unterschied zu einer Analyse.
Oli1970 - 22. Jan '24
Ich hatte heute Mittag das Vergnügen bei Daniel King, ohnehin einer meiner Favoriten. Der titelte „Caught in a trap“. 😀
youtu.be/z8I3UcjclNw?si=p1V7bJjXOv-2qWOH
In Deine Kommentierung reinschauen werde ich natürlich auch noch, ganz klar!
youtu.be/z8I3UcjclNw?si=p1V7bJjXOv-2qWOH
In Deine Kommentierung reinschauen werde ich natürlich auch noch, ganz klar!
Vabanque - 22. Jan '24
War ja auch eher für diejenigen gedacht, die noch keine andere Kommentierung kennen.
schach2018 - 22. Jan '24
Edited
Ich lese deine Kommentierung auch. Inwieweit ich das alles nachvollziehen kann, ist eine ganz andere Frage! 😄
Indem du aber bestimmte reale Turnierpartien zusätzlich zu den im Internet vorkommenden Analysen von bekannten GM/ IM oder anderweitigen Schachseiten, die auch die Engines für ihre Analyse zur Hilfe nehmen, kommentierst, hebst du doch nur die Bedeutung der gespielten Partien nochmals für uns hervor, und zwar aus deiner Sichtweise, was ich auch gut finde.
Vielleicht motivierst du damit andere User dazu, die Partien nachzuspielen. :))
Indem du aber bestimmte reale Turnierpartien zusätzlich zu den im Internet vorkommenden Analysen von bekannten GM/ IM oder anderweitigen Schachseiten, die auch die Engines für ihre Analyse zur Hilfe nehmen, kommentierst, hebst du doch nur die Bedeutung der gespielten Partien nochmals für uns hervor, und zwar aus deiner Sichtweise, was ich auch gut finde.
Vielleicht motivierst du damit andere User dazu, die Partien nachzuspielen. :))
Vabanque - 22. Jan '24
Naja, normalerweise kommentiere ich hier ja nur Partien, die nicht sowieso schon jeder kommentiert. Ausnahmsweise habe ich es mal mit einer brandaktuellen Partie probiert.
Vabanque - 22. Jan '24
Ich hätte ja auch den Sieg von Eline Roebers gegen Niemann kommentieren können, aber diese Partie schien mir mit Ausnahme der Phase, wo sie kippte, dann doch nicht so ergiebig. Außerdem kamen ja bereits meine Bemerkungen dazu in dem anderen Thread nicht gerade gut an:
/forum/thread.html?key=nWwr2UyYxH7j&sv=12
/forum/thread.html?key=nWwr2UyYxH7j&sv=12
schach2018 - 22. Jan '24
Als Leser trenne ich Meinungsäußerung von Kommentierung. Daher habe ich keine Probleme damit.
Warum soll man nicht auch mal Partien von aufstrebenden Turnierspielern kommentieren, die einem nicht so ergiebig erscheinen?
Warum soll man nicht auch mal Partien von aufstrebenden Turnierspielern kommentieren, die einem nicht so ergiebig erscheinen?
Vabanque - 22. Jan '24
Mein Prinzip ist ganz einfach: Ich stelle hier in dieser Rubrik keine Spieler vor, sondern Partien. Es ist mir dabei in der Regel völlig egal, ob die Spieler bekannt oder unbekannt, ob sie Top-GM oder Bezirksligaspieler sind, ob sie aufstrebend oder absteigend sind, es ist die Partie selbst, die mich zum Kommentieren reizen muss (denn sonst kommentiere ich sie nicht). Insofern erstelle ich die Kommentare eigentlich zunächst einmal für mich selbst. (Bei mir liegen auch etliche kommentierte Partien auf der Festplatte rum, die ich hier nie gebracht habe, weil sie mir nicht spektakulär genug erschienen.) Trotzdem wäre es natürlich schön, wenn meine Kommentare auch interessierte Leser finden, und noch schöner wäre es, wenn jemand meine Kommentare verständlich und erhellend findet😀
schach2018 - 22. Jan '24
Jeder muss das für sich entscheiden! Keine Frage! 😉😄
Gerade die spektakulären Partien, egal von wem sie gespielt werden, werden erst recht im Internet viele Kommentatoren finden. 😉
Gerade die spektakulären Partien, egal von wem sie gespielt werden, werden erst recht im Internet viele Kommentatoren finden. 😉
Vabanque - 22. Jan '24
>>Gerade die spektakulären Partien, egal von wem sie gespielt werden, werden erst recht im Internet viele Kommentatoren finden. 😉<<
Für die aktuellen Partien gilt das wohl im Allgemeinen schon, und auch für die wirklich berühmten historischen Partien.
Aber gerade unter den alten Partien findet man enorm viele völlig unbekannte Perlen, die vielleicht mal in einem alten Schachbuch aufgetaucht sind, aber bisher kaum oder sogar gar nicht kommentiert worden sind.
Für die aktuellen Partien gilt das wohl im Allgemeinen schon, und auch für die wirklich berühmten historischen Partien.
Aber gerade unter den alten Partien findet man enorm viele völlig unbekannte Perlen, die vielleicht mal in einem alten Schachbuch aufgetaucht sind, aber bisher kaum oder sogar gar nicht kommentiert worden sind.