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Eine Geheimwaffe gegen die Philidor-Verteidigung?

Vabanque - 17. Jan '24
In der vorigen Folge der Kommentierten Spiele habe ich eine Partie vorgestellt, wo Tartakower die Philidor-Verteidigung spielte und schnell das Opfer wohlgezielter (schachlicher!) Kinnhaken wurde.
Merkwürdigerweise aus dem gleichen Jahr stammt die vorliegende Partie, in der die Philidor-Verteidigung noch rascher zerschlagen wird.
Dabei ist die Stellung nach dem 4. Zug von Schwarz doch eine, die recht häufig vorkommt, vor allem auch im Spiel unter Amateuren.
Die Partie kann also (zumindest in meinen Augen) als ein echter Fund gelten, indem sie eine Art 'Geheimwaffe' gegen den schwarzen Aufbau vorführt, die nicht nur funktioniert, wenn Schwarz die hier geschehenen Fehler macht, sondern die Weiß auch bei korrekter Entgegnung von Schwarz ein gutes Spiel verschafft.
Nach dem sehr plausiblen 6. Zug von Schwarz (Le7) erobert Weiß mindestens einen Mehrbauern. Auf den krassen Fehler des Schwarzen im 8. Zug darf man freilich nicht rechnen.

Dührssen Gräf Berlin | 1937 | C41 | 1:0
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. e4 e5 2. Sf3 d6 3. d4 Sd7 4. Lc4 c6
Die Philidor-Verteidigung ist voller Fallstricke für Schwarz, z.B. Le7? 5. xe5! xe5??
Sxe5? 6. Sxe5 xe5 7. Dh5 mit Drohungen gegen f7 und e5 ist nur wenig besser
6. Dd5 und Schwarz kann die Mattdrohung auf f7 nur unter Figurenverlust abwehren: Sh6
Lb4+ 7. c3 De7 8. xb4
7. Lxh6 O-O
5. Sg5!? Scheinbar ein verfrühter Angriff ohne genügende Entwicklung, wie er so oft in Büchern für Anfänger verurteilt wird. In Wirklichkeit handelt es sich aber um eine äußerst giftige Fortsetzung, gegen die Schwarz sich sehr präzise verteidigen muss.
Entwicklungszüge wie 5. O-O
oder 5. Sc3 sind objektiv gesehen ebenso gut, geben Schwarz aber nicht so 'schöne' Gelegenheiten, schnell zu verlieren.
Sh6 Die einzige Deckung von f7. 6. O-O Le7? Auf diesen 'offensichtlichen' Zug (der g5 angreift und die Rochade vorbereitet) hat Weiß gewartet!
Am besten spielt Schwarz wohl xd4 7. Dxd4 Df6 nebst Le7.
7. Se6! xe6 Auf einen Damenzug folgt Sxg7+ nebst Lxh6 und Figurgewinn. 8. Lxh6 xh6?? O Graus! Nun wird es gleich Matt.
Mit Lf6 9. Lxe6!
Von 9. Dh5+ Ke7 hätte Weiß gar nichts
De7 könnte Schwarz den weißen Angriff unter Bauernverlust noch abschlagen.
xh6?? geht ja wieder nicht wegen Matt in 2
9. Dh5+ Kf8 10. Lxe6 De8 Es gibt keine andere Verteidigung gegen Df7#. 11. Dxh6# Ein schönes 'Zweiläufermatt', denn ein Läufer auf h6 würde hier zum Mattsetzen genügen.
PGN anzeigen[Event "?"]
[Site "Berlin"]
[Date "1937"]
[Round "?"]
[White "Dührssen"]
[Black "Gräf"]
[Result "1-0"]
[ECO "C41"]

1. e4 e5 2. Nf3 d6 3. d4 Nd7 4. Bc4 c6 ( {Die Philidor-Verteidigung ist voller
Fallstricke für Schwarz, z.B.} 4... Be7 $2 5. dxe5 $1 dxe5 $4 (5... Nxe5 $2 6.
Nxe5 dxe5 7. Qh5 {mit Drohungen gegen f7 und e5 ist nur wenig besser} ) 6. Qd5
{und Schwarz kann die Mattdrohung auf f7 nur unter Figurenverlust abwehren:}
6... Nh6 (6... Bb4+ 7. c3 Qe7 8. cxb4) 7. Bxh6 O-O) 5. Ng5 $5 {Scheinbar ein
verfrühter Angriff ohne genügende Entwicklung, wie er so oft in Büchern für
Anfänger verurteilt wird. In Wirklichkeit handelt es sich aber um eine äußerst
giftige Fortsetzung, gegen die Schwarz sich sehr präzise verteidigen muss.} (
{Entwicklungszüge wie} 5. O-O) ( {oder} 5. Nc3 {sind objektiv gesehen ebenso
gut, geben Schwarz aber nicht so 'schöne' Gelegenheiten, schnell zu verlieren.}
) 5... Nh6 {Die einzige Deckung von f7.} 6. O-O Be7 $2 {Auf diesen
'offensichtlichen' Zug (der g5 angreift und die Rochade vorbereitet) hat Weiß
gewartet!} ( {Am besten spielt Schwarz wohl} 6... exd4 7. Qxd4 Qf6 {nebst
Le7.} ) 7. Ne6 $1 fxe6 {Auf einen Damenzug folgt Sxg7+ nebst Lxh6 und
Figurgewinn.} 8. Bxh6 gxh6 $4 {O Graus! Nun wird es gleich Matt.} ( {Mit} 8...
Bf6 9. Bxe6 $1 ( {Von} 9. Qh5+ Ke7 {hätte Weiß gar nichts} ) 9... Qe7 {könnte
Schwarz den weißen Angriff unter Bauernverlust noch abschlagen.} (9... gxh6 $4
{geht ja wieder nicht wegen Matt in 2} ) ) 9. Qh5+ Kf8 10. Bxe6 Qe8 {Es gibt
keine andere Verteidigung gegen Df7#.} 11. Qxh6# {Ein schönes 'Zweiläufermatt',
denn ein Läufer auf h6 würde hier zum Mattsetzen genügen.} 1-0
Tschechov - 17. Jan '24
Was für eine Demontage. Ob die Philidor-Verteidigung damit widerlegt ist, sei dahingestellt. In jedem Fall scheint es aber so zu sein, daß man mit Schwarz schon sehr genau spielen muss, um nicht rasch in Nachteil zu geraten.
Vabanque - 17. Jan '24
Ja, Letzteres trifft zu. Man muss, wenn man diese Eröffnung spielt, von Anfang an sehr gut aufpassen.
Tschechov - 17. Jan '24
Das gilt natürlich nicht nur für diese Verteidigung, sondern etwa auch für das Königsgambit oder die französische Verteidigung (finde ich zumindest), aber die sind giftiger als die Philidor-Verteidigung, das Risiko vor allem beim Königsgambit lohnt sich also eher.
toby84 - 17. Jan '24
das hat schon eröffnungsfallen-potenzial 😳
Alapin2 - 17. Jan '24
Ach, dazu könnte ich eine ganze Seite schreiben...
Nur soviel : Nach meiner alten Theoriekenntnis gilt schon lange, in Bezug auf die Hanham - Variante (die mit Sd7 und Verteidigung des Be5), daß es genauer ist, erst 3)... Sf6 und dann erst 4)...Sbd7 zu spielen. Es gibt bei o. a. Zugfolge noch mehr gute Manöver für Weiß.
Schlechter - Aljechin Hamburg (?), 1910, Läuferpaar für Weiß, weiß nicht mehr, wie es ausging.
Canal_Prins - 17. Jan '24
Alapin 2

Schlechter gewann die Partie gegen Alechin und gewann auch das Turnier in Hamburg.

Ein Kommentar eines Schachspielers:

1 d4 e6 2 Bf4 g5! (The London gives Black equality which means something only at the world title level. Long as you don't want to become a champion it's a good opening). 1 d4 e6 2 Bf4 c5 is fine. There are no "magic openings" also the QID setup does very well against it.
Vabanque - 17. Jan '24
Ja, die erwähnte Partie Schlechter - Aljechin arbeitet mit ähnlichen Motiven, es ist aber eine etwas andere Zugfolge als bei obiger Partie.
Vabanque - 17. Jan '24 Edited
>>Alapin2(F) - vor 3 Std.
Ach, dazu könnte ich eine ganze Seite schreiben...
Nur soviel : Nach meiner alten Theoriekenntnis gilt schon lange, in Bezug auf die Hanham - Variante (die mit Sd7 und Verteidigung des Be5), daß es genauer ist, erst 3)... Sf6 und dann erst 4)...Sbd7 zu spielen.<<

Danke. Das erklärt dann auch, warum bei der Zugfolge in der Partie Schwarz bereits im 6. Zug in Verlegenheit ist, eine gute Fortsetzung zu finden. Der von mir dort vorgeschlagene Bauerntausch auf d4 widerspricht ja dem eigentlichen Ziel des Schwarzen in dieser Variante, den Stützpunkt e5 zu behaupten. Außerdem hat nach erfolgtem c6 Schwarz dann einen rückständigen Bauern auf d6. Trotzdem scheint es da schon keine Möglichkeit mehr zu geben, die geplante Strategie weiterzuführen. Doch halt, 6... Dc7 könnte Schwarz zu diesem Zweck noch versuchen, das müsste analysiert werden.
Vabanque - 18. Jan '24
>>Schlechter - Aljechin Hamburg (?), 1910, Läuferpaar für Weiß, weiß nicht mehr, wie es ausging.<<

In der Tat, das war wirklich in Hamburg! Schlechter hatte am Ende das Läuferpaar gegen einen schwarzen Turm und gewann sehenswert.

Und hier noch ein Hamburger Sieg gegen Philidor, den ich soeben gefunden habe:

Paul Saladin Leonhardt NN Hamburg | Hamburg GER | 1912 | C41 | 1:0
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. e4 e5 2. Sf3 d6 3. d4 Sd7 4. Lc4 c6 5. Sg5 Sh6 Bisher wie in obiger Partie. 6. a4 In der obigen Partie rochierte Weiß. Der Textzug ist noch mehr 'auf Falle' gespielt. Scheinbar wird dadurch nur schwarzes b5 verhindert, der wirkliche Sinn des Zuges offenbart sich aber schnell nach dem folgenden 'plausiblen' schwarzen Zug. Le7? Der gleiche Fehler wie in der anderen Partie! Hier jedoch spielt Weiß nicht auf Königsangriff, sondern auf die Eroberung der schwarzen Dame. 7. Lxf7+! Macht das Feld e6 dem Sg5 zugänglich. Sxf7 8. Se6 Db6
Auch auf den einzigen anderen Damenzug geht sie letztlich hopps: Da5+ 9. Ld2 Db6 (nach a6 darf sie ja wegen der Gabel auf c7 nicht) 10. a5 Dxb2 (auch auf b5 wird sie durch die Gabel erobert) 11. Lc3 Db5 12. Sc7+
9. a5 Db4+ (auf a6 und b5 wird sie durch Sc7+ 'aufgegabelt' 10. c3 Dc4 Greift den Se6 an, daher nicht sofort b3, sondern: 11. Sc7+ Kd8 12. b3 und die schwarze Lady hat kein Feld mehr, daher: aufgegeben.
PGN anzeigen[Event "Hamburg"]
[Site "Hamburg GER"]
[Date "1912.??.??"]
[Round "?"]
[White "Paul Saladin Leonhardt"]
[Black "NN"]
[Result "1-0"]
[WhiteElo "?"]
[BlackElo "?"]
[ECO "C41"]

1. e4 e5 2. Nf3 d6 3. d4 Nd7 4. Bc4 c6 5. Ng5 Nh6 {Bisher wie in obiger
Partie.} 6. a4 {In der obigen Partie rochierte Weiß. Der Textzug ist noch mehr
'auf Falle' gespielt. Scheinbar wird dadurch nur schwarzes b5 verhindert, der
wirkliche Sinn des Zuges offenbart sich aber schnell nach dem folgenden
'plausiblen' schwarzen Zug.} 6... Be7 $2 {Der gleiche Fehler wie in der anderen
Partie! Hier jedoch spielt Weiß nicht auf Königsangriff, sondern auf die
Eroberung der schwarzen Dame.} 7. Bxf7+ $1 {Macht das Feld e6 dem Sg5
zugänglich.} 7... Nxf7 8. Ne6 Qb6 ( {Auch auf den einzigen anderen Damenzug
geht sie letztlich hopps:} 8... Qa5+ 9. Bd2 Qb6 {(nach a6 darf sie ja wegen der
Gabel auf c7 nicht)} 10. a5 Qxb2 {(auch auf b5 wird sie durch die Gabel
erobert)} 11. Bc3 Qb5 12. Nc7+) 9. a5 Qb4+ {(auf a6 und b5 wird sie durch Sc7+
'aufgegabelt'} 10. c3 Qc4 {Greift den Se6 an, daher nicht sofort b3, sondern:}
11. Nc7+ Kd8 12. b3 {und die schwarze Lady hat kein Feld mehr, daher:
aufgegeben.} 1-0

Vabanque - 18. Jan '24
>>Alapin2(F) - vor 4 Std.
Ach, dazu könnte ich eine ganze Seite schreiben...<<

Schreib doch, bitte ... mich zumindest interessiert's!👍