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Der Opferkönig von Bremen
Oli1970 - 24. Mär '25
"Carl Otto Hartlaub (* 12. Oktober 1869 in Bremerhaven; † 15. Mai 1929 in Bremen) war Rechtsanwalt und ein bekannter deutscher Schachspieler. Er verdankt seine gewisse Berühmtheit als Schachspieler nicht so sehr seiner Spielstärke als vielmehr seinem Stil, der der sogenannten 'romantischen' Epoche des Schachs verpflichtet war." So beginnt der Wikipedia-Eintrag.
Der "Opferkönig von Bremen" gewann gegen Emanuel Lasker, Curt von Bardeleben, Richard Teichmann und Paul Saladin Leonhardt. Hartlaub war ein äußerst produktiver Schachkomponist. Auch eine Eröffnung trägt seinen Namen - das Hartlaub-Gambit! Laut Namensgeber verschafft „dieses von der Theorie bisher unbeachtet gelassene Gambit […] dem Nachziehenden, bei rapider Entwicklung des Damenflügels, ein nachhaltiges Angriffsspiel“.
Die Bremer Schachgesellschaft von 1877 hat ganze Arbeit geleistet und Carl Hartlaub mit dem Hartlaub-Projekt und dem Wikipedia-Eintrag ein Denkmal gesetzt. Wer neugierig geworden ist, hier zum Einlesen:
[1] Wikipedia: de.wikipedia.org/wiki/Carl_Hartlaub
[2] Das Hartlaub-Projekt: bremersg.de/fast-alles-%C3%BCber-uns/geschichte-und-geschichte..
[3] Hartlaub-Gambit: de.wikipedia.org/wiki/Hartlaub-Gambit
[4] Artikel in KARL 1/2019, via Hartlaub-Projekt: bremersg.de/app/download/5816469831/AC_CH_Karlx.pdf
Auch eine Partiensammlung fehlt nicht, antiquarisch zu erwerben ist vielleicht noch "Dr. Hartlaub's Glanzpartien". Für chessmail sollen drei Kommentierungen des weniger bekannten deutschen Schachspielers Oli1970 zum Glanze Hartlaubs beitragen. :-)































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Der "Opferkönig von Bremen" gewann gegen Emanuel Lasker, Curt von Bardeleben, Richard Teichmann und Paul Saladin Leonhardt. Hartlaub war ein äußerst produktiver Schachkomponist. Auch eine Eröffnung trägt seinen Namen - das Hartlaub-Gambit! Laut Namensgeber verschafft „dieses von der Theorie bisher unbeachtet gelassene Gambit […] dem Nachziehenden, bei rapider Entwicklung des Damenflügels, ein nachhaltiges Angriffsspiel“.
Die Bremer Schachgesellschaft von 1877 hat ganze Arbeit geleistet und Carl Hartlaub mit dem Hartlaub-Projekt und dem Wikipedia-Eintrag ein Denkmal gesetzt. Wer neugierig geworden ist, hier zum Einlesen:
[1] Wikipedia: de.wikipedia.org/wiki/Carl_Hartlaub
[2] Das Hartlaub-Projekt: bremersg.de/fast-alles-%C3%BCber-uns/geschichte-und-geschichte..
[3] Hartlaub-Gambit: de.wikipedia.org/wiki/Hartlaub-Gambit
[4] Artikel in KARL 1/2019, via Hartlaub-Projekt: bremersg.de/app/download/5816469831/AC_CH_Karlx.pdf
Auch eine Partiensammlung fehlt nicht, antiquarisch zu erwerben ist vielleicht noch "Dr. Hartlaub's Glanzpartien". Für chessmail sollen drei Kommentierungen des weniger bekannten deutschen Schachspielers Oli1970 zum Glanze Hartlaubs beitragen. :-)
Hartlaub, Carl Lasker, Emanuel Bremen sim | Bremen GER | 1904.01.28 | C56 | 1:0
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Dr. Carl Hartlaub verdankt seine gewisse Berühmtheit als Schachspieler nicht so sehr seiner Spielstärke als vielmehr seinem Stil, der der sogenannten 'romantischen' Epoche des Schachs verpflichtet war. Er besaß laut Robert Hübner ein „feines Gespür für frühzeitige rasche und überraschende Attacken“ und war nach den Worten Emanuel Laskers ein kühner „Spieler von außerordentlicher Fantasie“. Lasker spielte mehrmals Simultanturniere in Bremen, ungewöhnlich, da mit den schwarzen Figuren. Hartlaub gelang es zweimal, den Weltmeister in Kurzpartien zu besiegen. 1. e4 e5 2. Lc4 Sc6 3. Sf3 Sf6 4. d4 xd4 5. O-O Sxe4 6. Te1 d5 7. Lxd5 Dxd5 8. Sc3 Dd8 Zweispringerspiel. Eine alternative, gleich beliebte Fortsetzung wäre nun Sxe4. 9. Txe4+ Le6 10. Sxd4 Sxd4 11. Txd4 Dc8 12. Lf4?! Le7?! Lasker verpasste die richtige Antwort Lc5, die das Spiel ausgeglichen hält. 13. Sb5 Ld8?? 14. Txd8+ Dxd8 ist erzwungen. 15. Sxc7+ Ke7 Damit der Th8 ins Spiel kommen kann. 16. De1 Dc8 Fordert Weiß zu einer Entscheidung zum Schicksal des Springers. 17. Db4+ Kf6 18. Dc3+ Ke7?? Die Rückkehr nach e7 führt ins Matt.
Kg6! Der König steht zwar offen auf dem Feld, der Zug hielte Schwarz aber weiter im Spiel.
19. Dc5+! Hartlaub findet den richtigen Gewinnweg. Kd8 20. Td1+ Ld7 21. Se6+ Lasker gab auf, das Matt ist unvermeidbar. Hartlaub, Carl Lasker, Emanuel GER tour sim | Bremen GER | 1908 | C42 | 1:0
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Das zweite Aufeinandertreffen zwischen Dr. Carl Hartlaub und Emanuel Lasker, Weltmeister und bester Deutscher Schachspieler bei einem Simultanturnier. Der Weltmeister übersieht ein Opfer und verliert in nur 17 Zügen gegen den Amateur. 1. e4 e5 2. Lc4 Sf6 3. Sf3 Sxe4 4. Sc3 Sxc3 5. xc3 Boden-Kieseritsky Gambit. f6 6. O-O c6?? Lasker tappt in eine Eröffnungsfalle! 7. Sxe5 d5 8. Dh5+ g6 9. Sxg6 xg6 Ein Zwischenschach mit Te1+ wäre ebenfalls gut. 10. Dxh8 xc4 Lasker holt Material, verschlechtert die bereits verlorene Stellung dadurch noch weiter. 11. Lh6 Le6 12. Dxf8+ Kd7 13. Tad1+ Die Partie ist seit einigen Zügen bereits ein Selbstläufer. Weicht Schwarz mit dem König aus, setzt Dxd8 matt. Ld5 14. Tfe1 Objektiv nicht der stärkste Zug, jedoch verbleibt dem Schwarzspielenden nach Tausch praktisch kein aktives Material. Sa6 Folgerichtig überlässt Lasker die Entscheidung Dr. Hartlaub und befreit seinen Turm mit dem unglücklichen Springerzug. 15. Df7+ Kd6 Kc8 retter zwar den König, aber wozu noch? 16. Txd5+ xd5 17. Te6+ Dr. Hartlaub hat den Weltmeister erneut besiegt.
Hartlaub, Carl Teichmann, Richard Leipzig | Leipzig GER | 1 | 1922 | A00 | 1:0
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Alles andere als eine Glanzpartie - sowohl vom Amateur Hartlaub als auch vom ehemaligen Weltklassespieler Teichmann. Hartlaub wird seinem Ruf als Opferkönig gerecht, er stiftet offenbar soviel Verwirrung, dass Teichmann eine bereits sichere Partie verliert. 1. b4 d5 2. Lb2 f5 Teichmanns Antwort wirkt etwas sonderbar. Vielleicht wollte er den Amateur Hartlaub raus aus der Theorie ziehen. 3. e3 Sf6 4. f4 e6 5. Sf3?! Ein Entwicklungszug, der allerdings den Bb4 verschenkt. Lxb4 6. Sc3 O-O 7. Sg5 h6 8. h4?! Hartlaub fand bisher schon nicht die besten Züge. Er bietet hier offenbar den Springer an, um die Linie für seinen Turm zu öffnen. Sg4 9. Ld3 xg5 10. xg5 c5 11. Sb5?! Soll die Diagonale für den Lb2 öffnen, opfert aber auch den Springer, wenn die Diagonale frei sein soll.
11. Df3 mit der Absicht Dh3 etc. wäre sicherlich zu bevorzugen.
a6 12. Th7?! Hartlaub lässt den Springer stehen und schickt gleich den Turm auf den Altar hinterher. Tf7?? 13. g6?? Auch Hartlaub verpasst seine Chance. Tf6 14. Ke2 Die Dame soll auf die h-Linie nachfolgen können. Txg6 15. Dh1 Sh6 16. Txg7+ Txg7 17. Dxh6 De7 Lb2 beachten! 18. Sd6 Ld7?? Hier merkt man deutlich, dass Teichmann über seinem Zenit ist. Der einzig richtige Zug war Df8. 19. Th1 Kf8 Teichmann kürzt das Ende ab. 20. Dh8+ Tg8 21. Dxg8+ Kxg8 22. Th8#
Vabanque - 24. Mär '25
Edited
Danke für diesen Beitrag, SF Oli1970!👍
Ich habe mir diese drei Partien (kurz) angeschaut, und ich bin doch sehr erstaunt, wie Lasker und auch Teichmann in diesen Partien gespielt haben, auch wenn die Lasker-Partien Simultanpartien waren. Zumindest beim zweiten Mal hätte Lasker doch eigentlich seinen früheren Besieger wiedererkennen und auf der Hut sein müssen?
Bei der ersten Partie gegen Lasker wundert mich die Anmerkung zum 12. Zug. Auf Lg5 kann Schwarz doch sowohl f6 wie auch Le7 versuchen, um dem Damenverlust zu entgehen? (Das ist natürlich nur ein flüchtiger Blick.)
Die Mattsetzung nach 18... Ke7 wäre auch eine Aufgabe wert gewesen😉
Bei der Teichmann-Partie frage ich mich, was Weiß auf 19... Th7 (statt Kf8) gespielt hätte.
Ich habe mir diese drei Partien (kurz) angeschaut, und ich bin doch sehr erstaunt, wie Lasker und auch Teichmann in diesen Partien gespielt haben, auch wenn die Lasker-Partien Simultanpartien waren. Zumindest beim zweiten Mal hätte Lasker doch eigentlich seinen früheren Besieger wiedererkennen und auf der Hut sein müssen?
Bei der ersten Partie gegen Lasker wundert mich die Anmerkung zum 12. Zug. Auf Lg5 kann Schwarz doch sowohl f6 wie auch Le7 versuchen, um dem Damenverlust zu entgehen? (Das ist natürlich nur ein flüchtiger Blick.)
Die Mattsetzung nach 18... Ke7 wäre auch eine Aufgabe wert gewesen😉
Bei der Teichmann-Partie frage ich mich, was Weiß auf 19... Th7 (statt Kf8) gespielt hätte.
Oli1970 - 25. Mär '25
Zur Variante im 12. Zug der ersten Lasker-Partie: Angegeben habe ich die beste Verteidigung, in diesem Fall das deutlich kleinere Übel laut Stockfish. In beiden Fällen kann der Läufer einfach schlagen und die schwarze Königsstellung wäre desolater als nach dem Damenverlust.
In der Teichmann-Partie wäre wohl Dg6+, nach Tg7 dann Lf6, da der Turm nicht schlagen darf. Weiß stand in einem gewonnenen Endspiel, es hätte nur länger gedauert.
Ich weiß nicht mehr, wie ich auf Hartlaub gekommen bin. Die Partien waren häufig genannt, auch in den o. a. Quellen. Außergewöhnlich schön finde ich sie eigentlich nicht, aber da sie schon ein paar Monate auf meiner Festplatte rumdümpeln, warum nicht bringen, dachte ich. Daher alle drei zusammen statt einzeln, ein paar Highlights gibt es ja doch und aus der Sicht des Amateurs, der einen Meister schlägt, sind sie natürlich glanzvoll. Mir gefällt, dass die Bremer ihren „Stars“ so ein Denkmal setzen, da steckt viel Mühe drin. Die Webseite ist wirklich einen Blick wert.
In der Teichmann-Partie wäre wohl Dg6+, nach Tg7 dann Lf6, da der Turm nicht schlagen darf. Weiß stand in einem gewonnenen Endspiel, es hätte nur länger gedauert.
Ich weiß nicht mehr, wie ich auf Hartlaub gekommen bin. Die Partien waren häufig genannt, auch in den o. a. Quellen. Außergewöhnlich schön finde ich sie eigentlich nicht, aber da sie schon ein paar Monate auf meiner Festplatte rumdümpeln, warum nicht bringen, dachte ich. Daher alle drei zusammen statt einzeln, ein paar Highlights gibt es ja doch und aus der Sicht des Amateurs, der einen Meister schlägt, sind sie natürlich glanzvoll. Mir gefällt, dass die Bremer ihren „Stars“ so ein Denkmal setzen, da steckt viel Mühe drin. Die Webseite ist wirklich einen Blick wert.
Vabanque - 25. Mär '25
>>In der Teichmann-Partie wäre wohl Dg6+, nach Tg7 dann Lf6, da der Turm nicht schlagen darf. Weiß stand in einem gewonnenen Endspiel, es hätte nur länger gedauert.<<
Stimmt, das macht Sinn!
>>Außergewöhnlich schön finde ich sie eigentlich nicht, aber da sie schon ein paar Monate auf meiner Festplatte rumdümpeln, warum nicht bringen, dachte ich. Daher alle drei zusammen statt einzeln, ein paar Highlights gibt es ja doch und aus der Sicht des Amateurs, der einen Meister schlägt, sind sie natürlich glanzvoll.<<
Sehe ich genauso. Partien 'aus einem Guss' sind es ganz und gar nicht, aber sie haben ihre guten Momente. Ich habe allerdings schon öfters leider feststellen müssen, dass gerade Lasker in Simultanvorstellungen anscheinend häufig solche 'Unfälle' passiert sind. Offenbar hat er im Simultan generell sehr nachlässig gespielt (und kam dann unterm Strich wohl immer noch auf eine gute Ausbeute, obwohl mir keine Zahlen bekannt sind), was die Siege der Amateure gegen ihn andererseits wieder relativiert.
>>Mir gefällt, dass die Bremer ihren „Stars“ so ein Denkmal setzen<<
Es gibt ja noch einen weiteren, ungleich größeren Bremer Schachspieler, das ist Carl Carls, nach dem nicht nur eine Variante der Englischen Eröffnung benannt ist (er eröffnete nie anders als 1. c4, weshalb ihm ein Witzbold mal vor einer Turnierpartie den c-Bauern festgeleimt hatte😉), sondern der auch stark genug war, um gegen die Besten mitzuhalten.
Stimmt, das macht Sinn!
>>Außergewöhnlich schön finde ich sie eigentlich nicht, aber da sie schon ein paar Monate auf meiner Festplatte rumdümpeln, warum nicht bringen, dachte ich. Daher alle drei zusammen statt einzeln, ein paar Highlights gibt es ja doch und aus der Sicht des Amateurs, der einen Meister schlägt, sind sie natürlich glanzvoll.<<
Sehe ich genauso. Partien 'aus einem Guss' sind es ganz und gar nicht, aber sie haben ihre guten Momente. Ich habe allerdings schon öfters leider feststellen müssen, dass gerade Lasker in Simultanvorstellungen anscheinend häufig solche 'Unfälle' passiert sind. Offenbar hat er im Simultan generell sehr nachlässig gespielt (und kam dann unterm Strich wohl immer noch auf eine gute Ausbeute, obwohl mir keine Zahlen bekannt sind), was die Siege der Amateure gegen ihn andererseits wieder relativiert.
>>Mir gefällt, dass die Bremer ihren „Stars“ so ein Denkmal setzen<<
Es gibt ja noch einen weiteren, ungleich größeren Bremer Schachspieler, das ist Carl Carls, nach dem nicht nur eine Variante der Englischen Eröffnung benannt ist (er eröffnete nie anders als 1. c4, weshalb ihm ein Witzbold mal vor einer Turnierpartie den c-Bauern festgeleimt hatte😉), sondern der auch stark genug war, um gegen die Besten mitzuhalten.