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Colle spielt das Colle-System (I)

Vabanque - 10. Jul '20
Anders als Aljechin, der die nach ihm benannte Verteidigung wohl nur einmal spielte, führte der jung verstorbene belgische Meister Edgar(d) Colle (1897-1932) sein System in zahlreichen Turnierpartien in die Praxis ein. Viele davon gewann er in glänzender Weise. Eine besonders kurze, schöne und dabei doch recht leicht verständliche möchte ich euch hier vorstellen.
Colles Gegner in dieser Partie hatte im Jahr 1919 die tschechoslowakische Meisterschaft gewonnen, war also keineswegs ein schwacher Spieler (wie man nach Ansehen dieser Partie vermuten könnte). Ein paar kleine Ungenauigkeiten in der Eröffnungsbehandlung führten aber dazu, dass er schnell einem unparierbaren Angriff ausgesetzt war. Dies beweist die Gefährlichkeit des Colle-Aufbaus.
Das Colle-System ist heute aus dem Spitzenschach zwar weitestgehend verschwunden, doch unter Amateuren erfreut es sich immer noch großer Beliebtheit. Ich habe die Anmerkungen daher so gestaltet, dass sie - wie ich hoffe - auch für weniger geübte Spieler leicht verständlich sind.


Edgar Colle Frantisek Schubert Scarborough | Scarborough | 4 | 1928.05.26 | D05 | 1:0
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. d4 d5 2. Sf3 Sf6 3. e3 e6 4. Ld3 Der Grundaufbau des Colle-Systems. Anders als im Damengambit verzichtet Weiß auf c4 und schließt darüber hinaus seinen Damenläufer zunächst auch mit e3 freiwillig ein. Dieses Entwicklungssystem mutet zunächst passiv an, ist aber von seinem Erfinder, der ein gefährlicher Angriffsspieler war, keineswegs so angelegt. Colle hat damit viele schöne Angriffspartien gewonnen, teils sogar in unter 20 Zügen. Dies ist eine davon, die zeigt, welche Chancen Weiß bekommt, wenn Schwarz die Verteidigung ungenau führt. c5 5. c3 Sbd7 So weit alles 'normal' und richtig. Der schwarze Zug ist sogar flexibler als das ebenfalls mögliche Sc6, weil nach einem eventuellen weißen Schlagen auf c5 der Springer wiedernehmen könnte. 6. Sbd2 xd4?!
Aber dies erhöht die weißen Angriffschancen beträchtlich, indem es dem Weißen sowohl die e-Linie wie auch dem Lc1 die Diagonale nach g5 öffnet (auch wenn momentan der Sd2 noch im Weg steht). Zudem verstößt der Tausch auf d4 gegen die häufig gültige Regel, dass man die Zentrumsspannung immer so lange wie möglich aufrecht erhalten und erst dann lösen sollte, wenn ein zwingender Grund vorliegt ('To take is a mistake'). Schwarz sollte einfach mit Ld6 7. O-O O-O fortsetzen. Das Merkwürdige ist, dass ziemlich viele von Colles Gegnern den verfehlten Tausch auf d4 spielten.
7. xd4 Ld6 8. O-O O-O 9. Te1 Dc7 10. De2 Trotz aller schwarzer Bemühungen ist das Feld e5 fest in der Hand des Weißen. Te8 Diese Turmstellung wird Schwarz in der Folge noch viele Sorgen bereiten. Nicht nur gibt der Turm hier die Deckung von f7 auf, er wird auch nach dem späteren Wegzug des Sf6 ungedeckt stehen. An der gegenwärtigen Stelle ist der Turmzug aber gut begründet: er droht eventuelles e5 (was Weiß sofort verhindert) und bereitet den nächsten schwarzen Verteidigungszug vor.
Eine bessere Idee bestand vielleicht darin, mit b6 nebst Lb7 die Entwicklung des Damenflügels fortzusetzen.
11. Se5 Ohne den schwarzen Tausch auf d4 wäre dieser Zug gar nicht möglich gewesen. Sf8 Eine alte Regel besagt ja, dass ein Springer auf f8 den schwarzen Rochadekönig am besten schützt (da er h7 verteidigt und, anders als ein Sf6, nicht vertrieben werden kann). Vorliegende Partie scheint jedoch die Gültigkeit dieser 'Regel' zu erschüttern. 12. Sdf3 Bedingt durch den schwarzen Tausch auf d4 hat nun der Lc1 eine schöne freie Diagonale, die sonst durch den Bauern e3 noch versperrt gewesen wäre. S6d7 Plausibel, um den lästigen Springer e5 mit f6 zu befragen. Der Sf8 schützt ja weiter den König, nicht wahr? 13. Sg5! Greift f7 an und erhöht den Druck auf h7, läuft aber scheinbar geradewegs in die Gabel f6. Nun zeigt sich jedoch ganz schnell, dass Schwarz f6 gar nicht spielen kann! f6?
Er tut es doch und verliert schnurstracks! Hier ist schon schwer zu raten, aber der forcierte Abtausch ins Endspiel mit Lxe5 14. xe5 Dxe5 15. Dxe5 Sxe5 16. Txe5 f6 17. Te1 xg5 18. Lxg5 vermied zumindest alle unmittelbaren Gefahren, auch wenn Weiß wegen seines Läuferpaars und der kompakteren Bauernstruktur (weniger 'Bauerninseln') doch so einige positionelle Vorteile auf seiner Seite hätte.
14. Dh5! Greift h7 zum dritten Mal an, und gleichzeitig auch noch den Turm e8. Hier kommt jede Rettung für Schwarz zu spät. g6 Schwarz hatte sich vermutlich auf diese Antwort verlassen, als er f6 zog. Es ist auch die einzige Verteidigungsmöglichkeit. Nun hängen bei Weiß die Dame und beide Springer. Schwarz darf an dieser Stelle jedenfalls keinen der drohenden weißen Springer schlagen, da jeweils schnelles Matt erfolgen würde (natürlich würde jeweils auch Dxe8 reichen):
xg5 15. Lxh7+! Sxh7
Kh8 16. Sf7#
16. Df7+ Kh8 17. Sg6#
xe5 15. Lxh7+ Sxh7 16. Dxh7+ Kf8 17. Dh8+ Ke7 18. Dxg7+ Kd8 19. Sf7+ Ke7 20. Lg5+ Sf6 21. Lxf6+ Kd7 22. Sxe5#
15. Sxg6! Diesen Zug musste Colle bei Dh5 natürlich bereits geplant haben. xg5
Den anderen Springer zu nehmen, ist noch schlimmer: xg6 16. Lxg6 xg5
Den bedrohten Turm wegzuziehen, führt auf Te7 17. Lf7+ Kg7 18. Sxe6+! , und egal wie Schwarz auf e6 nimmt, es folgt immer Matt in 2 weiteren Zügen!
Sxg6 führt natürlich zum Matt in 2 weiteren Zügen
17. Lf7+!
genauer als das sofortige 17. Lxe8 , wonach noch eine notdürftige Verteidigung durch Sf6 18. Dxg5+ Dg7 möglich wäre; der Textzug verhindert, dass die schwarze Dame nach g7 gelangt
Kg7 18. Lxe8 , und nun wird Sf6 mit 19. Dxg5+ Kh7 20. Dxf6 erledigt
16. Sxf8! Jetzt kann Schwarz weder mit dem Läufer noch mit dem Turm auf f8 nehmen wegen Matt auf h7. Sf6
Aber auch Sxf8 17. Dxe8
bzw. Kxf8 17. Dh6+ (präziser als Lxg5, was ebenfalls gewinnt; der schwarze König ist in jedem Fall den weißen Figuren schutzlos ausgeliefert) Kf7
Ke7 18. Dxe6+ nebst Dxe8+
Kg8 18. Lxh7+
18. Dxh7+ Kf8 19. Lxg5 mit der Drohung Lh6 matt sind völlig hoffnungslos.
17. Dxg5+ Dg7 Jetzt aber sieht es doch so aus, als hätte Schwarz den Sf8 gefangen und käme mit einer Figur gegen drei weiße Bauern noch ganz gut davon?! 18. Sxh7! Der letzte Streich. Schwarz kann die Figur nicht gewinnen, und Weiß verbleibt mindestens mit 3 Mehrbauern.
Der Clou ist nach 18. Sxh7 Sxh7 nämlich
Dxg5 19. Sxg5
19. Lxh7+! Kxh7 20. Dh5+ Wieder ist der ungedeckte Turm auf e8 der Sargnagel von Schwarz! Kg8 21. Dxe8+
PGN anzeigen[Event "Scarborough"]
[Site "Scarborough"]
[Date "1928.05.26"]
[Round "4"]
[White "Edgar Colle"]
[Black "Frantisek Schubert"]
[Result "1-0"]
[WhiteElo "?"]
[BlackElo "?"]
[ECO "D05"]

1. d4 d5 2. Nf3 Nf6 3. e3 e6 4. Bd3 {Der Grundaufbau des Colle-Systems. Anders
als im Damengambit verzichtet Weiß auf c4 und schließt darüber hinaus seinen
Damenläufer zunächst auch mit e3 freiwillig ein. Dieses Entwicklungssystem
mutet zunächst passiv an, ist aber von seinem Erfinder, der ein gefährlicher
Angriffsspieler war, keineswegs so angelegt. Colle hat damit viele schöne
Angriffspartien gewonnen, teils sogar in unter 20 Zügen. Dies ist eine davon,
die zeigt, welche Chancen Weiß bekommt, wenn Schwarz die Verteidigung ungenau
führt. } 4... c5 5. c3 Nbd7 {So weit alles 'normal' und richtig. Der schwarze
Zug ist sogar flexibler als das ebenfalls mögliche Sc6, weil nach einem
eventuellen weißen Schlagen auf c5 der Springer wiedernehmen könnte.} 6. Nbd2
cxd4 $6 ( {Aber dies erhöht die weißen Angriffschancen beträchtlich, indem es
dem Weißen sowohl die e-Linie wie auch dem Lc1 die Diagonale nach g5 öffnet
(auch wenn momentan der Sd2 noch im Weg steht). Zudem verstößt der Tausch auf
d4 gegen die häufig gültige Regel, dass man die Zentrumsspannung immer so lange
wie möglich aufrecht erhalten und erst dann lösen sollte, wenn ein zwingender
Grund vorliegt ('To take is a mistake'). Schwarz sollte einfach mit} 6... Bd6
7. O-O O-O {fortsetzen. Das Merkwürdige ist, dass ziemlich viele von Colles
Gegnern den verfehlten Tausch auf d4 spielten.} ) 7. exd4 Bd6 8. O-O O-O 9. Re1
Qc7 10. Qe2 {Trotz aller schwarzer Bemühungen ist das Feld e5 fest in der Hand
des Weißen.} 10... Re8 {Diese Turmstellung wird Schwarz in der Folge noch viele
Sorgen bereiten. Nicht nur gibt der Turm hier die Deckung von f7 auf, er wird
auch nach dem späteren Wegzug des Sf6 ungedeckt stehen. An der gegenwärtigen
Stelle ist der Turmzug aber gut begründet: er droht eventuelles e5 (was Weiß
sofort verhindert) und bereitet den nächsten schwarzen Verteidigungszug vor.}
( {Eine bessere Idee bestand vielleicht darin, mit} 10... b6 {nebst Lb7 die
Entwicklung des Damenflügels fortzusetzen.} ) 11. Ne5 {Ohne den schwarzen
Tausch auf d4 wäre dieser Zug gar nicht möglich gewesen.} 11... Nf8 {Eine alte
Regel besagt ja, dass ein Springer auf f8 den schwarzen Rochadekönig am besten
schützt (da er h7 verteidigt und, anders als ein Sf6, nicht vertrieben werden
kann). Vorliegende Partie scheint jedoch die Gültigkeit dieser 'Regel' zu
erschüttern.} 12. Ndf3 {Bedingt durch den schwarzen Tausch auf d4 hat nun der
Lc1 eine schöne freie Diagonale, die sonst durch den Bauern e3 noch versperrt
gewesen wäre.} 12... N6d7 {Plausibel, um den lästigen Springer e5 mit f6 zu
befragen. Der Sf8 schützt ja weiter den König, nicht wahr?} 13. Ng5 $1 {Greift
f7 an und erhöht den Druck auf h7, läuft aber scheinbar geradewegs in die Gabel
f6. Nun zeigt sich jedoch ganz schnell, dass Schwarz f6 gar nicht spielen
kann!} 13... f6 $2 ( {Er tut es doch und verliert schnurstracks! Hier ist schon
schwer zu raten, aber der forcierte Abtausch ins Endspiel mit} 13... Bxe5 14.
dxe5 Qxe5 15. Qxe5 Nxe5 16. Rxe5 f6 17. Re1 fxg5 18. Bxg5 {vermied zumindest
alle unmittelbaren Gefahren, auch wenn Weiß wegen seines Läuferpaars und der
kompakteren Bauernstruktur (weniger 'Bauerninseln') doch so einige positionelle
Vorteile auf seiner Seite hätte.} ) 14. Qh5 $1 {Greift h7 zum dritten Mal an,
und gleichzeitig auch noch den Turm e8. Hier kommt jede Rettung für Schwarz zu
spät.} 14... g6 { Schwarz hatte sich vermutlich auf diese Antwort verlassen,
als er f6 zog. Es ist auch die einzige Verteidigungsmöglichkeit. Nun hängen bei
Weiß die Dame und beide Springer. Schwarz darf an dieser Stelle jedenfalls
keinen der drohenden weißen Springer schlagen, da jeweils schnelles Matt
erfolgen würde (natürlich würde jeweils auch Dxe8 reichen):} (14... fxg5 15.
Bxh7+ $1 Nxh7 (15... Kh8 16. Nf7#) 16. Qf7+ Kh8 17. Ng6#) (14... fxe5 15.
Bxh7+ Nxh7 16. Qxh7+ Kf8 17. Qh8+ Ke7 18. Qxg7+ Kd8 19. Nf7+ Ke7 20. Bg5+ Nf6
21. Bxf6+ Kd7 22. Nxe5#) 15. Nxg6 $1 {Diesen Zug musste Colle bei Dh5 natürlich
bereits geplant haben.} 15... fxg5 ( {Den anderen Springer zu nehmen, ist noch
schlimmer:} 15... hxg6 16. Bxg6 fxg5 ( {Den bedrohten Turm wegzuziehen, führt
auf} 16... Re7 17. Bf7+ Kg7 18. Nxe6+ $1 {, und egal wie Schwarz auf e6 nimmt,
es folgt immer Matt in 2 weiteren Zügen!} ) (16... Nxg6 {führt natürlich zum
Matt in 2 weiteren Zügen} ) 17. Bf7+ $1 ( {genauer als das sofortige} 17. Bxe8
{, wonach noch eine notdürftige Verteidigung durch} 17... Nf6 18. Qxg5+ Qg7
{möglich wäre; der Textzug verhindert, dass die schwarze Dame nach g7 gelangt}
) 17... Kg7 18. Bxe8 {, und nun wird} 18... Nf6 {mit} 19. Qxg5+ Kh7 20. Qxf6
{erledigt} ) 16. Nxf8 $1 {Jetzt kann Schwarz weder mit dem Läufer noch mit dem
Turm auf f8 nehmen wegen Matt auf h7.} 16... Nf6 ( {Aber auch} 16... Nxf8 17.
Qxe8) ( {bzw.} 16... Kxf8 17. Qh6+ {(präziser als Lxg5, was ebenfalls gewinnt;
der schwarze König ist in jedem Fall den weißen Figuren schutzlos ausgeliefert)}
17... Kf7 (17... Ke7 18. Qxe6+ {nebst Dxe8+}) (17... Kg8 18. Bxh7+) 18. Qxh7+ Kf8 19. Bxg5
{mit der Drohung Lh6 matt sind völlig hoffnungslos.} ) 17. Qxg5+ Qg7 {Jetzt
aber sieht es doch so aus, als hätte Schwarz den Sf8 gefangen und käme mit
einer Figur gegen drei weiße Bauern noch ganz gut davon?!} 18. Nxh7 $1 {Der
letzte Streich. Schwarz kann die Figur nicht gewinnen, und Weiß verbleibt
mindestens mit 3 Mehrbauern.} ( {Der Clou ist nach} 18. Nxh7 Nxh7 {nämlich} (
18... Qxg5 19. Nxg5) 19. Bxh7+ $1 Kxh7 20. Qh5+ {Wieder ist der ungedeckte Turm
auf e8 der Sargnagel von Schwarz!} 20... Kg8 21. Qxe8+) 1-0
Tschechov - 10. Jul '20
Ein Flüchtigkeitsfehler deinerseits: "Der Clou ist nach 18. Sxh7 Sxh7 nämlich Dxg5 19. Sxg5". Hier ist ein Sxh7 zu viel drin, da wäre ja mit 19. Dxg7 fällig. Oder sehe ich das falsch?
Vabanque - 10. Jul '20
Oh, das hat der Viewer missverständlich dargestellt, da hätte ich wohl doch noch etwas Text zur Erläuterung einfügen sollen.

Also, Weiß spielt 18. Sxh7!

Darauf kann Schwarz entweder Sxh7 antworten, wonach es mit Lxh7! Kxh7 Dh5+ weitergeht und der Te8 erobert wird.

Spielt Schwarz aber auf weißes 18. Sxh7 statt 18... Sxh7 den Zug Dxg5, so antwortet Weiß Sxg5 und hat einfach 3 Mehrbauern.

Dass es sich um eine zusätzliche Variante handelt, kommt wohl nicht klar genug heraus. Aber wenn man es nachspielt, scheint es zu funktionieren.
Vabanque - 10. Jul '20
Also, der Klarheit halber hätte ich die Variante Dxg5 Sxg5 entweder ganz herauslassen oder mit erläuternden Worten versehen sollen.
JamesBond007 - 10. Jul '20
Bei der 8. WM-Partie 2016 zwischen Carlsen und Karjakin wurde "Colle" gespielt! ;)

VG Marcel ~ alias JamesBond007
Vabanque - 10. Jul '20
Ah ja, danke für den Hinweis! Dann war es ja gut, dass ich geschrieben habe: weitestgehend aus dem Spitzenschach verschwunden ;-)
JamesBond007 - 11. Jul '20
Bitte sehr, Vabanque! :)

In der Tat : Was du geschrieben hast stimmt vollumfänglich! :)

VG Marcel ~ alias JamesBond007
Oli1970 - 12. Jul '20
Ich freue mich, hier mal wieder eine Partie von Dir zu sehen, Vabanque!
Was hast Du da wieder ausgegraben? Nur 18 Züge kurz, und den Schwarz-Spieler kennt vermutlich kaum einer. Aber ein kleines Feuerwerk, in dem der Meister sein System vorführt. Sehr schön!

Die Antwort 5... Sd7 ist natürlich korrekt, jedoch deutlich seltener gespielt als Sc6. Der Zug ermöglicht zwar eine Antwort auf weißes d4xc5, erlaubt aber anders als Sc6 keinen Druck auf den Bd4. Wie es immer so ist im Leben, man kann nicht beides haben. Dummerweise passt 6... cxd4 besser zur Variante Sc6, hierhin passt er gar nicht. Der Ld3 steht auf seiner Diagonale b1-h7 optimal: Für den späteren Gebrauch zeigt er schon auf den Königsflügel und aktuell unterstützt er den Vorstoß e3-e4.

Der Colle-Aufbau ist bestimmt nicht (nahezu :-) ) verschwunden, weil er schlecht wäre. Einerseits ist er recht einfach zu merken, andererseits erlaubt er eine Vielzahl an Zugumstellungen und Überleitungen in andere Systeme. Die Ausgangsstellung ist erstmal ohne Schwächen. Eine gute Übersicht und Einführung gibt es auf historischen Seiten des SC Leinzell, leider offenbar nicht auf die aktuellen übernommen: scleinzell.schachvereine.de/so_training/colle.shtml

Nach zwölf Zügen hat Colle einen starken Aufbau erreicht. Seine Leichtfiguren sind aktiviert, ihm gehört das Zentrum. Schubert ist bereits zur Passivität verdammt und bereitet sich auf Verteidigung vor. Was er sich wohl gedacht hat, als dann Sg5 geschah? Ich schätze, fast jeder Spieler hätte f6 gespielt, auch wenn es "komisch" ist, dass ein starker Spieler seine Figuren gabeln lässt. ;-) Die nächsten Züge sind genial einfach - und einfach schön. Die Kraft der Springer, die Fernunterstützung durch die Läufer, die drohenden Springermatts, dann das drohende Matt auf h7. Auch, wenn diese Varianten am Ende nicht das Spiel beendeten - was für überlegender Sieg, was für ein Untergang! Stark! Danke fürs Zeigen dieser Partie; lässt die unscheinbare römische I auf eine römische II hoffen?


'To take is a mistake' ist eine schöne schachliche "Bauernregel", die Du unbedingt shaack zur Aufnahme in seine Sammlung anbieten solltest. Wenn wir das nächste Mal spielen, beherzige sie - meine Figuren sind ab sofort und für alle Zeiten tabu! :-)
Vabanque - 12. Jul '20
Hallo Oli1970,

danke für deine ausführliche Besprechung und Würdigung der Partie und meiner Kommentare :-)

Danke auch für den Link, den ich gar nicht kannte! Gerade sehe ich dass dort noch ein paar Colle-Partien dabei sind, und tatsächlich auch eine, die von mir für Teil II bereits vorbereitet war.

Nun habe ich noch gar nicht in die dortigen Kommentare reingeklickt - etwaige Übereinstimmungen mit meinen eigenen Kommentaren sind daher, wie es immer so schön auch im Vorspann von Filmen heißt, rein zufällig und nicht beabsichtigt :-)

Die Hoffnung auf Teil II ist also berechtigt und hat sich auch schon erfüllt:

/forum/topic.html?key=0ad53846ebfe4963&sv=1

Über einen etwaigen Teil III möchte ich an dieser Stelle aber noch nichts aussagen ;-)

Ach ja, und der Spruch 'to take is a mistake' (den ich mal in irgendeinem Video von einem GM oder IM gehört habe) bezieht sich natürlich nur auf Bauernspannungen im Zentrum bzw. manchmal auch am Flügel, wo sich beide Seiten so lange belauern, bis es einer nicht mehr aushält, nachgibt und dann doch nimmt - und genau dann ist es meistens falsch.