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Große Partien ... (VI): Carlsen - Aronian 2008
Vabanque - 28. Dez '13
Der frisch gebackene amtierende Weltmeister Magnus Carlsen führt schon seit 2010 die Weltrangliste an. Er hat außerdem die höchste Elo-Zahl, die jemals von einem Spieler erzielt wurde. So skeptisch man den reinen Zahlenwerten gegenüber stehen mag (Elo-Zahlen und überhaupt Spielstärken von Spielern verschiedener Generationen sind nun einmal nicht direkt vergleichbar), das Schach des jungen Norwegers überzeugt durch seine - man möchte fast sagen unbeschwerte - Eleganz. Er wurde bereits im Jahre 2004, als er erst 13 war, als der 'Mozart des Schachs' betitelt, und er hat es bis heute bestätigt, dieser hohen Auszeichnung würdig zu sein. Die Partien, mit der er Anand die Krone entriss, mögen eher trocken und technisch gewesen sein (aber ein Spieler wie Anand ist eben nicht im Hurra-Stil zu besiegen!), aber in der folgenden Partie bringt Carlsen ein mutiges doppeltes Bauernopfer auf Position, dessen Nutzen nicht sofort zu sehen ist. Es reicht aber, um dem momentanen Weltranglisten-Zweiten, dem Armenier Levon Aronian, eine schmerzliche Niederlage zuzufügen.































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Magnus Carlsen Levon Aronian Bilbao Grand Slam Chess Final | Bilbao ESP | 6 | 2008.09.08 | D47 | 1:0
8








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6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. d4 d5 2. c4 c6 3. Sf3 Sf6 4. Sc3 e6 5. e3 Sbd7 6. Ld3 xc4 7. Lxc4 b5 8. Ld3 Lb7 Diese so genannte Meraner Variante haben wir bereits in der Partie Kasparov-Kramnik (Teil II der Serie) kennen gelernt. Dort spielte Weiß jetzt O-O. 9. a3 Dieser Zug möchte einem eventuellen Vorstoß b5-b4 die Kraft nehmen. b4 Schwarz lässt sich nicht abschrecken. 10. Se4 Konsequent wäre jetzt natürlich axb4, was auch gut spielbar ist. Mit dem Textzug plant Carlsen jedoch ein interessantes Bauernopfer. Sxe4 11. Lxe4 xa3 12. O-O!? Mit der ausgeglichenen Stellung, die nach bxa3 entsteht, war Carlsen nicht zufrieden. Sf6 Bevor Schwarz auf b2 zugreift, verbessert er zuerst seine Springerstellung und vertreibt den weißen Läufer aus seiner dominierenden Zentralstellung. 13. Ld3 xb2 14. Lxb2 a5?! Mit dem in der Mitte stehenden schwarzen König und dem weißen Entwicklungsvorsprung ist dieser Bauernzug wohl ein Tempoverlust. Möglicherweise wollte Aronian Tb8 spielen können, ohne dass der Bauer a7 dann hängt. Außerdem setzt er mit diesem Zug das Signal, dass er nun über einen Freibauern auf der a-Linie verfügt. Trotzdem wäre Le7 nebst Rochade anzuraten gewesen. 15. d5!! Ein verblüffendes weiteres Bauernopfer 'auf Position'. Schwarz hat nicht weniger als vier verschiedene Möglichkeiten, den Bauern zu schlagen, von denen cxd5 sich schnell als schlecht erweist wegen 16. Lb5+ Sd7 17. Se5 Lc8 19. Tc1!, und im nächsten Zug wird der Lc8, der d7 verteidigt, unter Turmopfer eliminert. Diese Variante illustriert wieder einmal die Kraft der Fesselung. Die drei anderen Schlagmöglichkeiten - mit dem e-Bauern, mit der Dame bzw. mit dem Springer - kamen jedoch alle zumindest prinzipiell in Frage. Was bekommt Weiß für die Investition eines weiteren Bauern? Vor allem wird der Ausblick des Lb2 verlängert, und das Feld d4 kann in manchen Varianten von den weißen Figuren genutzt werden. Das erscheint ganz schön wenig, aber wie die weitere Folge zeigt, tut sich Schwarz sehr schwer, seine Stellung zu verteidigen. Sxd5 Aronian entscheidet sich für das Schlagen mit dem Springer. Das verlängert die weiße Läuferdiagonale aber bis g7. Im Lichte der kommenden Ereignisse, die dem Kommentator bekannt sind, den Spielern während der Partie jedoch nicht, mag man das Schlagen mit der Dame oder auch mit dem e-Bauern (obwohl dann Sd4 mit der Option Sf5 gut aussieht) für besser halten. Übrigens behauptete Aronian auch nach der Partie noch steif und fest, 15. d5 wäre ein schlechter Zug gewesen. Mir ist jedoch nicht bekannt, dass jemals eine Widerlegung gefunden worden wäre. 16. Se5 Tartakower hatte mit seinem Bonmot über Springer auf e5 schon nicht ganz so Unrecht ... auffallend oft in Gewinnpartien der weißen Partei beginnt alles mit so einem Springerzug. Sf6 Schwarz verhindert damit die neue Option Dh5, die sich Weiß durch den Springerzug geschaffen hat. Auf etwa das plausible Le7 könnte Weiß nach 17. Dh5 g6 dann schon auf g6 opfern. 17. Da4 Au weia! Schon ist der Bauer c6 nicht mehr gut zu verteidigen (Weiß kann ja mit Tfc1 noch einmal nachsetzen)! Aber Schwarz kann von seinen zwei Mehrbauern ja einen zurückgeben ... Lb4?! Schwarz klammert sich an seinen verbleibenden Mehrbauern a5! Vielleicht war es aber doch besser, mit Ld6 beide Mehrbauern zurückzugeben:
Ld6 18. Sxc6 Dd7 Selbst
18. Sxc6 Lxc6 Jetzt ist das erzwungen, denn auf Dd7 gewinnt 19. Lb5 in allen Varianten mindestens den unglücklich stehenden Lb4. Ein hübscher Umstand ist dabei, dass nach der vermeintlichen Ausrede 19. ... La6 20. Lxa6 Txa6 an Stelle der abgeschüttelten Fesselung auf der Diagonalen die Fesselung auf der a-Linie tritt, so dass Sxb4 trotzdem eine Figur gewinnt, weil die Fesselung auch nach Damentausch bestehen bleibt! 19. Dxc6+ Ke7 Aronian möchte den König nicht nach f8 stellen, da das den Turm h8 völlig abschneiden würde. 20. Tfd1 Bei diesem Gegenüber des weißen Turms beginnt sich die schwarze Dame sogleich unwohl zu fühlen. Tc8 Die schwarze Dame soll nach b6. Dazu muss der Turm erstmal ihre Antipodin vertreiben. 21. Df3 Db6 22. Ld4 Carlsen gönnt der schwarzen Dame den Platz an der Sonne aber nicht, und ermahnt sie, sich doch wieder in den Halbschatten zurückzuziehen. Man erkennt, wie die weißen Läufer, in Kooperation mit der weißen Dame, die Diagonalen beherrschen. Db8 Auf Dc6 20. De2 nebst La6 wird die schwarze Dame bald durch einen weißen Turm auf der c-Linie neuen Belästigungen ausgesetzt werden. 23. La6 Tcd8 24. Lb7?! Ein interessantes Läufermanöver, aber leider gibt der Zug dem Schwarzen eine Chance, die Partie zu retten. h5? Spätere Analysen ergaben, dass Schwarz sich hier durch e5! hätte retten können. Schwer zu glauben, aber ein weißer Vorteil wäre dann nicht mehr nachweisbar. Weiß könnte dann noch mit Lb6 den schwarzen Bauern a5 gewinnen, aber die entstehende Stellung wäre ausgeglichen. Mit dem Textzug plant Aronian Sg4 mit Drohung auf h2 und evtl. auch Gegenspiel durch den weiteren Vorstoß h4-h3, aber das sieht alles ziemlich kaffeehausmäßig aus und wird auch prophylaktisch gleich verhindert. 25. h3 h4 Auch hier war e5 noch möglich. 26. Tab1! e5 Jetzt kommt dieser Zug zu spät! Aronian hat den Sinn des weißen Turmzugs entweder nicht erkannt oder unterschätzt. Vielleicht wollte er e5 erst spielen, nachdem Weiß nun mit Lb6 den Bauern a5 nicht mehr erobern kann, weil der weiße Turm von der a-Linie weg ist. Aber ... 27. Txb4! Die Opfermotive sind letztlich immer die gleichen: Hier ist es die Beseitigung einer wichtigen Verteidigungsfigur. Der Läufer hat nämlich die ganze Zeit die dunklen Felder bewacht. xb4? Entgültig der Verlustzug. Schwarz musste mit exd4 unbedingt den weißen Läufer beseitigen. Ein direkter Gewinn für Weiß ist dann nicht ersichtlich, auch wenn der schwarze König exponiert bleibt. 28. Lc5+ Jetzt heißt es 'Bahn frei' für das weiße Läuferpaar! Ke6 Nach Lxc6 19. Dxc6+ Ke7 macht hier, mit der Läuferstellung auf d6, zumindest einen optisch besseren Eindruck als in der Partie, wo der Läufer auf b4 steht
19. Sxa5 19. Lb5 stellt hier, im Gegensatz zur Partiefortsetzung, wo der Läufer auf b4 steht, keine wirkliche Drohung auf, Schwarz kann einfach O-O antworten, weil es keinen tödlichen Abzug des Sc6 gibt. Vertrauen erweckend sieht die schwarze Stellung trotzdem nicht aus, aber vielleicht so eben noch haltbar.
Dxa4 20. Txa4 La6 sieht noch haltbar aus. Ke8 gibt es ein forciertes Matt: 29. Lc6+ Td7
29. Ta1 Nun droht der Turm von der Flanke her mit Ta6+ dem schwarzen König den Garaus zu machen! Td6 Ein verzweifelter Versuch, die Qualität zurückzugeben, um endlich den fürchterlichen Läufer loszuwerden. 30. Lxd6 Kxd6 Dxd6 kostet nach Ta6 die Dame. Aber so verliert Schwarz auf ganz simple Weise noch einen Turm. 31. Dc6+ Ke7 32. Ta8 Dd6 33. Dxd6+ Kxd6 34. Txh8 b3 Rennt da jemand noch ganz schnell? 35. La6 Wenn der weiße Turm nach Tb8 kommt, lebt der hurtige Argarökonom aber nicht mehr lange! Sd7 36. Txh4 Natürlich stoppt auch von b4 aus der weiße Turm den Bauern gut. Aronian spielte noch Sc5 , um den weißen Läufer anzugreifen und Ld3 zu verhindern (was auf Kc5 wohl erfolgt wäre), gab aber gleichzeitig auf, weil nach Le2 das folgende Tb4 nicht mehr zu verhindern ist. Der damals erst 17-jährige Carlsen hat den großen Taktiker Aronian mit erstaunlicher Leichtigkeit ausgespielt. Sd7 30. Df5 Dc7 (d7 musste gedeckt werden) 31. Dg5 mit Matt im nächsten Zug entweder auf e7 oder nach f7-f6 auf g6
30. Txd7! Sxd7 31. Df5 Dc7 32. Dg5 f6 (die einzige Möglichkeit, das Matt noch aufzuschieben) 33. Dxg7 Kd8 34. Dxh8+ und Matt im nächsten Zug! Diese Abspiele zeigen die ungeheure Kraft des Läuferpaars und der Dame, sowie die Kraft der Fesselung, deswegen habe ich sie so ausführlich gebracht.
CALIDA - 29. Dez '13
@ Vabanque
ich danke Dir für deine aufgezeigten Partien und deren Zügen sowie deinen ausgezeichneten Kommentaren dazu.
Mach bitte weiter so.
LG CALIDA
ich danke Dir für deine aufgezeigten Partien und deren Zügen sowie deinen ausgezeichneten Kommentaren dazu.
Mach bitte weiter so.
LG CALIDA