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Eine Perle des Opferschachs Averbach-Kotov 1953
Kellerdrache - 28. Feb '20
Die folgende Partie stammt aus dem Kandidatenturnier 1953 in Zürich.Die Namen der Kontrahenten sind heute vielen nicht mehr bekannt. Damals aber gehörten Sie zur absoluten Weltspitze.
Yuri Averbach war ein grundsolider Spieler, guter Verteidiger und vor allem brillanter Endspielvirtuose. Er ist heute offiziell der älteste noch lebende Großmeister.Aus seinem dünnen Buch „Was man über das Endspiel wissen muss“ haben Generationen von Schachspielern ihre ersten Endspielkentnisse erhalten. Sein Gegner in dieser Partie hätte in seinem Spielstil verschiedener nicht sein können. Alexander Kotov bevorzugte aggressives Angriffsspiel und unübersichtliche Komplikationen.
Im vorliegenden Exemplar besiegt er seinen Gegner mit einem spektakulären Damenopfer. Viele von euch werden die Partie schon kennen, da sie in zahlreichen Büchern auftaucht, aber ich konnte der Versuchung nicht widerstehen sie euch (erneut?) vorzustellen.































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Yuri Averbach war ein grundsolider Spieler, guter Verteidiger und vor allem brillanter Endspielvirtuose. Er ist heute offiziell der älteste noch lebende Großmeister.Aus seinem dünnen Buch „Was man über das Endspiel wissen muss“ haben Generationen von Schachspielern ihre ersten Endspielkentnisse erhalten. Sein Gegner in dieser Partie hätte in seinem Spielstil verschiedener nicht sein können. Alexander Kotov bevorzugte aggressives Angriffsspiel und unübersichtliche Komplikationen.
Im vorliegenden Exemplar besiegt er seinen Gegner mit einem spektakulären Damenopfer. Viele von euch werden die Partie schon kennen, da sie in zahlreichen Büchern auftaucht, aber ich konnte der Versuchung nicht widerstehen sie euch (erneut?) vorzustellen.
Averbach, Juri Kotow, Alexander Kandidatenturnier | Zürich | 1953.09.23 | A55 | 0:1
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. d4 Sf6 2. c4 d6 3. Sf3 Sbd7 4. Sc3 e5 5. e4 Le7 Kotows bevorzugte Verteidigung gegen d4 war normalerweise Königsindisch, aber man muss ja nicht immer machen was die Anderen von einem erwarten. 6. Le2 O-O 7. O-O c6 der schwarze Aufbau ist fest hat aber nicht unbedingt großes Angriffspotential. Er ist nie superpopulär gewesen aber auch nie komplett aus den Turniersälen verschwunden 8. Dc2 Te8 9. Td1 Lf8 9.Td1 fesselt nach dem Abtausch auf e5 die zweite Deckungsfigur. Deshalb öffnet Schwarz die Turmlinie um im Zweifelsfall mit dem Te8 nehmen zu können. 10. Tb1 in seinem Turnierbuch weist Bronstein darauf hin, dass der weiße Plan bei diesem Aufbau den Aufmarsch des Damenflügels einschliest a5 11. d5 um die Öffnung der e-Linie zu verhindern Sc5 12. Le3 Dc7 13. h3 Averbach möchte nicht mit Sg4 zum Abtausch seines Läuferpaars gezwungen werden Ld7 14. Tbc1 ein Zug den ich nicht wirklich verstehe. Der Turm steht hier gut nur wenn es gelingt die c-Linie zu öffnen. Ich sehe jedoch keinen zwingenden Weg wie das zu erreichen wäre g6 jetzt noch den Laufer nach g7 entwickeln und man hat doch beinahe wieder Königsindisch auf dem Brett 15. Sd2 überdeckt e4 ein weiteres mal und ermöglicht dadurch ein Vorgehen am Königsflügel mit f4 Tab8 Laut Bronstein hat Schwarz zwei mögliche Pläne zum Gegenspiel. Am Damenflügel etwa mit Tec8, gefolgt von cxd5 und b5 oder am Königsflügel mit Kh8, Sg8 und f5. Beide Pläne sind nicht unbedingt sehr gefährlich, doch Weiß muss eben bei prophylaktischen Zügen beide Ideen im Auge behalten. 16. Sb3 Sxb3 17. Dxb3 c5 mit der Dame auf b3 ist die Verlockung groß mit b5 die b-Linie zu öffnen 18. Kh2 Mit c5 hat Kotow sich auf Gegenspiel am Königsflugel festgelegt. Dementsprechend empfielt Bronstein sofortiges Handeln am Damenflügel Kh8 19. Dc2 Sg8 20. Lg4 Weiß folgt dem von Bronstein skizzierten Plan, allerdings mit einem durch Kh2 verschwendeten Tempo Sh6 21. Lxd7 Dxd7 22. Dd2 Sg8 23. g4 kein guter Zug. Es kann ja eigentlich nicht im weißen Interesse sein am Königsflügel Linien zu öffnen. Ein Angriff am Damenflügel mit Tcb1 und a3 wäre zu bevorzugen f5 24. f3 Le7 auf die f-Linie gehört natürlich ein Turm 25. Tg1 Tf8 26. Tcf1 Tf7 27. xf5 viele Kommentatoren hielten das für den entscheidenden Fehlzug. Doch er ist ja nur die konsequente Fortsetzung des mit Tg1 begonnenen Plans eines Angriffs auf der g-Linie xf5 28. Tg2 f4 Ein sehr wichtiger Zug. Dieser Bauer schneidet die weißen Figuren vom Königsflügel ab und öffnet die h3-c8 Diagonale 29. Lf2 Tf6 von hier aus kann Kotow nach h6 schwenken 30. Se2 Dxh3+ ein knackiges Damenopfer. Der König wird mit Gewalt aus seiner Festung geholt und die weißen Figuren brauchen zu lange um ihm zur Hilfe zu kommen 31. Kxh3 Th6+ dem König bleibt nur die Flucht nach vorne 32. Kg4 Sf6+ 33. Kf5 Sd7 beide Spieler waren in Zeitnot, daher fand Schwarz nicht den allerbesten Zug
Sg4 wäre die perfekte Fortsetzung gewesen. Weißes Tg5 was in Folge Averbachs Todeskampf verlängert wird dadurch verhindert 34. Txg4
34. Tg5 da Schwarz ja eine Dame geopfert hat kann man ruhig etwas Material zurückgeben Tf8+ 35. Kg4 Sf6+ 36. Kf5 Sg8+ 37. Kg4 Sf6+ 38. Kf5 Sxd5+ Diese Züge sind zu verstehen wenn man sich an die Zeitnot erinnert. Kotow sieht zu, dass er zu erst einmal seine 40 Züge zusammen bekommt. Da er gerade einen Bauern gewonnen hat kann er jetzt wieder die Stellung wiederholen ohne Remis zu machen 39. Kg4 Sf6+ 40. Kf5 Sg8+ 41. Kg4 Sf6+ 42. Kf5 Sg8+ 43. Kg4 Lxg5 44. Kxg5 Tf7 droht zweizügig Matt. 45...Tg7+ 46.Kf5 Tf6 matt 45. Lh4 überdeckt nach Tg7+ das Feld f6. Der Läufer opfert sich um seinem König das Leben zu retten Tg6+ 46. Kh5 Tfg7 47. Lg5 Txg5+ 48. Kh4 Sf6 49. Sg3 eine Figur nach der anderen opfert sich um das Matt zu verhindern Txg3 blos nicht 49...fxg3. nach 50.Dxg5 Txg5 51.Kxg5 hatte Weiß sogar wieder Gewinnchancen 50. Dxd6 T3g6 51. Db8+ Tg8 34. Sxf4 nur so kann ein schnelles Matt verhindert werden. Allerdings unter großem Materialverlust Tg8 droht Tg5 matt 35. Sh5 andere Züge werden mit Tf6 matt beantwortet Thg6 und auf das folgende Tg5 muss man schon die Dame zurückgeben
Tf8#
Oli1970 - 01. Mär '20
Immer noch Erster??? Na gut, mache ich den Anfang: Ausgezeichnete Kommentierung einer Perle der Schachgeschichte! Ich weiß schon, warum ich Dich gebeten hatte, die Partie hier zu bringen, Kellerdrache! ;-) In dieser Kommentierung steckt wohl alles drin, was kommentiert werden kann.
Zum Zug 14. Tbc1: Der dürfte wohl gespielt worden sein, weil direktes b2-b4 einfach nicht mehr funktioniert. Auch nachdem Kotovs Tab8 würde b4 vorbereitet werden müssen. Insofern scheint der Turm auf zunächst c1 aktiver, auch wenn kein direkt wirkender Vorteil erkennbar ist. Ein paar Züge weiter hat sich die Stellung freilich geändert. Allerdings empfinde ich die Stellung während der nächsten Züge so komplex, dass ich die guten Züge jedenfalls nicht gefunden hätte / habe. Da befinde ich mich aber wohl in guter Gesellschaft, da Averbach die Stellung offenbar auch nicht korrekt eingeschätzt hat, wie so manchem Kommentar zum Spiel zu entnehmen ist. :-)
Spätestens der 25. Zug ist sicherlich die falsche Richtung, die Averbach einschlägt, wie im Kommentar zum 27. ja auch deutlich wird. Allerdings ist Kotows Antwort zumindest laut Engine auch nicht die erste Wahl. Stockfish empfiehlt hier f5-f4; ein Zug, den Kotow erst als 28. spielt. Damit wird das weiße Spiel weiter eingeengt. Averbach hätte im 25. und auch noch 26. Zug mit e4xf5 laut Engine deutlichen Vorteil erzielt. Die Kommentatoren scheinen sich aber wohl auch uneins; für Kotow habe ich die Empfehlung 26. .. Sf6 gefunden mit dem Hinweis, die Stellung sei dann ausgeglichen. Die Engine sieht gut 2 BE zugunsten von Weiß. Wohl doch alles nicht so einfach?!
Der eigentliche, vorentscheidende, Fehler Averbachs scheint 28. Tg2 zu sein. Hier kommt Kotow ins Spiel. Sowohl f4 als auch exf5 zum Öffnen der Stellung wären deutlich besser gewesen. Immerhin wird das Spiel zunächst einfacher für uns Nachspielende. Nach Kotows f5-f4 fällt es nicht schwer, h3 als Angriffsmarke zu identifizieren. Trotzdem ist das Spiel völlig ausgeglichen. Bis Averbach 30. Se2 zieht - offenbar mit dem Plan, Sg1 als Schutz für h3 folgen zu lassen. Dieser Zug, der die Partie quasi beendet, ermöglicht allerdings eine der sehenswertesten Kombinationen überhaupt. Mit dem Schlagen der Dame war klar, dass der König nicht mehr zurück hinter die eigenen Linien finden kann. Es gibt lediglich kleine Abzüge in der B-Note, die der Zeitnot geschuldet sind, aufgrund derer Kotow nicht den schnellsten Weg zum Spielende einschlug. Das soll aber keinesfalls die Glanzleistung schmälern, die Möglichkeit überhaupt erst gefunden und gespielt zu haben! Kotows Spielweise sicherte ihm mindestens ein Remis; es gab also keinen Grund, unter Zeitdruck alles zu riskieren.
Auch mit dieser Kommentierung habe ich das Mittelspiel noch als sehr kompliziert empfunden. So viele Möglichkeiten, die man kaum durchschauen kann, wenn man die Eröffnungspläne und die mit der fortwährend veränderlichten Stellung verbundenen Fallstricke nicht kennt. Umso schöner, dass die Kommentierung so ausführlich ist, den Pfad vorgibt und die Ideen hinter den Zügen erläutert.
Tolles Spiel! Als Kellerdrache kürzlich andeutete, diese Partie bringen zu wollen, war ich sofort Feuer und Flamme. Mag ja sein, dass sie in vielen Büchern bereits gebracht wurde - hier auf chessmail fehlte sie jedenfalls noch und erst recht in dieser Ausführlichkeit. Dankeschön!
Zum Zug 14. Tbc1: Der dürfte wohl gespielt worden sein, weil direktes b2-b4 einfach nicht mehr funktioniert. Auch nachdem Kotovs Tab8 würde b4 vorbereitet werden müssen. Insofern scheint der Turm auf zunächst c1 aktiver, auch wenn kein direkt wirkender Vorteil erkennbar ist. Ein paar Züge weiter hat sich die Stellung freilich geändert. Allerdings empfinde ich die Stellung während der nächsten Züge so komplex, dass ich die guten Züge jedenfalls nicht gefunden hätte / habe. Da befinde ich mich aber wohl in guter Gesellschaft, da Averbach die Stellung offenbar auch nicht korrekt eingeschätzt hat, wie so manchem Kommentar zum Spiel zu entnehmen ist. :-)
Spätestens der 25. Zug ist sicherlich die falsche Richtung, die Averbach einschlägt, wie im Kommentar zum 27. ja auch deutlich wird. Allerdings ist Kotows Antwort zumindest laut Engine auch nicht die erste Wahl. Stockfish empfiehlt hier f5-f4; ein Zug, den Kotow erst als 28. spielt. Damit wird das weiße Spiel weiter eingeengt. Averbach hätte im 25. und auch noch 26. Zug mit e4xf5 laut Engine deutlichen Vorteil erzielt. Die Kommentatoren scheinen sich aber wohl auch uneins; für Kotow habe ich die Empfehlung 26. .. Sf6 gefunden mit dem Hinweis, die Stellung sei dann ausgeglichen. Die Engine sieht gut 2 BE zugunsten von Weiß. Wohl doch alles nicht so einfach?!
Der eigentliche, vorentscheidende, Fehler Averbachs scheint 28. Tg2 zu sein. Hier kommt Kotow ins Spiel. Sowohl f4 als auch exf5 zum Öffnen der Stellung wären deutlich besser gewesen. Immerhin wird das Spiel zunächst einfacher für uns Nachspielende. Nach Kotows f5-f4 fällt es nicht schwer, h3 als Angriffsmarke zu identifizieren. Trotzdem ist das Spiel völlig ausgeglichen. Bis Averbach 30. Se2 zieht - offenbar mit dem Plan, Sg1 als Schutz für h3 folgen zu lassen. Dieser Zug, der die Partie quasi beendet, ermöglicht allerdings eine der sehenswertesten Kombinationen überhaupt. Mit dem Schlagen der Dame war klar, dass der König nicht mehr zurück hinter die eigenen Linien finden kann. Es gibt lediglich kleine Abzüge in der B-Note, die der Zeitnot geschuldet sind, aufgrund derer Kotow nicht den schnellsten Weg zum Spielende einschlug. Das soll aber keinesfalls die Glanzleistung schmälern, die Möglichkeit überhaupt erst gefunden und gespielt zu haben! Kotows Spielweise sicherte ihm mindestens ein Remis; es gab also keinen Grund, unter Zeitdruck alles zu riskieren.
Auch mit dieser Kommentierung habe ich das Mittelspiel noch als sehr kompliziert empfunden. So viele Möglichkeiten, die man kaum durchschauen kann, wenn man die Eröffnungspläne und die mit der fortwährend veränderlichten Stellung verbundenen Fallstricke nicht kennt. Umso schöner, dass die Kommentierung so ausführlich ist, den Pfad vorgibt und die Ideen hinter den Zügen erläutert.
Tolles Spiel! Als Kellerdrache kürzlich andeutete, diese Partie bringen zu wollen, war ich sofort Feuer und Flamme. Mag ja sein, dass sie in vielen Büchern bereits gebracht wurde - hier auf chessmail fehlte sie jedenfalls noch und erst recht in dieser Ausführlichkeit. Dankeschön!
Vabanque - 01. Mär '20
Diese Partie kannte ich zwar, hatte sie aber sehr lange nicht mehr angesehen.
Insbesondere erinnerte ich mich nur an die Schlussphase ab dem Damenopfer, nicht aber an das vorangegangene Mittelspiel.
Auch mir geht es so, dass ich dieses Mittelspiel als ungleich komplizierter erlebe als die Phase nach dem Damenopfer. Danach ist alles eine Frage von Mattdrohungen und wie sie noch pariert werden können, davor sind die gegenseitigen Pläne fast undurchschaubar und unübersehbar in ihrer Fülle der Möglichkeiten.
Vielleicht steckt hinter 14. Tbc1 ja auch überhaupt keine konkretere Absicht als die, den Turm gegenüber der schwarzen Dame zu platzieren? Wie Tarrasch mal bemerkte, ist dies immer unangenehm, auch wenn noch so viele Steine dazwischen stehen.
Und die Variante zum 17. Zug von Schwarz zeigt doch sogar schon, wie der Turm plötzlich putzmunter werden könnte, wenn Schwarz sich zu b5 verleiten ließe. (Kurze Anmerkung: Wenn in der dort angegebenen Variante Schwarz 21. Dxa7 spielt, kann Weiß doch mit dem Läufer auf a7 wieder nehmen? :-/)
Zum 23. Zug von Schwarz (f5) wollte ich noch kurz ergänzen, dass dieser nicht nur fxg4, sondern vor allem f4 mit Läufergewinn droht, was die weiße Antwort beides abwehrt.
Und wie SF Oli1970 bereits angedeutet hat, will der weiße Zug 30. Se2 dem nach Tf6 drohenden Th6 mit dem Deckungszug Sg1 begegnen.
Zum Spiel nach dem Damenopfer gibt es natürlich nur wenig hinzuzufügen, mir sind aber noch ein paar Kleinigkeiten aufgefallen:
1) In der Variante nach dem statt 33... Sd7 besseren Sg4 ist m.E. nach 35... Thg6 weniger Tg5+ die Drohung (worauf der wK nach e6 ausweichen könnte, und was dann?), sondern wiederum Tf8 nebst Matt.
2) Das Nehmen des Bauern d5 im 38. Zug hat SF Kellerdrache in seiner Anmerkung ja plausibel erklärt, allerdings macht es sich Schwarz rein schachlich gesehen durch diesen Zug eher schwerer, da er der weißen Dame damit eine Linie zum eventuellen Gegenspiel öffnet (dies zeigt sich dann auch am Schluss).
3) In der Variante zum 45. Zug von Weiß ist nicht nur 46... Se7 matt, sondern auch Tf6 matt möglich.
4) Zu 50. Dxd6 siehe meine Anmerkung unter 2)! Mit einem weißen Bauern auf d5 wäre diese Aufregung nicht mehr möglich gewesen. Kotov hatte Glück, dass das Eindringen der weißen Dame letzten Endes ungefährlich war.
Ein wenig schade finde ich die beiden Schönheitsfehler 33... Sd7 und 38... Sxd5+ schon, aber es war halt ein Kampf zwischen Menschen und nicht zwischen Maschinen.
Da kann man doch nur sagen: bitte mehr davon :-)
Insbesondere erinnerte ich mich nur an die Schlussphase ab dem Damenopfer, nicht aber an das vorangegangene Mittelspiel.
Auch mir geht es so, dass ich dieses Mittelspiel als ungleich komplizierter erlebe als die Phase nach dem Damenopfer. Danach ist alles eine Frage von Mattdrohungen und wie sie noch pariert werden können, davor sind die gegenseitigen Pläne fast undurchschaubar und unübersehbar in ihrer Fülle der Möglichkeiten.
Vielleicht steckt hinter 14. Tbc1 ja auch überhaupt keine konkretere Absicht als die, den Turm gegenüber der schwarzen Dame zu platzieren? Wie Tarrasch mal bemerkte, ist dies immer unangenehm, auch wenn noch so viele Steine dazwischen stehen.
Und die Variante zum 17. Zug von Schwarz zeigt doch sogar schon, wie der Turm plötzlich putzmunter werden könnte, wenn Schwarz sich zu b5 verleiten ließe. (Kurze Anmerkung: Wenn in der dort angegebenen Variante Schwarz 21. Dxa7 spielt, kann Weiß doch mit dem Läufer auf a7 wieder nehmen? :-/)
Zum 23. Zug von Schwarz (f5) wollte ich noch kurz ergänzen, dass dieser nicht nur fxg4, sondern vor allem f4 mit Läufergewinn droht, was die weiße Antwort beides abwehrt.
Und wie SF Oli1970 bereits angedeutet hat, will der weiße Zug 30. Se2 dem nach Tf6 drohenden Th6 mit dem Deckungszug Sg1 begegnen.
Zum Spiel nach dem Damenopfer gibt es natürlich nur wenig hinzuzufügen, mir sind aber noch ein paar Kleinigkeiten aufgefallen:
1) In der Variante nach dem statt 33... Sd7 besseren Sg4 ist m.E. nach 35... Thg6 weniger Tg5+ die Drohung (worauf der wK nach e6 ausweichen könnte, und was dann?), sondern wiederum Tf8 nebst Matt.
2) Das Nehmen des Bauern d5 im 38. Zug hat SF Kellerdrache in seiner Anmerkung ja plausibel erklärt, allerdings macht es sich Schwarz rein schachlich gesehen durch diesen Zug eher schwerer, da er der weißen Dame damit eine Linie zum eventuellen Gegenspiel öffnet (dies zeigt sich dann auch am Schluss).
3) In der Variante zum 45. Zug von Weiß ist nicht nur 46... Se7 matt, sondern auch Tf6 matt möglich.
4) Zu 50. Dxd6 siehe meine Anmerkung unter 2)! Mit einem weißen Bauern auf d5 wäre diese Aufregung nicht mehr möglich gewesen. Kotov hatte Glück, dass das Eindringen der weißen Dame letzten Endes ungefährlich war.
Ein wenig schade finde ich die beiden Schönheitsfehler 33... Sd7 und 38... Sxd5+ schon, aber es war halt ein Kampf zwischen Menschen und nicht zwischen Maschinen.
Da kann man doch nur sagen: bitte mehr davon :-)
Kellerdrache - 01. Mär '20
Vielen Dank für eure ausführlichen Anmerkungen. Ja, eine fehlerlose Partie ist es keineswegs, auch vom Sieger nicht. Aber irgendwie macht es das beim Nachspielen ja noch spannender. Was 38...Sxd5 angeht hatte ich ja die Zeitnot Kotovs erwähnt, der wohl a) Remis durch dreimalige Stellungswiederholung vermeiden wollte und b) einfach seine 40 Züge machen musste bevor er wieder Zeit zum Denken hatte. Eine Situation, die ich aus meinen Nahschachpartien leider auch kenne.
Vabanque, du hast natürlich mit deiner Anmerkung zur Variante des 17.Zugs recht. Da merkt man sofort welche Varianten von mir sind. Umso richtiger ist dadurch die Einschätzung der Alternative b5. Wie viele von uns hätte sich verleiten lassen ?
Ob nun 28.Tg2 oder 27.gxf5 der entscheidende Fehler waren kann ich nicht entscheiden. Bronstein spricht in seinem Partiekommentar davon, dass die strategische Entscheidung eines weißen Angriffs am Königsflügel nach 17...c5 an sich bereits ein entscheidender Fehler ist. Ob er damit recht hat ?
Vabanque, du hast natürlich mit deiner Anmerkung zur Variante des 17.Zugs recht. Da merkt man sofort welche Varianten von mir sind. Umso richtiger ist dadurch die Einschätzung der Alternative b5. Wie viele von uns hätte sich verleiten lassen ?
Ob nun 28.Tg2 oder 27.gxf5 der entscheidende Fehler waren kann ich nicht entscheiden. Bronstein spricht in seinem Partiekommentar davon, dass die strategische Entscheidung eines weißen Angriffs am Königsflügel nach 17...c5 an sich bereits ein entscheidender Fehler ist. Ob er damit recht hat ?
Oli1970 - 01. Mär '20
Der 28. Zug war der, der die Stellung einbrechen ließ, so scheint es. Die Züge davor sind wohl eher Fehler der Art, dass die Stellung anderes Spiel verlangte. „Man muss ja nicht immer machen, was die Anderen von einem erwarten.“, habe ich irgendwo gelesen. ;-)
Natürlich mag auch ich einem Bronstein nicht widersprechen, aber Averbach so früh einen Fehler zu unterstellen, scheint mir zu hart. Wenn es denn einer war, so hat ihn Kotow nicht nutzen können, und die Kommentatoren in den Medien sind sich auch nicht einig.
Sind aber Haarspaltereien, ein gutes Spiel ist ein gutes Spiel. :-)
Natürlich mag auch ich einem Bronstein nicht widersprechen, aber Averbach so früh einen Fehler zu unterstellen, scheint mir zu hart. Wenn es denn einer war, so hat ihn Kotow nicht nutzen können, und die Kommentatoren in den Medien sind sich auch nicht einig.
Sind aber Haarspaltereien, ein gutes Spiel ist ein gutes Spiel. :-)
Vabanque - 01. Mär '20
>>Die Züge davor sind wohl eher Fehler der Art, dass die Stellung anderes Spiel verlangte.<<
Das sind dann eben strategische Fehler. Diese wirken sich meist nicht unmittelbar, sondern langfristig aus.
Nun macht aber gerade der von dir so sehr gescholtene 28. Zug gar nicht den Eindruck eines Fehlers. Und wie kann der 30. Zug (Se2) denn noch ein Fehler sein, Weiß hätte das Damenopfer doch auch durch andere Züge nicht mehr verhindern können?
Das sind dann eben strategische Fehler. Diese wirken sich meist nicht unmittelbar, sondern langfristig aus.
Nun macht aber gerade der von dir so sehr gescholtene 28. Zug gar nicht den Eindruck eines Fehlers. Und wie kann der 30. Zug (Se2) denn noch ein Fehler sein, Weiß hätte das Damenopfer doch auch durch andere Züge nicht mehr verhindern können?
Oli1970 - 01. Mär '20
Dass es sich um strategische Fehler handelt, hat Kotow nicht beweisen können, denke ich. Das Spiel verloren hat Averbach ganz allein. Aber auch bei ihm herrschte Zeitnot, insofern standen beide Spieler vor den gleichen Problemen.
Laut J. Nunn (und Engine) sind beide Züge falsch. Der 28., weil er die Stellung aus dem Gleichgewicht brachte. 28. f4 wäre besser gewesen. Kotow hätte nicht seinerseits f4 spielen können, die Stellung wäre für ihn unbequem geblieben. Kotow hätte f5-f4 früher spielen sollen / müssen. Für den 30. gibt Nunn De1 nebst h4 an, mit dennoch schwarzem Vorteil. Das Damenopfer wäre nicht mehr sinnvoll gewesen.
Laut J. Nunn (und Engine) sind beide Züge falsch. Der 28., weil er die Stellung aus dem Gleichgewicht brachte. 28. f4 wäre besser gewesen. Kotow hätte nicht seinerseits f4 spielen können, die Stellung wäre für ihn unbequem geblieben. Kotow hätte f5-f4 früher spielen sollen / müssen. Für den 30. gibt Nunn De1 nebst h4 an, mit dennoch schwarzem Vorteil. Das Damenopfer wäre nicht mehr sinnvoll gewesen.
Vabanque - 01. Mär '20
Was ist denn genau der Unterschied, warum nach 30. De1 statt Se2 das Damenopfer nicht mehr geht?
Oli1970 - 01. Mär '20
Verstehe ich nicht. Wohin soll es führen? Mit De1 und Lf2 ist im Falle von ..Dxh3 Kxh3 das Feld h4 doch bestens überdeckt? Oder was hast Du im Sinn? Nunn gibt daher 30. De1 Th6 31. h4 an. Brauchbar sieht laut Engine auch 30. Tg4 nebst h4 aus. Wie geschrieben mit Vorteil für Schwarz, aber immerhin rettet es das Spiel.
Vabanque - 01. Mär '20
Ah ja stimmt, nach Th6+ könnte Weiß mit der Dame auf e1 tatsächlich Lh4 spielen und muss nicht mit dem König auf g4. Aber die Stellung mit dem Bauern auf h4 sieht auch wacklig aus :-/