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Glanzpartien unbekannter Spieler (XXXIX)

Vabanque - 29. Mai '17
Nach den vielen doch recht komplizierten Partien hier mal wieder etwas Leichteres: ein schneidiger Mattangriff, gekrönt durch ein Damenopfer. Gespielt wurde die Partie bei der Mannschafts-Europameisterschaft 1961 in Oberhausen, wo ausgerechnet der jüngste Teilnehmer, der damals 19-jährige Tscheche Jindrich Trapl (1941-2010), für diese Leistung den Schönheitspreis absahnte und sogar als der 'tschechische Tal' bezeichnet wurde. Leider hat man später nicht mehr viel von ihm gehört, obwohl er noch viele Jahre Turnierschach spielte.

Jindrich Trapl Eduardo Perez Gonsalves 10 | 1961.07.02 | B17 | 1:0
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. e4 c6 2. d4 d5 3. Sc3 xe4 4. Sxe4 Sd7 5. Lc4 e6 6. De2 Sgf6 7. Sg5 Sb6 8. Lb3 h6
Der d-Bauer ist wegen Dxd4? 9. S1f3 nebst Se5 und Sxf7 unverletzlich.
9. S5f3 c5 10. xc5 Lxc5
Später hielt man den von Petrosian eingeführten Zug Sbd7 für besser. Schwarz kann dann mit dem Springer auf c5 schlagen und kontrolliert anschließend e4. Der Läufer wird auf c5 immer ein wenig deplatziert aussehen. Allerdings ist darin wohl kaum bereits die Grundlage für den schwarzen Partieverlust zu sehen.
11. Ld2 O-O 12. Se5 Sbd5
Das Springerfeld sieht ja recht schön aus, zumal sich Weiß wohl kaum zu c4 entschließen wird. Aber nach einer alten Regel (Nimzowitsch?) soll man Vorposten stets umgehend befragen, und so kam hier m.E. Sbd7 stark in Betracht. So wie Schwarz spielt, lässt er den weißen Springer komplett unbehelligt.
13. Sgf3 b6 14. O-O-O Durch die entgegengesetzten Rochaden spitzt sich die Lage nun schnell dramatisch zu. Dc7 15. g4! Weiß geht geradewegs auf die 'Angriffsmarke' h6 los. Schwarz kann die Öffnung der g-Linie nun nicht vermeiden. a5 Aber er kann (und muss!) seinerseits auf der anderen Seite Terror machen. 16. g5 Jeder Verteidigungszug auf der Damenseite wäre ein Zeitverlust, den sich Weiß nicht leisten kann. xg5 17. Lxg5 a4 18. Lxd5 Sxd5 19. Thg1 a3
Denn die scheinbare Gabel f6 scheidet wegen 20. Lh6 aus. Aber nun scheint Schwarz ja munter mitzumischen.
20. Txd5! Dieser hübsche Zug beseitigt die am besten stehende schwarze Figur und ermöglicht damit insbesondere Lf6. Aber so glatt geht das alles noch nicht, Schwarz feuert auch noch ein paar Patronen ab. xb2+ 21. Kb1 Hier sehen wir mal einen Fall, wo der feindliche Bauer einen Schutzschild für den eigenen König bildet. Da7
Oder etwa doch nicht? Schwarz droht Matt auf a2! Hingegen würde Schwarz nach xd5 22. Lf6 g6 23. Dd3! (droht Txg6+, und auf Lf5 würde die Dame den Läufer nehmen!) Te8 24. Sxg6 sofort verlieren.
22. Dc4 Der einzige Zug, der das Matt deckt. xd5 Gewinnt durch Angriff auf die weiße Dame anscheinend ein wichtiges, ja entscheidendes Tempo. 23. Lf6!!
Weiß kann die Bedrohung seiner Dame außer Betracht lassen und hat nun seinerseits das entscheidende Tempo gewonen. Nach 23. Dxd5? hingegen würde Weiß tatsächlich verlieren, z.B. Lxf2 der Angriff auf diesen Turm 'macht's', denn so kommt Weiß nicht mehr zu Lf6 24. Tg2 Da6
droht Df1+; nach Le6? 25. Lf6! würde die weiße Uhr plötzlich wieder richtig ticken!
25. Txf2 Le6
xc4
Die Annahme des Damenopfers kommt der Partieaufgabe gleich, denn Weiß hat jetzt ein Matt in 4 Zügen (möglicherweise übersah Schwarz hier, dass seinem König im 26. Zug das Feld g6 nicht zur Verfügung steht). Aber die einzige Verteidigung g6 ist ebenfalls hoffnungslos: 24. Dxd5 jetzt möglich und gut, da Txg6+ droht Le6
Lf5 deckt nicht wegen 25. Sxg6
und die einzige Möglichkeit, das Matt tatsächlich zu vermeiden, nämlich Dxa2+ 25. Dxa2 Txa2 26. Kxa2 Lxf2 27. Td1 überlässt Weiß eine Mehrfigur.
25. Dxe6!! dies wäre ein ebenbürtig schöner Partieschluss gewesen! xe6 26. Txg6+ Kh7
Dg7 27. Txg7+ Kh8 28. Sg6#
27. Sg5#
24. Txg7+ Kh8 25. Tg5+
Und jetzt sah Schwarz das Matt und gab daher auf: 25. Tg5+ Kh7 26. Th5+ Kg8 27. Th8# Ein wirklich flottes Partiechen, von Trapl mutig und konsequent vorgetragen. Aber wo nur hat Schwarz den entscheidenden Fehler gemacht?
PGN anzeigen[Date "1961.07.02"]
[EventDate "?"]
[Round "10"]
[Result "1-0"]
[White "Jindrich Trapl"]
[Black "Eduardo Perez Gonsalves"]
[ECO "B17"]
[WhiteElo "?"]
[BlackElo "?"]
[PlyCount "49"]

1. e4 c6 2. d4 d5 3. Nc3 dxe4 4. Nxe4 Nd7 5. Bc4 e6 6. Qe2 Ngf6 7. Ng5 Nb6 8.
Bb3 h6 ({Der d-Bauer ist wegen} 8... Qxd4? 9. N1f3{nebst Se5 und Sxf7 unverletzlich.}) 9. N5f3 c5 10. dxc5 Bxc5 ({Später hielt man den von Petrosian eingeführten Zug} 10... Nbd7 {für besser. Schwarz kann dann mit dem Springer auf c5 schlagen und kontrolliert anschließend e4. Der Läufer wird auf c5 immer ein wenig deplatziert aussehen. Allerdings ist darin wohl kaum bereits die Grundlage für den schwarzen Partieverlust zu sehen.}) 11. Bd2 O-O
12. Ne5 Nbd5 ({Das Springerfeld sieht ja recht schön aus, zumal sich Weiß wohl kaum zu c4 entschließen wird. Aber nach einer alten Regel (Nimzowitsch?) soll man Vorposten stets umgehend befragen, und so kam hier m.E.} 12... Nbd7 {stark in Betracht. So wie Schwarz spielt, lässt er den weißen Springer komplett unbehelligt.}) 13. Ngf3 b6 14. O-O-O {Durch die entgegengesetzten Rochaden spitzt sich die Lage nun schnell dramatisch zu.} Qc7 15. g4! {Weiß geht geradewegs auf die 'Angriffsmarke' h6 los. Schwarz kann die Öffnung der g-Linie nun nicht vermeiden.} a5 {Aber er kann (und muss!) seinerseits auf der anderen Seite Terror machen.} 16. g5 {Jeder Verteidigungszug auf der Damenseite wäre ein Zeitverlust, den sich Weiß nicht leisten kann.} hxg5 17.
Bxg5 a4 18. Bxd5 Nxd5 19. Rhg1 a3 ({Denn die scheinbare Gabel} 19... f6 {scheidet wegen} 20. Bh6 {aus. Aber nun scheint Schwarz ja munter mitzumischen.}) 20. Rxd5! {Dieser hübsche Zug beseitigt die am besten stehende schwarze Figur und ermöglicht damit insbesondere Lf6. Aber so glatt geht das alles noch nicht, Schwarz feuert auch noch ein paar Patronen ab.} axb2+ 21. Kb1 {Hier sehen wir mal einen Fall, wo der feindliche Bauer einen Schutzschild für den eigenen König bildet.} Qa7
({Oder etwa doch nicht? Schwarz droht Matt auf a2! Hingegen würde Schwarz nach} 21... exd5 22. Bf6 g6 23. Qd3! {(droht Txg6+, und auf Lf5 würde die Dame den Läufer nehmen!)} Re8 24. Nxg6 {sofort verlieren.}) 22. Qc4 {Der einzige Zug, der das Matt deckt.} exd5 {Gewinnt durch Angriff auf die weiße Dame anscheinend ein wichtiges, ja entscheidendes Tempo.} 23. Bf6!! ({Weiß kann die Bedrohung seiner Dame außer Betracht lassen und hat nun seinerseits das entscheidende Tempo gewonen. Nach} 23. Qxd5? {hingegen würde Weiß tatsächlich verlieren, z.B.}
Bxf2 {der Angriff auf diesen Turm 'macht's', denn so kommt Weiß nicht mehr zu Lf6} 24. Rg2 Qa6 ({droht Df1+; nach} 24... Be6? 25. Bf6! {würde die weiße Uhr plötzlich wieder richtig ticken!}) 25. Rxf2 Be6) 23... dxc4 ({Die Annahme des Damenopfers kommt der Partieaufgabe gleich, denn Weiß hat jetzt ein Matt in 4 Zügen (möglicherweise übersah Schwarz hier, dass seinem König im 26. Zug das Feld g6 nicht zur Verfügung steht). Aber die einzige Verteidigung} 23... g6 {ist ebenfalls hoffnungslos:} 24. Qxd5 {jetzt möglich und gut, da Txg6+ droht} Be6 (24... Bf5 {deckt nicht wegen} 25. Nxg6) ({und die einzige Möglichkeit, das Matt tatsächlich zu vermeiden, nämlich}
24... Qxa2+ 25. Qxa2 Rxa2 26. Kxa2 Bxf2 27. Rd1 {überlässt Weiß eine Mehrfigur.}) 25. Qxe6!! {dies wäre ein ebenbürtig schöner Partieschluss gewesen!} fxe6 26. Rxg6+ Kh7 (
26... Qg7 27. Rxg7+ Kh8 28. Ng6#) 27. Ng5#) 24. Rxg7+ Kh8 25. Rg5+ ({Und jetzt sah Schwarz das Matt und gab daher auf:} 25. Rg5+
Kh7 26. Rh5+ Kg8 27. Rh8# {Ein wirklich flottes Partiechen, von Trapl mutig und konsequent vorgetragen. Aber wo nur hat Schwarz den entscheidenden Fehler gemacht?}) 1-0

speedymnb - 29. Mai '17
Eine schöne Partie mit nur Taktischen Motiven, wie ich sie mag!

Zur Frage: Aber wo nur hat Schwarz den entscheidenden Fehler gemacht?
Nach 1... c6 wenn du mich fragst :)

Spaß beiseite: Wie du bereits angemerkt hast, sollte ein Springer auf e5 umgehend befragt werden, vor allem da Weiß sowieso ein Mehrtempo hat...
Kellerdrache - 29. Mai '17
Wie der Zufall so spielt hab ich gestern ein Youtube-Video über eine Partie von Judit Polgar gegen Epishin gesehen, die bis zum 10.Zug identisch mit dem vorliegenden Beispiel ist (Polgar spielte 10.Lf4 statt 10.dxc5). Die Variante scheint generell zu sehr hübschen Partien zu führen.
Die vorliegende Partie gefällt mir aber insofern besser als hier der unterlegene Gegner eigene Drohungen aufbaut und sich deutlich aktiver verteidigt. Trapls Damenopfer ist ein wirklich würdiger Schluß. Ein besonderes Lob für die Kommentierung. Die angegebenen Varianten zum 23.Zug gefallen mir fast noch besser al die gespielten Züge ;-))
perip - 29. Mai '17
Sehr schöne Partie und verständlich kommentiert.

In der Schlusskombination wäre 25. Tg6+ etwas schneller gewesen, wenn ich nichts übersehen habe. Das Feld g5 bleibt dann frei für den Springer und das Matt im nächsten Zug.
Vabanque - 29. Mai '17
Ähem ... stimmt tatsächlich ;)

Hatte ich ebensowenig gesehen wie der Weißspieler. Aber klar, wenn man ein Matt sieht, sucht man nicht nach einem noch schnelleren, d.h. in der praktischen Partie tut man das nicht, in einer Schachaufgabe natürlich schon.
perip - 29. Mai '17
Klar, ich spiele auch meist eher pragmatisch :)

Fiel mir halt nur auf, weil man bei einem Abzugsschach ja meist einige Optionen hat, was man mit der abziehenden Figur anstellt.
Vabanque - 29. Mai '17
Stimmt, aber mir hätte es eigentlich auffallen müssen, da die zum 23. Zug von Schwarz angegebene Variante ja mit demselben Matt schließt ...

Und dann habe ich noch die Lebensdaten von Trapl falsch angegeben, er ist 1942 geboren, nicht 1941. Natürlich ist das keinem aufgefallen, da ihn ja sowieso keiner kennt ...
Kellerdrache - 30. Mai '17
Gratulation an perip ! War mir gar nicht aufgefallen und dem Kollegen Vabanque wohl auch nicht. Trapl mag es egal gewesen sein, einen Perfektionisten wie Fischer hätte es sehr geärgert ;-)).