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Morozevichs Mittelgamit
Oli1970 - 07. Dez '20
Gestern noch in den Schachthemen, heute in den kommentierten Spielen - Morozevichs Mittelgambit! :-) Danke für den Dialog, Alapin2 und Vabanque - damit habt Ihr auf ein spannendes Spiel aufmerksam gemacht.
Selten, aber manchmal eben doch, spielen Großmeister noch das Mittelgambit. Alexander Morozevich hat ein Faible für unorthodoxe Eröffnungen und ist für aggressives Spiel bekannt. Beim Lloyds Bank Masters Open 1994 spielte er diese Eröffnung gegen Mark Hebden, der ebenfalls den Titel eines Großmeisters trägt.
Zunächst verlassen sich die Spieler auf eine Hauptvariante der Eröffnung. Hebden unterläuft bereits im 10. Zug ein Fehler, indem er sich nicht genügend gegen das Vorrücken von Morozevichs h-Bauern stemmt. So gelangt Weiß bereits in der Eröffnung in erheblichen Vorteil. Im 15. Zug kontert Morozevich Hebdens Angriffsplan am Damenflügel elegant und sehenswert aus. Nochmal zehn Züge später ein weiterer brillanter Zug - ein Qualitätopfer als einziger Zug, der das Spiel gewinnt!































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Selten, aber manchmal eben doch, spielen Großmeister noch das Mittelgambit. Alexander Morozevich hat ein Faible für unorthodoxe Eröffnungen und ist für aggressives Spiel bekannt. Beim Lloyds Bank Masters Open 1994 spielte er diese Eröffnung gegen Mark Hebden, der ebenfalls den Titel eines Großmeisters trägt.
Zunächst verlassen sich die Spieler auf eine Hauptvariante der Eröffnung. Hebden unterläuft bereits im 10. Zug ein Fehler, indem er sich nicht genügend gegen das Vorrücken von Morozevichs h-Bauern stemmt. So gelangt Weiß bereits in der Eröffnung in erheblichen Vorteil. Im 15. Zug kontert Morozevich Hebdens Angriffsplan am Damenflügel elegant und sehenswert aus. Nochmal zehn Züge später ein weiterer brillanter Zug - ein Qualitätopfer als einziger Zug, der das Spiel gewinnt!
Morozevich, Alexander Hebden, Mark L Lloyds Bank Open | London ENG | 6 | 1994 | C22 | 1:0
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. e4 e5 2. d4 xd4 3. Dxd4 Das Mittelgambit mit seinem am häufigsten gespielten Zug. Alternativ wird zu c2-c3 (Nordisches oder Dänisches Gambit) gegriffen, aber auch Entwicklung mit Sf3 oder Lc4 ist möglich. Sc6 4. De3 Paulsen-Eröffnung oder auch Paulsen-Angriff. Sf6 5. Sc3 Lb4 6. Ld2 O-O 7. O-O-O Die gegensätzlichen Rochaden versprechen ein scharfes Spiel. Te8 8. Dg3 Bislang die meistgespielten Hauptzüge dieser Mittelgambit-Variante. d6?! Ein durchaus geläufiger Zug von Schwarz, jedoch gibt es mit Txe4 oder Sxe4 Fortsetzungen zu dessen Gunsten. Der Textzug lässt dem Weißen die Initiative. Dennoch eine bevorzugte Wahl z. B. von Karpov. 9. f3 Se5 10. h4 Da lang rochiert wurde, dürfen die Bauern laufen. Bh5 und möglicherweise g4 und/oder Lg5 werden damit vorbereitet. c6?! Vorzuziehen war h7-h6, um gegen h4-h5 vorbereitet zu sein. 11. h5 d5 12. Sge2 Sc4 13. h6 g6 14. Lg5 Db6?! Lässt den Läufer hängen, da dies die Stellung nicht verschlechtert und die Drohung Dxb2# in der Luft liegt. Das Problem ist jedoch die Antwort 15.Sa4. 15. Sa4!! Genial gezogen! Das Feld b2 ist geschützt und die Drohungen Ld2+ und De3+ ziehen nicht, da der Lg5 vollständige Deckung gibt. Der Springer zieht den Schwarzen in eine Stellung, die seine Beweglichkeit nimmt. Es ist beachtenswert, wie die Dame immer wieder zum Ziehen gezwungen wird und selbst durch die nachfolgenden Abtausche Morozevich seine Stellung verbessert. Da5 oder Db5, Schwarz muss voran.
Dd8? Durch den Rückzug auf die Grundreihe erhält Weiß starken Angriff; der Schwarze wird zurückgedrängt und unbeweglich gemacht. Tausch um Tausch verbleibt Schwarz am Ende mit der deutlich schlechteren Bauernstruktur. 16. Sec3 Sb6 17. Sxb6 xb6 18. Dh4 Le7 19. Lc4 Le6 20. xd5 Sxd5 21. Lxe7 Dxe7 22. Dxe7 Txe7 23. Lxd5 Lxd5 24. Sxd5 xd5 25. Txd5
16. Lxf6 Dxa4 17. Sc3 Lxc3 18. Lxc3 Se3 Droht Dxc2#! 19. b3 Dxa2 20. Td2 Da3+ 21. Lb2 De7 22. Le2 xe4?? Öffnet Morozevich die d-Linie. Was zunächst wie ein normaler Zug aussieht, leitet das Ende ein. 23. xe4 Dxe4 24. Dg5 Es droht 25. Df6 Kf8 26. La3+ und matt nach Dh8. Sd5 25. Txd5!! Der einzige Zug zum Gewinn! Dxd5 Weiß hat eine Gewinnstellung erreicht. Bestes Gegenspiel wäre noch Lf5 mit der Drohung Dxc2# gewesen. 26. Df6 Kf8 Einziger Zug, der das Matt verhindert. 27. Lc4 Hebden gab auf, die Stellung ist nicht zu halten. Antwortzüge, außer Te6, führen ins Matt. Spätestens jetzt wird offensichtlich, warum es ein Fehler war, im 22. Zug die Linien zu öffnen - Weiß ist in einer Gewinnstellung. Der Fluchtweg des Königs führt durch die offene Mitte, der Th8 kann sich zum Spieß auf Te8 oder gegen Dame aufstellen. Anzumerken ist, dass sofortiges La3 und vor allen Dingen Td1 noch stärker als der Spielzug gewichtet sind. Ein einfacher ist Plan, nach Dh8+ den h-Bauern wegzuräumen und zur Umwandlung zu schreiten.
micha23 - 08. Dez '20
Hallo Oli,
vielen Dank für diese tolle Studie,
hat Spaß gemacht sie durchzuspelen.
Gruß,
Michael
vielen Dank für diese tolle Studie,
hat Spaß gemacht sie durchzuspelen.
Gruß,
Michael
Alapin2 - 08. Dez '20
War sooo gut, dass ich mich gleich fürs Thematurnier angemeldet habe. Danke, Oli
Oli1970 - 08. Dez '20
Danke Euch fürs Ansehen der Partie und der Rückmeldung! :-)
Viel Spaß und Erfolg beim Turnier - und danke für den Hinweis auf diese kleine Perle, Alapin!
Viel Spaß und Erfolg beim Turnier - und danke für den Hinweis auf diese kleine Perle, Alapin!
Vabanque - 13. Dez '20
Im Gegensatz zur Partie Janowski-Alapin, zu der ich gerade ein paar Anmerkungen geschrieben habe, ist diese hier deutlich komplizierter und undurchsichtiger. Typisch Morossewitsch halt, seine Partien sind nie langweilig, aber meist versteht man auch nicht sehr viel.
Die Anmerkungen helfen natürlich beim Verständnis, aber manche der gegebenen Varianten sind für mich auch undurchsichtig, weil sich auch in den Varianten wiederum Fragen nach möglichen Abweichungen aufdrängen. Man fragt sich natürlich, ob die Spieler selbst da überhaupt alles verstanden haben, was sie gespielt haben :-)
Richtig verständlich wird die Partie für mich erst nach dem schwarzen 22... dxe4, aber da ist sie dann auch schon so gut wie vorbei. Dass dieser Zug dem Weißen die d-Linie öffnet, dürfte Hebden vermutlich durchaus klar gewesen sein, er hatte aber vielleicht noch die Hoffnung, sie mit 24... Sd5 erfolgreich verstopfen und zugleich Df6 verhindern zu können. Die weiße Antwort zeigt, dass dies nicht der Fall ist, aber hätte Schwarz denn ohne den Fehlzug 22... dxe4 überhaupt noch eine reelle Chance gehabt? Der weiße Bh6 ist ein Sargnagel, und der weiße Lb2 leuchtet wie ein Laserstrahl in die schwarze Königsstellung hinein. Es würde mich wundern, wenn es gegen diese Aufstellung noch eine wirksame Verteidigung gäbe.
Der Schluss ist natürlich sehr hübsch, und 27. Lc4 ist sicher der einfachste, weil kurz und schnell zu berechnende Entscheidungszug, auch wenn Engines möglicherweise andere Züge als noch stärker bewerten. Ich würde z.B. die Varianten, die den Gewinn nach 27. Td1 nachweisen, gar nicht konkret sehen. Nach 27. Lc4 dagegen operiert Weiß mit zwei Drohungen, eine auf der Diagonalen c4-f7, und eine auf der Diagonalen a3-f8, die Schwarz natürlich nicht gleichzeitig abwehren kann.
Die Anmerkungen helfen natürlich beim Verständnis, aber manche der gegebenen Varianten sind für mich auch undurchsichtig, weil sich auch in den Varianten wiederum Fragen nach möglichen Abweichungen aufdrängen. Man fragt sich natürlich, ob die Spieler selbst da überhaupt alles verstanden haben, was sie gespielt haben :-)
Richtig verständlich wird die Partie für mich erst nach dem schwarzen 22... dxe4, aber da ist sie dann auch schon so gut wie vorbei. Dass dieser Zug dem Weißen die d-Linie öffnet, dürfte Hebden vermutlich durchaus klar gewesen sein, er hatte aber vielleicht noch die Hoffnung, sie mit 24... Sd5 erfolgreich verstopfen und zugleich Df6 verhindern zu können. Die weiße Antwort zeigt, dass dies nicht der Fall ist, aber hätte Schwarz denn ohne den Fehlzug 22... dxe4 überhaupt noch eine reelle Chance gehabt? Der weiße Bh6 ist ein Sargnagel, und der weiße Lb2 leuchtet wie ein Laserstrahl in die schwarze Königsstellung hinein. Es würde mich wundern, wenn es gegen diese Aufstellung noch eine wirksame Verteidigung gäbe.
Der Schluss ist natürlich sehr hübsch, und 27. Lc4 ist sicher der einfachste, weil kurz und schnell zu berechnende Entscheidungszug, auch wenn Engines möglicherweise andere Züge als noch stärker bewerten. Ich würde z.B. die Varianten, die den Gewinn nach 27. Td1 nachweisen, gar nicht konkret sehen. Nach 27. Lc4 dagegen operiert Weiß mit zwei Drohungen, eine auf der Diagonalen c4-f7, und eine auf der Diagonalen a3-f8, die Schwarz natürlich nicht gleichzeitig abwehren kann.
Vabanque - 13. Dez '20
Nun ist dieser Beitrag seit 6 Tagen online, und ich habe ihn seitdem mehrmals angeklickt, und erst jetzt entdecke ich den Tippfehler im Titel ...
Oli1970 - 13. Dez '20
Danke Dir für die Anmerkungen zur Partie, Vabanque! Wie so oft, war auch diese Kommentierung eine Gratwanderung zwischen Zeigen und Weglassen, Anreißen und Verschweigen. Mal sehen, was ich auf Deine Einlassungen für Hinweise, Erklärungen und Ausreden finde ...
>[Diese Partie ist] deutlich komplizierter und undurchsichtiger.<
Da möchte ich nicht widersprechen - sie hat die CPU und mich gut gefordert, da mir diesmal keine Quellen zur Verfügung standen. Ein großer Knackpunkt war z. B. Db6 als Fehler zu begründen oder im Anschluss darzulegen, warum Schwarz nicht einfach zurück geht, statt sich mit Da5 in den Strudel ziehen zu lassen.
>... aber manche der gegebenen Varianten sind für mich auch undurchsichtig ...<
Die Varianten um den 15. und 16. Zug sind sicher komplex, aber in der Länge m. E. notwendig um zu sehen, wie sich die Situation nach Alternativzügen möglicherweise entwickelt hätte. Ich habe mich bemüht, "treffende" Abspiele zu finden. Natürlich hat ein Spieler immer die Möglichkeit, abzuweichen, was hier in der Kommentierung allerdings zu weit geführt hätte. Dazu gehört z. B. schon 16...Sb6, wozu es schon alternative Möglichkeiten gibt. Die Optionen darf der/die Nachspielende gerne offline prüfen.
>... aber hätte Schwarz denn ohne den Fehlzug 22... dxe4 überhaupt noch eine reelle Chance gehabt?<
Nein, sicher nicht. Schwarz stand trotz Mehrbauern laut Engine rund 4 BE schlechter. Der Zug haute den Nagel nur tiefer rein - war aber vermutlich dennoch ein kalkuliertes Risiko. Denn z. B. weißes 23.Df2 statt fxe4 hätte die Stellung ins Remis geführt und insofern hätte man dem Zug statt ?? vielleicht auch !? verpassen können. Natürlich immer nur, wenn man unterstellt, dass Hebden diese Überlegung hatte.
>Ich würde z.B. die Varianten, die den Gewinn nach 27. Td1 nachweisen, gar nicht konkret sehen.<
Nach 27.Td1 ist der Gewinnweg sicherlich nicht offensichtlich; selbst die Engine muss lange rechnen, bis sie ein Matt in 13 - sowohl nach Df5 als auch nach Te6 - ausspuckt. La3 z. B. fand ich dagegen vollkommen logisch, um dem König zunächst noch den Weg abzuschneiden. Lc4 ist psychologisch stark: Das drohende Matt auf f7, mögliche Verteidigung vielleicht durch Dd7, dann jedoch La3+, Matt durch Dg7 oder Dh8 - der Druck ist unglaublich.
Hier reichte es mir, der Vollständigkeit halber den Hinweis auf die Engine-Vorschläge zu geben, denn es machte in meinen Augen keinen Sinn, einen "unmenschlichen" oder auch nur übermäßig langen Gewinnweg zu demonstrieren. Sonst wäre auch zu zeigen gewesen, wie Te6 das Spiel offen hält, obwohl die Stellung längst verloren ist. Auch der Gewinn mit Lc4 ist natürlich verkürzt dargestellt.
>Tippfehler im Titel<
Tja, blöd gelaufen. Aber auf meinem Bildschirm habe ich ihn mit Tipp-Ex schon korrigiert. Bitte nachmachen! :-P
>[Diese Partie ist] deutlich komplizierter und undurchsichtiger.<
Da möchte ich nicht widersprechen - sie hat die CPU und mich gut gefordert, da mir diesmal keine Quellen zur Verfügung standen. Ein großer Knackpunkt war z. B. Db6 als Fehler zu begründen oder im Anschluss darzulegen, warum Schwarz nicht einfach zurück geht, statt sich mit Da5 in den Strudel ziehen zu lassen.
>... aber manche der gegebenen Varianten sind für mich auch undurchsichtig ...<
Die Varianten um den 15. und 16. Zug sind sicher komplex, aber in der Länge m. E. notwendig um zu sehen, wie sich die Situation nach Alternativzügen möglicherweise entwickelt hätte. Ich habe mich bemüht, "treffende" Abspiele zu finden. Natürlich hat ein Spieler immer die Möglichkeit, abzuweichen, was hier in der Kommentierung allerdings zu weit geführt hätte. Dazu gehört z. B. schon 16...Sb6, wozu es schon alternative Möglichkeiten gibt. Die Optionen darf der/die Nachspielende gerne offline prüfen.
>... aber hätte Schwarz denn ohne den Fehlzug 22... dxe4 überhaupt noch eine reelle Chance gehabt?<
Nein, sicher nicht. Schwarz stand trotz Mehrbauern laut Engine rund 4 BE schlechter. Der Zug haute den Nagel nur tiefer rein - war aber vermutlich dennoch ein kalkuliertes Risiko. Denn z. B. weißes 23.Df2 statt fxe4 hätte die Stellung ins Remis geführt und insofern hätte man dem Zug statt ?? vielleicht auch !? verpassen können. Natürlich immer nur, wenn man unterstellt, dass Hebden diese Überlegung hatte.
>Ich würde z.B. die Varianten, die den Gewinn nach 27. Td1 nachweisen, gar nicht konkret sehen.<
Nach 27.Td1 ist der Gewinnweg sicherlich nicht offensichtlich; selbst die Engine muss lange rechnen, bis sie ein Matt in 13 - sowohl nach Df5 als auch nach Te6 - ausspuckt. La3 z. B. fand ich dagegen vollkommen logisch, um dem König zunächst noch den Weg abzuschneiden. Lc4 ist psychologisch stark: Das drohende Matt auf f7, mögliche Verteidigung vielleicht durch Dd7, dann jedoch La3+, Matt durch Dg7 oder Dh8 - der Druck ist unglaublich.
Hier reichte es mir, der Vollständigkeit halber den Hinweis auf die Engine-Vorschläge zu geben, denn es machte in meinen Augen keinen Sinn, einen "unmenschlichen" oder auch nur übermäßig langen Gewinnweg zu demonstrieren. Sonst wäre auch zu zeigen gewesen, wie Te6 das Spiel offen hält, obwohl die Stellung längst verloren ist. Auch der Gewinn mit Lc4 ist natürlich verkürzt dargestellt.
>Tippfehler im Titel<
Tja, blöd gelaufen. Aber auf meinem Bildschirm habe ich ihn mit Tipp-Ex schon korrigiert. Bitte nachmachen! :-P