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Knackige Kombinationen - Ding Liren

Oli1970 - 22. Jan '21
Während der finalen Begegnungen der Carlsen Tour 2020 führte Ding Liren im zweiten Spiel gegen Magnus Carlsen in einer Rapid-Partie im Modus 15 + 10 die weißen Figuren. Das erste Spiel konnte Carlsen für sich entscheiden. Heraus kam ein Königsinder, den Ding nach 31 Zügen mit einem Matt für sich entscheiden konnte. Die Partie ist eine kleine Perle unter den Schnellschach-Spielen, da sie eine sehenswerte Kombination enthält. Ding führt seinen Angriff mit dem Läuferpaar, das sich für den Erfolg opfern muss. Die Kombination startet mit dem 26. Zug, mit dem Ding eine fabelhafte Falle stellt. Die Varianten um den 23. und 24. Zug zeigen, dass Zugumstellungen nicht beliebig sind.

Ding, Liren Carlsen, Magnus Carlsen Tour Final 2020 | chess24.com INT | 1.42 | 2020.08.12 | E62 | 1:0
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. d4 Sf6 2. c4 g6 Wohl die erste Überraschung, dass Carlsen - aus dem ersten Spiel in Führung liegend - nicht auf Nummer sicher geht, sondern sich für Königsindisch entscheidet. 3. g3 Lg7 4. Lg2 O-O 5. Sc3 d6 6. Sf3 Sc6 7. O-O Ding und Carlsen zeigen einen gewöhnlichen Königsinder. e5 8. d5 Se7 9. e4 Weiß hat in diesem System einen sehr soliden Aufbau. b6!? Ein zweischneidiger Zug, weil er Ding einen temporalen Vorteil verschafft. Der Zug sichert zwar c5, ihm kann jedoch mit a3 und / oder b4 begegnet werden. 10. Tb1 Weiß bereitet b4 vor. a5 Carlsen holt sich Raum am Damenflügel. Dieser wird bislang allerdings nicht durch Leichtfiguren gesichert. Ding hat mit seinem Aufbau einen leichten Vorteil, einfaches a2-a3 genügt, um b4 ausreichend zu unterstützen. 11. Te1 Sd7 12. a3 h6 Gespielt als Versicherung gegen Sg5.
f5 13. Sg5! mit der Drohung, bei nächster Gelegenheit Se6 zu spielen. Für Schwarz schwierig zu verhindern: Sc5 14. b4 xb4 15. xb4 Sxe4 16. Sxe4 xe4 17. Lxe4 mit noch immer gutem Vorteil. Nach weiterem Se6 Lxe6 und dxe6 ist der entstandene Freibauer auf der 6. Reihe ein schöner Stachel im Fleisch des Schwarzen.
13. Sh4! Weiß spielt weiter mit Blick auf f5 und g6! f5
Falls g5 , dann 14. Sf5 Sxf5 15. xf5 und Weiß dringt immer weiter vor. Mit g3-g4 wird Bf5 gestützt und der Springer nach e4 gebracht, um Schwarz weitere Luft zu nehmen.
14. xf5 xf5
Sxf5? 15. Sxg6 Tf6 16. Dh5 Es droht g4 nebst Lh6.
15. Dc2 drückt weiter auf f5. Sf6 16. b4 Ding wechselt zum Damenflügel. Beabsichtigtes c4-c5 soll Schwarz überlasten. Ld7 17. c5 xb4 18. xb4 e4 Carlsen öffnet nach der a-Linie auch die Läuferdiagonale. Zum Vorteil? 19. c6 Zwei Möglichkeiten für den Läuferrückzug. Le8 sichert g6, blockiert jedoch die Dame als starke Verteidigerin. Andererseits kann Lf7 mit Ziel auf den d-Bauern folgen. Lc8 verhindert mögliches Gegenspiel der Dame durch einen Ausflug über die a-Linie. Le8 20. f3 Weiß greift wieder im Zentrum an. Schlagen ist schlecht möglich, da nach Lxf3 sowohl der Läufer als auch der Turm mobil werden. Sxd5 Carlsen ist quasi gezwungen, abzutauschen. 21. Sxd5 Sxd5 22. xe4 xe4?
Sc3 23. Tb3 Sb5 mit Drohung einer Gabel nach Sd4.
23. Lxe4?
23. Txe4! Ding hat eine starke Fortsetzung verfehlt. Es droht Txe8 mit nachfolgender Angriffswelle durch Ld5+, Sg6 nebst Sf8 und Dh7. Oder je nach Antwort einfach Tf4, Tg4 oder Sf5 und Aktivierung der Läufer über b2 und d5.
Sc3 Etwas zu schnell gespielt. Die Varianten hier und zum 24. Zug zeigen, dass die Zugreihenfolge nicht beliebig ist.
Ld4+ 24. Kh1 Durch das Zwischenschach ist Kh1 die beste Alternative.
24. Le3 Was in der Variante zum 24. Zug unten funktioniert, klappt hier nicht wegen Sxe3!
Sc3 25. Lb2
25. Lxh6? Tf2!
Tf2
24. Lxh6 Df6?? Als Deckung gut gemeint, ist dies dennoch der Anfang vom Ende.
Ld4+ 25. Le3 Nicht Kh1, denn dann folgt Tf2 mit schwarzem Angriff.
Sxb1?? ändert nichts am Verlauf. 25. Lh7+!
25. Lh7+ Kh8 Denn auf Kf7 spielt Weiß Tf1 mit Damengewinn. Ding sah die Möglichkeit einer wundervollen Kombination. 26. Txe8!! Txe8? Carlsen geht in die Falle! Der Rest ist (fast) ein Selbstläufer.
Lxh6 um die Partie im Status quo zu halten. 27. Te7 Lg7 28. Tbe1
27. Sg6+ Kxh7 Läufer Nr. 1 muss dran glauben. 28. Sf8+ Kxh6 Der 2. Läufer geht in die ewigen Jagdgründe ein - Carlsen lässt das Finale zu.
Kg8 hätte dass Ende hinaus gezögert, das Endspiel ist dennoch verloren. 29. Dh7+ Kf7
Kxf8 30. Lxg7+
30. Tf1
29. Dh7+ Kg5 30. Dh4+ Kf5 31. Df4#
PGN anzeigen
[Event "Carlsen Tour Final 2020"]
[Site "chess24.com INT"]
[Date "2020.08.12"]
[Round "1.42"]
[White "Ding, Liren"]
[Black "Carlsen, Magnus"]
[Result "1-0"]
[WhiteElo "2791"]
[BlackElo "2863"]
[ECO "E62"]
[EventDate "2020.08.09"]
[WhiteTitle "GM"]
[BlackTitle "GM"]
[Opening "King's Indian"]
[Variation "fianchetto, Uhlmann (Szabo) variation"]
[WhiteFideId "8603677"]
[BlackFideId "1503014"]

1.d4 Nf6 2.c4 g6
{Wohl die erste Überraschung, dass Carlsen - aus dem ersten Spiel in Führung liegend - nicht auf Nummer sicher geht, sondern sich für Königsindisch entscheidet.}
3.g3 Bg7 4.Bg2 O-O 5.Nc3 d6 6.Nf3 Nc6 7.O-O
{Ding und Carlsen zeigen einen gewöhnlichen Königsinder.}
7...e5 8.d5 Ne7 9.e4
{Weiß hat in diesem System einen sehr soliden Aufbau. }
9...b6 $5
{Ein zweischneidiger Zug, weil er Ding einen temporalen Vorteil verschafft. Der Zug sichert zwar c5, ihm kann jedoch mit a3 und / oder b4 begegnet werden.}
10.Rb1
{Weiß bereitet b4 vor.}
10...a5
{Carlsen holt sich Raum am Damenflügel. Dieser wird bislang allerdings nicht durch Leichtfiguren gesichert. Ding hat mit seinem Aufbau einen leichten Vorteil, einfaches a2-a3 genügt, um b4 ausreichend zu unterstützen.}
11.Re1 Nd7 12.a3 h6
{Gespielt als Versicherung gegen Sg5.}
( 12...f5 13.Ng5 $1 {mit der Drohung, bei nächster Gelegenheit Se6 zu spielen. Für Schwarz schwierig zu verhindern:} 13...Nc5 14.b4 axb4 15.axb4 Nxe4 16.Ncxe4 fxe4 17.Bxe4 {mit noch immer gutem Vorteil. Nach weiterem Se6 Lxe6 und dxe6 ist der entstandene Freibauer auf der 6. Reihe ein schöner Stachel im Fleisch des Schwarzen.} )
13.Nh4 $1
{Weiß spielt weiter mit Blick auf f5 und g6!}
13...f5
( {Falls} 13...g5 {, dann} 14.Nf5 Nxf5 15.exf5 {und Weiß dringt immer weiter vor. Mit g3-g4 wird Bf5 gestützt und der Springer nach e4 gebracht, um Schwarz weitere Luft zu nehmen.} )
14.exf5 gxf5
( 14...Nxf5 $2 15.Nxg6 Rf6 16.Qh5 {Es droht g4 nebst Lh6.} )
15.Qc2
{drückt weiter auf f5.}
15...Nf6 16.b4
{Ding wechselt zum Damenflügel. Beabsichtigtes c4-c5 soll Schwarz überlasten.}
16...Bd7 17.c5 axb4 18.axb4 e4
{Carlsen öffnet nach der a-Linie auch die Läuferdiagonale. Zum Vorteil?}
19.c6
{Zwei Möglichkeiten für den Läuferrückzug. Le8 sichert g6, blockiert jedoch die Dame als starke Verteidigerin. Andererseits kann Lf7 mit Ziel auf den d-Bauern folgen. Lc8 verhindert mögliches Gegenspiel der Dame durch einen Ausflug über die a-Linie.}
19...Be8 20.f3
{Weiß greift wieder im Zentrum an. Schlagen ist schlecht möglich, da nach Lxf3 sowohl der Läufer als auch der Turm mobil werden. }
20...Nfxd5
{Carlsen ist quasi gezwungen, abzutauschen.}
21.Nxd5 Nxd5 22.fxe4 fxe4 $2
( 22...Nc3 23.Rb3 Nb5 {mit Drohung einer Gabel nach Sd4.} )
23.Bxe4 $2
( 23.Rxe4 $1 {Ding hat eine starke Fortsetzung verfehlt. Es droht Txe8 mit nachfolgender Angriffswelle durch Ld5+, Sg6 nebst Sf8 und Dh7. Oder je nach Antwort einfach Tf4, Tg4 oder Sf5 und Aktivierung der Läufer über b2 und d5. } )
23...Nc3
{Etwas zu schnell gespielt. Die Varianten hier und zum 24. Zug zeigen, dass die Zugreihenfolge nicht beliebig ist.}
( 23...Bd4+ 24.Kh1 {Durch das Zwischenschach ist Kh1 die beste Alternative.}
( 24.Be3 {Was in der Variante zum 24. Zug unten funktioniert, klappt hier nicht wegen Sxe3!} )
24...Nc3 25.Bb2
( 25.Bxh6 $2 Rf2 $1 )
25...Rf2 )
24.Bxh6 Qf6 $4
{Als Deckung gut gemeint, ist dies dennoch der Anfang vom Ende.}
( 24...Bd4+ 25.Be3 {Nicht Kh1, denn dann folgt Tf2 mit schwarzem Angriff.} )
( 24...Nxb1 $4 {ändert nichts am Verlauf.} 25.Bh7+ $1 )
25.Bh7+ Kh8
{Denn auf Kf7 spielt Weiß Tf1 mit Damengewinn. Ding sah die Möglichkeit einer wundervollen Kombination.}
26.Rxe8 $3 Rfxe8 $2
{Carlsen geht in die Falle! Der Rest ist (fast) ein Selbstläufer.}
( 26...Bxh6 {um die Partie im Status quo zu halten.} 27.Re7 Bg7 28.Rbe1 )
27.Ng6+ Kxh7
{Läufer Nr. 1 muss dran glauben.}
28.Nf8+ Kxh6
{Der 2. Läufer geht in die ewigen Jagdgründe ein - Carlsen lässt das Finale zu.}
( 28...Kg8 {hätte dass Ende hinaus gezögert, das Endspiel ist dennoch verloren.} 29.Qh7+ Kf7
( 29...Kxf8 30.Bxg7+ )
30.Rf1 )
29.Qh7+ Kg5 30.Qh4+ Kf5 31.Qf4# 1-0
Alapin2 - 22. Jan '21
Oli: Habe noch nicht Deine Kommentierung gelesen... für sowas nehme ich mir immer richtig viel Zeit. Klasse, daß Du Dir immer soviel Mühe machst, meine
Lieblingsrubrik hier, neben den Schachaufgaben. Ich z. Zt. "Fastfood" (Aufgaben), Du bringst die wirklich hintergruendigen Sachen!
Toll!
Oli1970 - 22. Jan '21
Danke für die Blumen, ich hoffe, die Erwartungen werden erfüllt. :-)
Das Fastfood konsumiere ich auch, zumeist mit mäßigem Erfolg. Dort gebe ich zu schnell auf. Aber Deine neue Reihe hat es mir um so mehr angetan. Wunderbares Taktiktraining, ganz schön ernüchternd, wenn man merkt, dass das Netz Löcher hat! ;-)
Vabanque - 23. Jan '21
Erstaunlich, dass sich Carlsen hier wirklich mattsetzen lässt.

Aber das Mattbild ist wirklich sehenswert und hat mit dem weißen Springer f8, der dem schwarzen König die Felder e6 und g6 nimmt, wohl auch Seltenheitswert.
Alapin2 - 28. Jan '21
Habe mir endlich mal Zeit genommen, die Partie in Ruhe durchzuspielen.
Klasse Partie und sehr verständlich kommentiert. Allerdings von Magnus etwas
unambitioniert und mit merkwürdiger Eröffnungsbehandlung (b6) gespielt. Um so etwas zu widerlegen, braucht es allerdings so einen starken Spieler wie Ding!
Scherzfrage : Was hat ein chinesischer Großmeister mit einer bayrischen Tropfsteinhöhle gemeinsam??
Die Bezeichnung "Riesending"!
Vabanque - 28. Jan '21
>>Allerdings von Magnus etwas
unambitioniert und mit merkwürdiger Eröffnungsbehandlung (b6) gespielt.<<

In dieser Partie ist Carlsen tatsächlich kaum wiederzuerkennen :-/

Was Züge wie b6 betrifft, so möchte ich hier aber nochmal meine Meinung bekräftigen, die in einem anderen Thread nur Hohngelächter erntete: Der Zug sieht aus wie ein Amateurzug aus der Bezirksliga, aber wenn Carlsen diesen Zug macht, macht er ihn aus ganz anderen Gründen als der Bezirksligaspieler! Auch wenn der Zug immer gleich gut oder schlecht ist, egal wer ihn spielt (so weit stimme ich ja meinem damaligen Kritiker zu, leider habe ich vergessen, wer es war), so spielt ihn ein Carlsen sicher nicht ohne tiefe Gedanken dahinter, während ihn der Amateur ganz unbekümmert 'einfach so' zieht.
Canal_Prins - 28. Jan '21
@ Vabanque
...der Springerzug (Sd7) wäre bestimmt für Magnus besser gewesen. Dieser jedoch war bedacht einen Einbruch von weiss auf den rechten Damenflügel mit (Ld2), h6 und Dc1zu verhindern.

Die Überlegungen waren nicht abwegig oder aus der Luft gegriffen, obwohl er dadurch seinen Gegner Liren einen (fas) uneinholbaren Positionsvorteil verschaffte.