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Leicht, locker und lehrreich (IX): Charousek-Burn 1898
Vabanque - 07. Okt '18
Der im Alter von 26 Jahren verstorbene ungarisch-tschechische Meister Rudolf (eigentl. Reszö) Charousek (1873-1900) nimmt in der Schachgeschichte eine Sonderstellung ein. Sein Name dürfte leider heute nur noch wenigen Schachfreunden geläufig sein. Charousek steht zwischen der 'alten' (heute meist romantisch genannten) Schule und der damals neu aufgekommenen (und als 'trocken' verschrieenen) Schule des Positionsspiels. Er spielte häufig das Königsgambit und andere zu seiner Zeit bereits 'veraltete' Eröffnungen (weswegen er oft als Romantizist oder Anachronist missverstanden wurde), gewann diese Partien aber selten in dem opferreichen 'brillanten' Stil der romantischen Schule. Er behandelte statt dessen die alten Gambiteröffnungen positionell und wickelte sogar in Gambiteröffnungen gezielt ins Endspiel ab. Daher wirken seine Partien, die vor über 100 Jahren gespielt wurden, heute noch (oder wieder!) erstaunlich modern. Hier möchte ich euch ein Beispiel dieser Behandlungsweise des Königsgambits zeigen.
SF Kellerdrache hatte in der Reihe 'Die Vergessenen' schon einmal eine Partie von Charousek gebracht: /forum/topic.html?key=df413c331ee64efd&sv=10
In der folgenden Partie spielt Charousek allerdings nicht gegen einen Amateur, sondern gegen einen führenden Meister seiner Zeit, nämlich Amos Burn (1848-1925), der ihn ein Jahr früher (beim Turnier Berlin 1897, in dem Charousek den 1. Platz belegte) sogar besiegt hatte.
Wegen weiterer biografischer Details siehe de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Charousek































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Ein paar allgemeine Prinzipien, die durch diese Partie illustriert werden, sind mir auch diesmal eingefallen (natürlich wieder mal zu lang geraten, wie immer):
1) Bauernopfer in der Eröffnung können auch positioneller Natur sein. Man kann nicht nur Entwicklungsvorsprung und offene Linien bzw. Diagonalen für den Bauern eintauschen (was ja normalerweise der Sinn und Zweck des Gambitspiels ist). Hier erhält Weiß für den Bauern starke Felder, während Schwarz mit Felderschwächen verbleibt. Diese sind dann statische Nachteile für den Verteidiger, die sich nicht so einfach verflüchtigen können wie ein Entwicklungsrückstand. Schwarz kann seinen König schlecht in der Mitte lassen, aber wenn er rochiert, ist er von schwachen Feldern umgeben.
2) Frühzeitige Drohungen des Verteidigers (hier 8... De7), die sich abwehren lassen, schlagen meist zum Nachteil aus. Hier steht die schwarze Dame auf e7 letztlich nur für weiße Belästigungen günstig und kommt nicht mehr so schnell auf ein gutes Feld (auf e6 wird sie später durch Lh3 und Tae1 beunruhigt).
3) Eine Rochadestellung, bei der die Rochadebauern bereits exzessiv gezogen haben, erscheint dem Auge geschwächt. Es kommt allerdings - wie bei allen Schwächen - darauf an, ob der Gegner etwas damit anfangen kann. Hier sind bei der weißen Rochadestellung ja theoretisch die Felder h3, g4, f3 'schwach' in dem Sinne, dass sie von keinem Bauern mehr geschützt werden können. Aber Schwarz hat keine Möglichkeit, in diese Felder einzudringen. Ebenso sind Rochadebauern auf g3 und gar h4 ja eigentlich klassische Angriffsmarken, die Schwarz hier aber ebenfalls nicht ausnutzen kann, weil er gegen h4 nur mit einem Bauern auf g5 oder mit einem Figurenopfer auf h4 vorgehen könnte, was beides hier unmöglich ist. Ebensowenig kommt er an g3 heran. Die schwarze Rochadestellung sieht im Gegensatz dazu optisch eigentlich weniger 'luftig' aus als die weiße; in Wirklichkeit ist sie aber deutlich schwächer, wie sich in der Folge zeigt: weiße Figuren und Bauern können sich ganz in der Nähe des schwarzen Königs festsetzen und dort große Wirkung ausüben.
4) Figuren, die dicht vor der gegnerischen Königsstellung 'herumtanzen', sind potenzielle Opferfiguren (vor allem wenn sie dort belästigt werden). Dies sieht man bereits in der Variante 1. e4 e5 2. f4 exf4 3. Sf3 g5 4. h4 g4 5. Sg5 (statt des hier geschehenen Se5) h6, das den Weißen zu 6. Sxf7 zwingt. In der Partie opfert sich in der Variante zum 21. Zug von Schwarz (21... h6) der weiße Lg5 sehr hübsch auf e7, was hier möglich ist, da der Befragungszug h6 das Feld g6 tödlich schwächt (dessen Schwächung schon durch das frühere f7-f5 vorbereitet wurde). Sind statt 3 Rochadebauern nur noch 2 vorhanden (so wie hier), kann jeder weitere Aufzug dieser Bauern umso fataler sein.
5) Die Stärkung eines Punktes kann zur Schwächung eines anderen führen. Hier stärkt Schwarz durch c6 nebst d5 seinen Punkt d5 und seinen d-Bauern, schwächt aber e5, was ihm schnell zum Verhängnis wird.
6) Reine Figurenangriffe sind selten Erfolg versprechend; meist muss noch ein bescheidenes Bäuerlein vorpreschen, um den Figuren die entscheidende Unterstützung zu gewähren. Hier ist es der weiße h-Bauer, der zwar untypischerweise nicht auf einen schwarzen g-Bauern als Angriffsmarke stößt (es geht hier ja auch nicht um Linienöffnung), aber der durch sein Vorrücken bis nach h6 (das hier nicht durch schwarzes h7-h6 gestoppt werden kann!) den schwarzen Schutzläufer belästigt bzw. dort auch noch bei Mattwendungen mithilft.
SF Kellerdrache hatte in der Reihe 'Die Vergessenen' schon einmal eine Partie von Charousek gebracht: /forum/topic.html?key=df413c331ee64efd&sv=10
In der folgenden Partie spielt Charousek allerdings nicht gegen einen Amateur, sondern gegen einen führenden Meister seiner Zeit, nämlich Amos Burn (1848-1925), der ihn ein Jahr früher (beim Turnier Berlin 1897, in dem Charousek den 1. Platz belegte) sogar besiegt hatte.
Wegen weiterer biografischer Details siehe de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Charousek
Rezso Charousek Amos Burn Casual Game | Cologne GER | 1898 | C39 | 1:0
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5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. e4 e5 2. f4 Selbst zu der Zeit, als diese Partie gespielt wurde, galt das Königsgambit schon als veraltet. Charousek war einer der wenigen Spitzenspieler der Jahrhundertwende, die sich auf diese Eröffnung spezialisiert hatten. Ähnlich wie später auch Réti (der große Stücke auf Charousek hielt, und dies wohl kaum nur deswegen, weil sie Landsleute waren), wandte Charousek das Königsgambit jedoch als positionelle Eröffnung an, und er hat es damals deswegen auch um viele neue Ideen bereichert, aus denen wir heute noch etwas lernen können. xf4 3. Sf3 g5 Wahrscheinlich die älteste Verteidigung des Königsgambits, und auch heute noch die meistgespielte! Das Ideal des Schwarzen wäre eine Bauernkette f4-g5-h6 mit einem Läufer auf g7. Der nächste weiße Zug verhindert dies und ist deswegen positionell am logischsten. 4. h4 Da h6 jetzt keine Deckung wäre (wegen des ungedeckten Turms auf h8 könnte der schwarze h-Bauer nach dem weißen hxg5 ja gar nicht zurückschlagen) und f6 eine schreckliche Schwächung sowohl der Diagonalen c4-f7 wie auch h5-e8 darstellen würde, bleibt ihm nur, den Traum von der Bauernkette aufzugeben. g4 5. Se5 Das Kieseritzky-Gambit, im Gegensatz zum riskanteren Allgaier-Gambit, wo Weiß Sg5 spielt und nach h6 gezwungen ist, auf f7 zu opfern, eine Spielweise, die dem Positionsspieler Charousek natürlich niemals eingefallen wäre. Lg7
Die heutige Theorie berücksichtigt hauptsächlich Sf6 , z.B. 6. Lc4 d5 , um schnell die Entwicklung voranzutreiben und ein Gegenspiel im Zentrum einzuleiten, aber der von Burn gewählte Textzug ist auch spielbar und vor allem auch logisch, da er nicht nur eine Figur entwickelt, sondern auch sofort den Se5 befragt.
6. d4 Nun wird Schwarz Lxf4 nur noch durch unnatürliche Züge wie Df6 verhindern können, und der Bauer g4 ist auch todgeweiht, wenn Schwarz nicht auf die (nahezu selbstmörderische) Idee h7-h5 verfällt. Sf6 7. Sxg4 Sxe4 8. Lxf4 Nun ist das Gambit ja gar keins geworden, da Weiß seinen Bauern wiederbekommen hat. Das strategische Ziel des Königsgambits, nämlich die frühzeitige Öffnung der f-Linie, hat Weiß erreicht, allerdings auf Kosten der Auflockerung des eigenen Königsflügels mittels h4. Aber auch die schwarzen Königsflügelbauern sind zersplittert, die Felder f5, f6, h5, h6 schwach (da sie nicht mehr von einem Bauern gedeckt werden können und somit der Figurendeckung bedürfen). Die kurze Rochade sieht für beide Seiten nicht mehr sehr gemütlich aus. Wer hat die besseren Chancen? Ich würde hier lieber mit Weiß spielen (was sich wohl auch Charousek dachte). De7?! Scheinbar unangenehm für Weiß, der nun mit den Drohungen Sc3+ (mit Damengewinn!) und Db4+ rechnen muss. 9. De2 Ein Bauernopfer. Nun wird es also doch wieder ein echtes Gambit. Trotzdem bleibt das Spiel positionell. Lxd4 10. c3 Lg7 11. Se3! Obwohl Weiß hier mit einer schon mehrmals gezogenen Figur noch einmal zieht, ist dieser Zug sehr stark, weil nun sowohl Sd5 wie auch Sf5 droht. Der nächste Zug von Schwarz pariert beide Drohungen, stellt die Dame aber nicht gerade auf ein Traumfeld. De6 12. g3 Bei unvollständig entwickeltem Spiel ein Bauernzug? Dieser ist jedoch ein Entwicklungszug; der Lf1 soll nach g2 oder h3 entwickelt werden. Außerdem festigt der Zug die Punkte f4 und h4. O-O 13. Lh3 f5 Da6!? sieht interessant aus, aber auf solche 'langen' Damenschwenks kommt man nicht so leicht. Der Aufzug des f-Bauern schwächt die schwarze Königsstellung weiter, die weißen Figuren stehen aber (noch) nicht so, dass sie das ausnutzen könnten.
14. O-O Wer hätte es gedacht, dass nun beide Seiten doch kurz rochieren würden? Trotz Aufzug beider Rochadebauern ist die weiße Königsstellung so gut wie unangreifbar, vor allem weil Schwarz keinen g-Bauern mehr hat, den er als Rammbock benutzen könnte. d6 15. Sd2 Natürlich muss die am stärksten stehende schwarze Figur befragt werden. Weiß beabsichtigt aber nicht nur einen reinen Abtausch auf e4. Er droht vielmehr mit Sxf5 oder Lxf5 die Standfestigkeit des schwarzen Se4 zu untergraben, daher tauscht Schwarz vorsichtshalber gleich selbst: Sxd2 16. Dxd2 Sc6 17. Tae1 Zeigt, dass die schwarze Dame nicht günstig steht; es droht Sxf5. Aber hat Charousek nicht gerade den a-Bauern eingestellt? Df7 18. Lg2 Dieser Läufer hatte auf h3 keine Perspektive mehr. Kh8 Burn geht zur Sicherheit aus der Diagonalen d5-g8. Beim Nachspielen der Partie glaubte ich (und möglicherweise glaubten beide Spieler während der Partie dies auch!), Schwarz könnte jetzt nicht den natürlichen Zug Le6!? spielen wegen 19. Sxf5!? Lxf5!
19. Sd5! Nun kann Charousek die Entwicklung des weißfeldrigen Läufers von Schwarz nämlich verhindern. Se5 20. Lg5?! Um nach dem zu erwartenden c6 dem Sd5 das Feld f4 freizumachen, wie es sogleich auch geschehen wird. Eigentlich eine schöne Idee; hier war sofortiges h5 jedoch eindeutig stärker. c6?! Diese Vertreibung des Sd5 ist eine sehr natürliche Reaktion, allerdings wird der Sd5 damit auf ein Feld getrieben, wo er, wie sich bald zeigen wird, nicht minder wirksam steht. Außerdem hängt nach dem Wegzug des Sd5 der Bauer d6. 20. Txe6?? Dxe6 21. Ld5 Ld4+! (von mir genauso übersehen wie in der Variante mit 19... Lxf5) und Schwarz verbleibt mit einem Mehrturm!
20. Ld5 , scheinbar mit Gewinn, doch der Blechesel zerschlug mir den ganzen schönen Gewinn mit dem gemeinen Gegenschlag Ld4+! 21. Dxd4! Sxd4 22. Lxf7+ Txf7 23. xd4 und Remis (hier sind die ungleichen Läufer mal wirklich Remisfiguren!) Nun hätte Burn doch die Gelegenheit ergreifen können, mit Le6! nebst Tae8 seine Entwicklung abzuschließen.
21. Sf4! Charousek hat erkannt, dass Schwarz nun nicht mit h6 den Lg5 fangen kann (siehe die folgende Anmerkung). Also muss sich Schwarz um seinen jetzt hängenden d-Bauern kümmern. Aber dessen Vorrücken wird den Punkt e5 schwächen. d5 22. h5! Der h-Bauer, obwohl kein Freibauer, wird nun eine ernste Gefahr für Schwarz. Ld7? Verliert forciert, aber plötzlich ist es sehr schwierig geworden, eine ausreichende Verteidigung für Schwarz zu finden. 23. h6! Lf6 24. Lxf6+ Dxf6 25. Sh5 Der Bauer h6 ist nun durch die weiße Dame gedeckt. Dd6 auch Dg6 hilft nicht wegen 26. Dd4! und Schwarz kann gar nicht auf h5 nehmen wegen Dxe5+ nebst Matt auf g7 - mit Dank an den Bauern h6! Tae8 27. Txe5 und wieder gewinnt Weiß. Man erkennt jetzt, wie sehr der schwarze Zug 21... d5 den Punkt e5 geschwächt hat und wie verhängnisvoll dies für Schwarz geworden ist.
26. Txe5! Dxe5 27. Te1 Die Pointe der weißen Kombination; die schwarze Dame muss die Diagonale d4-h8 aufgeben, wonach Dd4+ sofort entscheidet. Als Alternative bliebe also nur, die Dame auf e1 zu geben, was Burn aber keinen Spaß mehr machte, weswegen er lieber aufgab. Ein lässig-eleganter Schluss, hingetupft von Meisterhand. Ein paar allgemeine Prinzipien, die durch diese Partie illustriert werden, sind mir auch diesmal eingefallen (natürlich wieder mal zu lang geraten, wie immer):
1) Bauernopfer in der Eröffnung können auch positioneller Natur sein. Man kann nicht nur Entwicklungsvorsprung und offene Linien bzw. Diagonalen für den Bauern eintauschen (was ja normalerweise der Sinn und Zweck des Gambitspiels ist). Hier erhält Weiß für den Bauern starke Felder, während Schwarz mit Felderschwächen verbleibt. Diese sind dann statische Nachteile für den Verteidiger, die sich nicht so einfach verflüchtigen können wie ein Entwicklungsrückstand. Schwarz kann seinen König schlecht in der Mitte lassen, aber wenn er rochiert, ist er von schwachen Feldern umgeben.
2) Frühzeitige Drohungen des Verteidigers (hier 8... De7), die sich abwehren lassen, schlagen meist zum Nachteil aus. Hier steht die schwarze Dame auf e7 letztlich nur für weiße Belästigungen günstig und kommt nicht mehr so schnell auf ein gutes Feld (auf e6 wird sie später durch Lh3 und Tae1 beunruhigt).
3) Eine Rochadestellung, bei der die Rochadebauern bereits exzessiv gezogen haben, erscheint dem Auge geschwächt. Es kommt allerdings - wie bei allen Schwächen - darauf an, ob der Gegner etwas damit anfangen kann. Hier sind bei der weißen Rochadestellung ja theoretisch die Felder h3, g4, f3 'schwach' in dem Sinne, dass sie von keinem Bauern mehr geschützt werden können. Aber Schwarz hat keine Möglichkeit, in diese Felder einzudringen. Ebenso sind Rochadebauern auf g3 und gar h4 ja eigentlich klassische Angriffsmarken, die Schwarz hier aber ebenfalls nicht ausnutzen kann, weil er gegen h4 nur mit einem Bauern auf g5 oder mit einem Figurenopfer auf h4 vorgehen könnte, was beides hier unmöglich ist. Ebensowenig kommt er an g3 heran. Die schwarze Rochadestellung sieht im Gegensatz dazu optisch eigentlich weniger 'luftig' aus als die weiße; in Wirklichkeit ist sie aber deutlich schwächer, wie sich in der Folge zeigt: weiße Figuren und Bauern können sich ganz in der Nähe des schwarzen Königs festsetzen und dort große Wirkung ausüben.
4) Figuren, die dicht vor der gegnerischen Königsstellung 'herumtanzen', sind potenzielle Opferfiguren (vor allem wenn sie dort belästigt werden). Dies sieht man bereits in der Variante 1. e4 e5 2. f4 exf4 3. Sf3 g5 4. h4 g4 5. Sg5 (statt des hier geschehenen Se5) h6, das den Weißen zu 6. Sxf7 zwingt. In der Partie opfert sich in der Variante zum 21. Zug von Schwarz (21... h6) der weiße Lg5 sehr hübsch auf e7, was hier möglich ist, da der Befragungszug h6 das Feld g6 tödlich schwächt (dessen Schwächung schon durch das frühere f7-f5 vorbereitet wurde). Sind statt 3 Rochadebauern nur noch 2 vorhanden (so wie hier), kann jeder weitere Aufzug dieser Bauern umso fataler sein.
5) Die Stärkung eines Punktes kann zur Schwächung eines anderen führen. Hier stärkt Schwarz durch c6 nebst d5 seinen Punkt d5 und seinen d-Bauern, schwächt aber e5, was ihm schnell zum Verhängnis wird.
6) Reine Figurenangriffe sind selten Erfolg versprechend; meist muss noch ein bescheidenes Bäuerlein vorpreschen, um den Figuren die entscheidende Unterstützung zu gewähren. Hier ist es der weiße h-Bauer, der zwar untypischerweise nicht auf einen schwarzen g-Bauern als Angriffsmarke stößt (es geht hier ja auch nicht um Linienöffnung), aber der durch sein Vorrücken bis nach h6 (das hier nicht durch schwarzes h7-h6 gestoppt werden kann!) den schwarzen Schutzläufer belästigt bzw. dort auch noch bei Mattwendungen mithilft.
Oli1970 - 07. Okt '18
Wow, da steckt ja einiges an Arbeit drin! Nahezu jeder Zug ist kommentiert, die Ideen beider Seiten hinter den Zügen analysiert und dargestellt. Spielerherz, was willst Du mehr?
Viele der großen Schachspieler scheinen nicht aus Altersgründen zu sterben, Charousek senkt den Durchschnitt nochmal erheblich. Immerhin war es ihm in seiner kurzen Schachkarriere 1896 möglich, Emanuel Lasker zu besiegen. In diesem Turnier starten durfte er auf Empfehlung von Géza Maróczy - weil Amos Burn abgesagt hat. Wie das Leben manchmal so spielt.
Das Turnier, dem diese Partie entnommen ist, beendete Burn dennoch auf dem ersten Platz, Charousek, Cohn und Tschigorin landeten punktgleich hinter ihm. Wer wissen will, wie die Punkteverteilung aussah und wie hoch die Preisgelder waren, kann dies brandaktuell in der NY Times nachlesen: timesmachine.nytimes.com/timesmachine/1898/08/20/102120821.pdf
Burn präsentiert sich zunächst als Meister der Verteidigung. Man kann wohl sagen, Charousek war ein Experte in Sachen Königsgambit. Trotzdem findet Burn lange Zeit die richtigen Antworten.
Im 13. Zug fiel auch Dc6 eine mögliche Alternative mit der Idee der Springergabel auf g3 und Turmgewinn bei Schachgebot auf. Das wäre aber durch einfaches Lg2, was ja gerade vorbereitet wurde, zu verhindern gewesen. Schade auch.
Die Variante Dxa2 zum 17. Zug ist womöglich gar nicht so schlecht. Auch hier hätte Lxd4+ im Tausch gegen den Springer funktioniert. Weiß hätte zwei Bauern weniger und dafür zwei Isolani im Team gehabt. Nach folgendem Lg2 wäre Burn der Damentausch geblieben und die Partie trotzdem remisverdächtig geworden. Als Favorit (Burn war zu der Zeit einer der richtig guten) gegen den international noch relativ unerfahrenen Charousek war ihm das vielleicht zu wenig.
Sehr schön herausgearbeitet finde ich die verzwickten Varianten um den 18. Zug. Zumindest für mich sind die nicht im Ansatz zu überblicken, hier musste ich mir Siliziumpower zur Unterstützung holen. Ob Burn überhaupt gerechnet hat oder sich schlicht sagte, dass König hinter Dame selten gut ist und einfach die offensichtlichste Möglichkeit wählte, dem aus dem Weg zu gehen?
Es ist erstaunlich, dass beide Spieler sich so lange praktisch keine Fehlzüge erlauben. Man kann sicher drüber streiten, ob nicht Zug xy eine Nuance besser gewesen wäre, faktisch ist das Spiel aber bis zum 22. Zug ausgeglichen. Weiß hat nicht viel mehr als den Anzugvorteil (was natürlich ein schweres Pfund ist), Schwarz ist in der Rolle des Verteidigers, die er bis dahin aber problemlos ausfüllt. Bis er Ld7 zieht. Die einzige Erklärung ist der Wunsch, den zweiten Turm zu aktivieren, um die e-Linie zu sichern. Mit h6 war nach vorherigem h5 sicher fest zu rechnen. Die richtige Lösung an der Stelle wäre laut elektronischem Abakus Sc4 gewesen - Weiß hätte eine Lösung zur Verhinderung von Remis durch Zugwiederholung finden müssen.
Von beiden Seiten sehr solide gespielt, bis Burn im 22. der Fehlzug unterlief. Vermutlich ist es einer der Fälle des psychologischen Faktors, der dem Spieler sagt: "Hey, 22 Züge und was hast Du aktiv gemacht? Mach mal was!"
Bei diesen positionellen Spielen bin ich allerdings frühzeitig draußen. Diese Früchte hängen doch zu hoch für mich am Baum. Es sieht zwar alles logisch und nachvollziehbar aus, leicht und locker kriege ich sowas aber nicht aufs Brett. Schwer und verkrampft auch nicht. :-D
Viele der großen Schachspieler scheinen nicht aus Altersgründen zu sterben, Charousek senkt den Durchschnitt nochmal erheblich. Immerhin war es ihm in seiner kurzen Schachkarriere 1896 möglich, Emanuel Lasker zu besiegen. In diesem Turnier starten durfte er auf Empfehlung von Géza Maróczy - weil Amos Burn abgesagt hat. Wie das Leben manchmal so spielt.
Das Turnier, dem diese Partie entnommen ist, beendete Burn dennoch auf dem ersten Platz, Charousek, Cohn und Tschigorin landeten punktgleich hinter ihm. Wer wissen will, wie die Punkteverteilung aussah und wie hoch die Preisgelder waren, kann dies brandaktuell in der NY Times nachlesen: timesmachine.nytimes.com/timesmachine/1898/08/20/102120821.pdf
Burn präsentiert sich zunächst als Meister der Verteidigung. Man kann wohl sagen, Charousek war ein Experte in Sachen Königsgambit. Trotzdem findet Burn lange Zeit die richtigen Antworten.
Im 13. Zug fiel auch Dc6 eine mögliche Alternative mit der Idee der Springergabel auf g3 und Turmgewinn bei Schachgebot auf. Das wäre aber durch einfaches Lg2, was ja gerade vorbereitet wurde, zu verhindern gewesen. Schade auch.
Die Variante Dxa2 zum 17. Zug ist womöglich gar nicht so schlecht. Auch hier hätte Lxd4+ im Tausch gegen den Springer funktioniert. Weiß hätte zwei Bauern weniger und dafür zwei Isolani im Team gehabt. Nach folgendem Lg2 wäre Burn der Damentausch geblieben und die Partie trotzdem remisverdächtig geworden. Als Favorit (Burn war zu der Zeit einer der richtig guten) gegen den international noch relativ unerfahrenen Charousek war ihm das vielleicht zu wenig.
Sehr schön herausgearbeitet finde ich die verzwickten Varianten um den 18. Zug. Zumindest für mich sind die nicht im Ansatz zu überblicken, hier musste ich mir Siliziumpower zur Unterstützung holen. Ob Burn überhaupt gerechnet hat oder sich schlicht sagte, dass König hinter Dame selten gut ist und einfach die offensichtlichste Möglichkeit wählte, dem aus dem Weg zu gehen?
Es ist erstaunlich, dass beide Spieler sich so lange praktisch keine Fehlzüge erlauben. Man kann sicher drüber streiten, ob nicht Zug xy eine Nuance besser gewesen wäre, faktisch ist das Spiel aber bis zum 22. Zug ausgeglichen. Weiß hat nicht viel mehr als den Anzugvorteil (was natürlich ein schweres Pfund ist), Schwarz ist in der Rolle des Verteidigers, die er bis dahin aber problemlos ausfüllt. Bis er Ld7 zieht. Die einzige Erklärung ist der Wunsch, den zweiten Turm zu aktivieren, um die e-Linie zu sichern. Mit h6 war nach vorherigem h5 sicher fest zu rechnen. Die richtige Lösung an der Stelle wäre laut elektronischem Abakus Sc4 gewesen - Weiß hätte eine Lösung zur Verhinderung von Remis durch Zugwiederholung finden müssen.
Von beiden Seiten sehr solide gespielt, bis Burn im 22. der Fehlzug unterlief. Vermutlich ist es einer der Fälle des psychologischen Faktors, der dem Spieler sagt: "Hey, 22 Züge und was hast Du aktiv gemacht? Mach mal was!"
Bei diesen positionellen Spielen bin ich allerdings frühzeitig draußen. Diese Früchte hängen doch zu hoch für mich am Baum. Es sieht zwar alles logisch und nachvollziehbar aus, leicht und locker kriege ich sowas aber nicht aufs Brett. Schwer und verkrampft auch nicht. :-D
Vabanque - 08. Okt '18
>>Das Turnier, dem diese Partie entnommen ist, beendete Burn dennoch auf dem ersten Platz, Charousek, Cohn und Tschigorin landeten punktgleich hinter ihm. Wer wissen will, wie die Punkteverteilung aussah und wie hoch die Preisgelder waren, kann dies brandaktuell in der NY Times nachlesen: timesmachine.nytimes.com/timesma..
<<
Dabei war ich doch davon ausgegangen, dass mit 'Cologne' das gute alte deutsche Kölle gemeint war ... sollte ich da im Irrtum sein, und das Turnier fand statt dessen in einer der vielen US-amerikanischen Städte statt, die ebenfalls so heißen (im Prinzip haben die Amis ja in ihrem Land jede europäische Stadt kopiert ... )?
Da aber im Artikel die Preisgelder in 'Marks' angegeben sind, gehe ich mal davon aus, dass ich Recht hatte, und das Turnier fand wirklich im deutschen Köln statt ... dann aber ist es wiederum merkwürdig, dass Kellerdrache hier noch nicht reagiert hat ;-)
<<
Dabei war ich doch davon ausgegangen, dass mit 'Cologne' das gute alte deutsche Kölle gemeint war ... sollte ich da im Irrtum sein, und das Turnier fand statt dessen in einer der vielen US-amerikanischen Städte statt, die ebenfalls so heißen (im Prinzip haben die Amis ja in ihrem Land jede europäische Stadt kopiert ... )?
Da aber im Artikel die Preisgelder in 'Marks' angegeben sind, gehe ich mal davon aus, dass ich Recht hatte, und das Turnier fand wirklich im deutschen Köln statt ... dann aber ist es wiederum merkwürdig, dass Kellerdrache hier noch nicht reagiert hat ;-)
Kellerdrache - 08. Okt '18
Ja, ich bin mir sicher, dass dieses Turnier in meiner Heimatstadt stattgefunden hat. Der ewig mittellose Charousek hätte wohl kaum das Geld für eine USA-Reise zusammen bekommen.
Was Vabanque in seiner Kommentierung schreibt kann ich nur bestätigen. Anders als frühere Generationen haben die heutigen Spieler eher Angst vor taktischen Gemetzeln und spielen selbst Gambits eher positionell. Deshalb vermeiden viele auch die klassischen Varianten, die objektiv die besten Chancen bieten.
Charousek selber war ja (zurecht) eigentlich als begnadeter Taktiker bekannt spielt das hier als positionelle Partie sehr schön. Da ich selber Königsgambit spiele kamen mir die meisten weißen Züge sehr natürlich vor (sprich: hätte ich auch gemacht). Die, meiner Meinung nach, entscheidensten Züge (Se3 und g3) habe ich aber natürlich nicht gefunden. Dabei erweist sich vor allem g3 als sehr wichtig, weil dadurch der Läufer entscheidend ins Spiel eingreifen kann. Vor allem die Drohungen über die Diagonale a2-g8 waren mir komplett entgangen. Der Schluß indem Charousek dann die Dame von der kritischen Diagonalen ablenkt ist auch taktisch wieder hübsch.
Was Vabanque in seiner Kommentierung schreibt kann ich nur bestätigen. Anders als frühere Generationen haben die heutigen Spieler eher Angst vor taktischen Gemetzeln und spielen selbst Gambits eher positionell. Deshalb vermeiden viele auch die klassischen Varianten, die objektiv die besten Chancen bieten.
Charousek selber war ja (zurecht) eigentlich als begnadeter Taktiker bekannt spielt das hier als positionelle Partie sehr schön. Da ich selber Königsgambit spiele kamen mir die meisten weißen Züge sehr natürlich vor (sprich: hätte ich auch gemacht). Die, meiner Meinung nach, entscheidensten Züge (Se3 und g3) habe ich aber natürlich nicht gefunden. Dabei erweist sich vor allem g3 als sehr wichtig, weil dadurch der Läufer entscheidend ins Spiel eingreifen kann. Vor allem die Drohungen über die Diagonale a2-g8 waren mir komplett entgangen. Der Schluß indem Charousek dann die Dame von der kritischen Diagonalen ablenkt ist auch taktisch wieder hübsch.
Kellerdrache - 08. Okt '18
@Vabanque: Ich hab am Sonntag selber Nahschach gespielt und eine schöne Königsgambitpartie durch Vertauschung der Zugreihenfolge vergeigt (Merke: Erst fesseln, dann die 'gedeckte' Figur schlagen. Umgekehrt funktioniert nicht!). Deshalb erst heute mein Kommentar
Kellerdrache - 08. Okt '18
Die europäischen Einwanderer in die USA waren im allgemeinen nicht sehr phantasiereich, sondern haben für ihre neue Heimat einfach dem Namen ihrer alten Ursprungsstadt genommen. Wenn sie ganz verwegen waren habe sie noch ein 'New' davor gesetzt (wie bei New York - York in England, New Orleans - Orleans in Frankreich, Heimat der berühmten Jungfrau). Die Spanier haben in der Regel irgendwelche Heiligennamen genommen (San Francisco, Santa Barbara).
Naja, was soll ich mosern, da der Name meiner Stadt im Ursprung einfach Kolonie heißt.
Naja, was soll ich mosern, da der Name meiner Stadt im Ursprung einfach Kolonie heißt.
Vabanque - 08. Okt '18
Tja, bei meiner Heimatstadt weiß ich den Namensursprung gar nicht, und es gibt auch kein Pendant in den USA dazu, glaube ich zumindest ...
Kellerdrache - 08. Okt '18
Wahrscheinlich hat es, viel anständiger als Köln, was mit Mönchen zu tun ;-))
Vabanque - 08. Okt '18
Ja, daher soll der Name angeblich (!) stammen. Aba gwis woaß ma's ned ...
Kellerdrache - 08. Okt '18
@Oli1070: Wie hat sich dein Blechesel denn den Fortgang der Partie nach 22..Sc4 vorgestellt ? Zwingende Zugwiederholung sehe ich erstmal (z.B. nach 23.Df2) nicht. Aber das kann an mir liegen
Oli1970 - 08. Okt '18
Nee, passt schon. Genau das meinte ich, Weiß muss selbst umstellen, er kann die Dame nicht auf seinem Wunschfeld belassen; er sollte Ld4+ verhindern und vielleicht b2 schützen. Wenn er zu hartnäckig an seinem Feld festhält, geht Schwarz einfach zurück und das Spiel beginnt von vorn.
haribo02 - 08. Okt '18
@Kellerdrache
@Oli1970
Also, da habe ich auch auch nicht gesehen, zumal meine
"Blechkiste " nach 22.Sc4 mir Dc1 ansagt!
Nach 23.Lf6 Lxf6 24.Dxf6 b3 und der schwarze Springer muss
zurück...
22.Ld7 war trotzdem der Zug, der die Niederlage einleitet .
Ab dann geht es schnell, Charousek spielt fehlerlos und eindrucksvoll, Burn dagegen sah nie wirklich gefährlich aus!
Eine schöne Partie und sehr detailliert erklärt, hat wieder Spaß
gemacht:-)
@Oli1970
Also, da habe ich auch auch nicht gesehen, zumal meine
"Blechkiste " nach 22.Sc4 mir Dc1 ansagt!
Nach 23.Lf6 Lxf6 24.Dxf6 b3 und der schwarze Springer muss
zurück...
22.Ld7 war trotzdem der Zug, der die Niederlage einleitet .
Ab dann geht es schnell, Charousek spielt fehlerlos und eindrucksvoll, Burn dagegen sah nie wirklich gefährlich aus!
Eine schöne Partie und sehr detailliert erklärt, hat wieder Spaß
gemacht:-)
Oli1970 - 08. Okt '18
@kellerdrache und @haribo02:
Ich hatte eine Möglichkeit im Sinn, wenn Weiß an der d-Linie festhalten und als kleine Falle seinen Bauern anbieten möchte: 23. Dd3 Sxb2 24. Dc2 Sc4 25. Te7 - wenn die Falle erkannt wird, ginge der Springer nach 23. Dd3 einfach zurück auf e5, Weiß könnte als beste Wahl zurück auf d2 spielen und es geht auf Neustart. Nur in diesem Sinne ist er gezwungen, umzubauen, denn Schwarz hat keinen Grund, sein Verhalten zu ändern. Sorry, wenn mein Wortlaut oben die ultimative Lösung suggerierte.
Als stärksten Zug auf Sc4 liefert mir der heimische Magier Df2, auf Dc1 errechnet er im Schnellwaschgang einen - nicht der Rede werten - Vorteil für Schwarz.
Ich hatte eine Möglichkeit im Sinn, wenn Weiß an der d-Linie festhalten und als kleine Falle seinen Bauern anbieten möchte: 23. Dd3 Sxb2 24. Dc2 Sc4 25. Te7 - wenn die Falle erkannt wird, ginge der Springer nach 23. Dd3 einfach zurück auf e5, Weiß könnte als beste Wahl zurück auf d2 spielen und es geht auf Neustart. Nur in diesem Sinne ist er gezwungen, umzubauen, denn Schwarz hat keinen Grund, sein Verhalten zu ändern. Sorry, wenn mein Wortlaut oben die ultimative Lösung suggerierte.
Als stärksten Zug auf Sc4 liefert mir der heimische Magier Df2, auf Dc1 errechnet er im Schnellwaschgang einen - nicht der Rede werten - Vorteil für Schwarz.